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335Zeit
des Aufbruchs
Die Präsenz von Frauen in der Fotografie nimmt
in der Zwischenkriegszeit schlagartig zu. Die neuen
Fotografinnen arbeiten in allen Bereichen der Licht-
bildkunst wie Mode, Porträt, Tanz, Theater, Wer-
bung – und ansatzweise eben auch in der ausgespro-
chenen Männerbastion, der Pressefotografie.6 Zwar
gibt es bereits vor 1914 zahlreiche Frauen, die in Fo-
toateliers hinter der Kamera stehen, aber als Inhabe-
rinnen treten sie im Firmennamen selten auf. Als die
junge Dora Philippine Kallmus 1907 in der Wiener
Schulerstraße ein vornehmes Fotoatelier eröffnet, be-
nennt sie es in Anlehnung an ihren Vornamen „Ate-
lier d’Ora“ und nicht etwa nach ihrem Nachnamen.
Wenige Jahre später, 1911 und 1913, eröffnen Helene
von Zimmerauer und Ilse Roß ihre Ateliers bereits
unter ihrem wirklichen Namen.
Erst die Erschütterungen des Krieges stellen das
althergebrachte Bild der Geschlechter derart infrage,
dass dem Beispiel dieser Frauen zahlreiche andere
folgen. Die jungen Fotografinnen geben sich ab Ende
1910er Jahre nicht mehr mit Hilfsdiensten und Zuar-
beit in fremden Betrieben zufrieden. Viele von ihnen
eröffnen – nun oft stolz unter ihrem Namen – eigene
Ateliers oder tun sich zu Ateliergemeinschaften zu-
sammen. Zu nennen sind etwa Trude Fleischmann,
Edith Barakovich, Edith Glogau, Grete Kolliner
(Abb.
6), Lotte Meitner, Hedda Medina, Margarethe
Weissenstein, Josefine Bárány, Helene Kiss, Pepa
Feldscharek, Martha Fein, Hella Katz, Irene Messner,
Beatrice Freyberger, Olga Wlassics, Kitty Hoffmann,
Trude Geiringer und Dora Horovitz (Abb.
7). Wieder
andere Fotografinnen, etwa Steffi Brandl (Abb.
8) und
Margarethe Gross (verh. Michaelis), gehen nach ihrer
Ausbildung in Österreich nach Berlin, wo sie ihre Fo-
tokarriere fortsetzen oder beruflich anderweitig Fuß
fassen.
Einige wenige Fotografinnen arbeiten ohne Ate-
lier und vorwiegend für die Presse. Zu ihnen gehört
Lena Schur, Edith Suschitzky, Anita Dorfner und
Steffi Schaffelhofer, die Anfang bzw. Mitte der 1930er
Jahre beginnen. Gemeinsam ist ihnen, dass sie sich,
ganz im Trend der Zeit, immer häufiger weg von den
Einzelbildern und hin zu komplexer gebauten Bild-
geschichten, sogenannten Fotoreportagen, bewegen.7
Da die Berichterstattung über die Welt der Politik und der Tagesaktualitäten in der Zwischenkriegszeit noch
fest in der Hand der männlichen Kollegen ist, spezia-
lisieren sich die Frauen häufig auf die Mode- und Ge-
sellschaftsfotografie oder liefern Sozial-, Alltags- und
Reisereportagen an die Redaktionen.
So unterschiedlich die Lebens- und Berufsge-
schichten all dieser Fotografinnen auch sind, eini-
ges haben sie gemeinsam: Fast alle von ihnen sind Abb.6 Die lettische Tänzerin
Mila Cirul im
Tanzstück „Tschi-
nellentanz“. Wiener Mode,
Heft 18, 1925, S.
7. Foto: Grete
Kolliner.
Rasende Reporter: Eine Kulturgeschichte des Fotojournalismus.
Fotografie, Presse und Gesellschaft in Österreich 1890 bis 1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Rasende Reporter: Eine Kulturgeschichte des Fotojournalismus.
- Untertitel
- Fotografie, Presse und Gesellschaft in Österreich 1890 bis 1945
- Autor
- Anton Holzer
- Verlag
- Primus Verlag
- Datum
- 2014
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-86312-073-3
- Abmessungen
- 23.0 x 29.0 cm
- Seiten
- 498
- Schlagwörter
- Fotojournalismus, Pressefotografie, Fotografie, Fotografiegeschichte, Mediengeschichte, Kulturgeschichte, Populärkultur, Österreich
- Kategorie
- Medien
Inhaltsverzeichnis
- Auf den Spuren der rasenden Reporter Vorwort 7
- Neue illustrierte Welt Einleitung 10
- Bilder, Nachrichten, Sensationen Die Zeitungsstadt Wien um 1900 22
- Die Jagd nach Sensationen Pioniere der Pressefotografie 36
- Fotos statt Zeichnungen Das Entstehen einer fotografischen Öffentlichkeit 51
- Bild und Text Die Rhetorik der Zeitungsseiten 59
- Redaktion, Druck, Vertrieb Wie eine illustrierte Zeitschrift entsteht 70
- Im Rampenlicht Der Kaiser im Blick der Fotografen 77
- Als die Männer fliegen lernten Die ersten Wiener Flugschauen 91
- Mit der Kamera bewaffnet Fotografie und Propaganda im Ersten Weltkrieg 105
- Theater der Macht Parlament und Politik in Bildern 117
- Kampf um die Straße Demonstrationen, Kundgebungen und Massenpolitik 134
- Im Schatten der Konzerne Politische Illustrierte in der Zwischenkriegszeit 145
- Bilder für alle Die Welt der Magazine und Revuen 170
- Bilder als Propaganda Die illustrierte Regierungspresse nach 1934 194
- Erzählende Bilder Die moderne Fotoreportage in der Zwischenkriegszeit 203
- Handel mit Bildern Die Rolle der Fotoagenturen 234
- Politische Bilder Die Kultur der Arbeiterfotografie 248
- Amerika, ein Traum Wolkenkratzer und Tiller Girls 263
- Bubikopf und Zigarette Bilder der „Neuen Frau“ 277
- Experiment und Bewegung Tanzschritte in eine neue Zeit 286
- Wenn die Hüllen fallen Erotik, Sexualität und Nacktfotografie in der Zwischenkriegszeit 296
- Schöne neue Warenwelt Reklame und Mode in der Fotografie 304
- Dramatische Nähe Sport und Fotografie 317
- Frauen hinter der Kamera Die neuen Fotografinnen 331
- Die kurze Zeit der Avantgarde Fotografische Aufbrüche um 1930 344
- Landschaft, Berge, Brauchtum Heimatfotografie in den 1930er Jahren 363
- Fotografisches Feuilleton „Der Sonntag”: ein vergessenes Forum moderner Reportagefotografie 378
- Demagogie in Bildern Hitler in Österreich 1938 411
- Den Krieg vor Augen Nationalsozialistische Medienpolitik und Ästhetik 419
- Eine andere Kulturgeschichte Schluss 437
- Anhang