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324 Dramatische Nähe · Sport und Fotografie
interessiert sich auch für andere Sportarten, etwa Eis-
und Kunsteislauf (Abb.
10). Daneben widmet er sich
immer wieder auch sozialen und Alltagsthemen. Für
die Zeitschrift Die Bühne beispielsweise stellt er um
1930 mehrere schöne Sozial- und Alltagsreportagen
zu Wiener Themen zusammen. Auch in diesen Arbei-
ten zielt er nicht auf den Überblick, sondern er sucht
das sprechende Detail, indem er nahe an Personen
und Dinge heranrückt.
In der Zwischenkriegszeit wendet sich eine gan-
ze Reihe junger Männer – aber nur einige wenige
Frauen – der Pressefotografie zu. Manche von ihnen
haben eine klassische Ausbildung als Fotograf hin-
ter sich, andere sind Autodidakten. Gemeinsam ist
ihnen, dass sie ohne großes Startkapital beginnen.
Kaum einer dieser jungen Presse- und Sportfotogra-
fen ist fest angestellt. Fast alle arbeiten selbststän-
dig, mit eigenen bescheidenen Betriebsmitteln: einer
Kamera und einer Dunkelkammer, die meist in der
eigenen Wohnung eingerichtet wird. Es sind also
klassische Ein-Mann-Betriebe. Ihr Verdienst richtet
sich nach der Anzahl der Bilder, die sie in der Presse
unterbringen können. Die Konkurrenz untereinander
ist groß. Man versucht, den anderen auszustechen, indem man noch schneller ist, noch sensationelle-
re Bilder liefert. Gelegentlich schließen sich zwei
Fotografen zu Vertriebsgemeinschaften zusammen.
Die Arbeit vor Ort teilt man sich auf, die Kosten für
Logistik und Vertrieb ebenso. Oft überdauern diese
kleinen Produktions- und Vertriebsallianzen nur we-
nige Jahre, ihre Mitglieder wechseln immer wieder:
Karl Schleich kooperiert, wie erwähnt, eine Zeit lang
mit Albert Hilscher, dieser tut sich für einige Jahre
mit Leo Ernst zusammen. Letzterer wiederum mit
Fred Cesˇanek. Einigen wenigen gelingt es, eine feste
Anstellung als Zeitschriftenfotograf zu bekommen,
etliche Pressefotografen arbeiten zeitweise fest für
Fotoagenturen. In den meisten Fällen aber bleiben
die Arbeitsverhältnisse prekär.
Auch wenn die Fotografen pausenlos unterwegs
sind und ihre Namen in der Presse erscheinen: Be-
rühmt werden sie in der Regel nicht. Der Beruf des
Sportfotografen ist in der Zwischenkriegszeit gesell-
schaftlich nicht sehr hoch angesehen. Die Zeitungen
betrachten ihre Fotografen als bloße Zulieferer von
Bildmaterial. Fällt einer von ihnen aus, ist sofort
Ersatz gefunden. Denn es gibt viele, die mit ihren
Sportaufnahmen Geld verdienen wollen. Und den-
noch: Trotz des niedrigen sozialen Stellenwerts ist
der Beruf des Sportfotografen attraktiv. Er garantiert
Abwechslung, Spannung und ein Arbeitsleben ohne
Büro- oder Fabrikzwang. Die Arbeit selbst aber ist
hart und aufreibend, nicht anders als ein Vierteljahr-
hundert zuvor, in den Jahren um 1900, als der neue
Berufszweig entsteht.
Pioniere der Sportfotografie
Blicken wir noch einmal kurz zurück in die Zeit
der Jahrhundertwende. In den 1890er Jahren tauchen
neue Massensportarten in der Öffentlichkeit auf,
etwa Radfahren, Leichtathletik, Wassersport, Skifah-
ren und allen voran Fußball. Sie sind in der breiten
Bevölkerung beliebt. Und sie werden bald auch zum
Zuschauersport. Die Massen schauen sich die Wett-
kämpfe von den Rängen aus an. Sie verfolgen sie aber
auch in der populären Presse, vor allem in den auf-
lagenstarken Sonn- und Montagsblättern und in den
neu gegründeten Sportzeitungen.
Abb.
10 Liselotte Landbeck,
die österreichische Meisterin
im Eiskunstlauf auf
dem Platz
des Wiener Eislaufvereins. Das
interessante Blatt, 18.
Januar
1934, S.
8. Foto: Karl
Schleich.
Rasende Reporter: Eine Kulturgeschichte des Fotojournalismus.
Fotografie, Presse und Gesellschaft in Österreich 1890 bis 1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Rasende Reporter: Eine Kulturgeschichte des Fotojournalismus.
- Untertitel
- Fotografie, Presse und Gesellschaft in Österreich 1890 bis 1945
- Autor
- Anton Holzer
- Verlag
- Primus Verlag
- Datum
- 2014
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-86312-073-3
- Abmessungen
- 23.0 x 29.0 cm
- Seiten
- 498
- Schlagwörter
- Fotojournalismus, Pressefotografie, Fotografie, Fotografiegeschichte, Mediengeschichte, Kulturgeschichte, Populärkultur, Österreich
- Kategorie
- Medien
Inhaltsverzeichnis
- Auf den Spuren der rasenden Reporter Vorwort 7
- Neue illustrierte Welt Einleitung 10
- Bilder, Nachrichten, Sensationen Die Zeitungsstadt Wien um 1900 22
- Die Jagd nach Sensationen Pioniere der Pressefotografie 36
- Fotos statt Zeichnungen Das Entstehen einer fotografischen Öffentlichkeit 51
- Bild und Text Die Rhetorik der Zeitungsseiten 59
- Redaktion, Druck, Vertrieb Wie eine illustrierte Zeitschrift entsteht 70
- Im Rampenlicht Der Kaiser im Blick der Fotografen 77
- Als die Männer fliegen lernten Die ersten Wiener Flugschauen 91
- Mit der Kamera bewaffnet Fotografie und Propaganda im Ersten Weltkrieg 105
- Theater der Macht Parlament und Politik in Bildern 117
- Kampf um die Straße Demonstrationen, Kundgebungen und Massenpolitik 134
- Im Schatten der Konzerne Politische Illustrierte in der Zwischenkriegszeit 145
- Bilder für alle Die Welt der Magazine und Revuen 170
- Bilder als Propaganda Die illustrierte Regierungspresse nach 1934 194
- Erzählende Bilder Die moderne Fotoreportage in der Zwischenkriegszeit 203
- Handel mit Bildern Die Rolle der Fotoagenturen 234
- Politische Bilder Die Kultur der Arbeiterfotografie 248
- Amerika, ein Traum Wolkenkratzer und Tiller Girls 263
- Bubikopf und Zigarette Bilder der „Neuen Frau“ 277
- Experiment und Bewegung Tanzschritte in eine neue Zeit 286
- Wenn die Hüllen fallen Erotik, Sexualität und Nacktfotografie in der Zwischenkriegszeit 296
- Schöne neue Warenwelt Reklame und Mode in der Fotografie 304
- Dramatische Nähe Sport und Fotografie 317
- Frauen hinter der Kamera Die neuen Fotografinnen 331
- Die kurze Zeit der Avantgarde Fotografische Aufbrüche um 1930 344
- Landschaft, Berge, Brauchtum Heimatfotografie in den 1930er Jahren 363
- Fotografisches Feuilleton „Der Sonntag”: ein vergessenes Forum moderner Reportagefotografie 378
- Demagogie in Bildern Hitler in Österreich 1938 411
- Den Krieg vor Augen Nationalsozialistische Medienpolitik und Ästhetik 419
- Eine andere Kulturgeschichte Schluss 437
- Anhang