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368 Landschaft, Berge, Brauchtum · Heimatfotografie in den 1930er Jahren
das konservative Selbstverständnis der Stadt. Als der
italienische Sänger Ezio Pinza, der bei den Festspielen
1934 den Don Giovanni gibt, Tage vor der Aufführung
in der Salzburger Altstadt eine Lederhose kauft, ist
das der führenden österreichischen Illustrierten, dem
Interessanten Blatt, eine Titelgeschichte mit Bild wert
(Abb.
6). „Wer sich heute in der Festspielstadt aufhält“,
heißt es zum Bild, „gleichgültig ob als Gast oder als
ausübender Künstler, fühlt sich einem ungeschriebe-
nen Gesetz zufolge verpflichtet, nach einigen Tagen die
Salzburger Nationaltracht anzulegen. Ezio Pinza, der
Don Giovanni, kauft unter Beihilfe von Lotte Lehmann
eine Lederhose, Joppe und Hut besitzt er bereits.“10
Wenn man die fotografische Dokumentation Salz-
burgs der 1920er und 1930er Jahre jeweils während
der Festspielzeit überblickt, wird deutlich, wie sehr
die Stadt zur Bühne des Österreich-Patriotismus wird.
Der Salzburger Fotograf Karl Ellinger, der die Fest-
spiele von Beginn an dokumentiert, ist ein Augen- zeuge und zugleich Protagonist dieser Entwicklung.
Er passt sich den Stimmungen der Zeit besonders
aufmerksam an. Von Anfang an folgt er einer konser-
vativen Bildsprache und nimmt in den 1930er Jah-
ren die Ideologie des „Ständestaates“ ebenso willig
auf, wie er nach 1938 Anschluss an das NS-Regime
sucht. Als der „Führer“ im Sommer 1939 die Salzbur-
ger Festspiele besucht, porträtiert er ihn zusammen
mit anderen regionalen Parteiführern, unter anderem
dem Salzburger Gauleiter Friedrich Rainer, in seiner
Loge im Festspielhaus (Abb.
7).11
Fotografie im
Dienst der Heimat
In den späten 1920er und noch mehr in den
1930er Jahren wird das Medium Fotografie immer
wieder für staatliche patriotische Imagekampagnen
genutzt. Die seit 1919 existierende staatliche „Bundes-
lichtbildstelle“ (auch Österreichische Lichtbildstelle)
und der 1921 gegründete „Österreichische Lichtbild-
Abb.
5 „Sommer im
Salzbur-
gischen“. Die Tracht ist das
modische
Signet Salzburgs
während
der Festspielzeit. Die
Bühne, Erstes Augustheft
1931,
S.
5. Foto: Franz
Löwy.
Abb.
6 Der italienische
Sänger Ezio Pinza kauft sich in
Salzburg
eine Lederhose. Das
interessante Blatt, 29.
August
1935, Titelseite. Foto: Leo
Ernst, Albert Hilscher.
Rasende Reporter: Eine Kulturgeschichte des Fotojournalismus.
Fotografie, Presse und Gesellschaft in Österreich 1890 bis 1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Rasende Reporter: Eine Kulturgeschichte des Fotojournalismus.
- Untertitel
- Fotografie, Presse und Gesellschaft in Österreich 1890 bis 1945
- Autor
- Anton Holzer
- Verlag
- Primus Verlag
- Datum
- 2014
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-86312-073-3
- Abmessungen
- 23.0 x 29.0 cm
- Seiten
- 498
- Schlagwörter
- Fotojournalismus, Pressefotografie, Fotografie, Fotografiegeschichte, Mediengeschichte, Kulturgeschichte, Populärkultur, Österreich
- Kategorie
- Medien
Inhaltsverzeichnis
- Auf den Spuren der rasenden Reporter Vorwort 7
- Neue illustrierte Welt Einleitung 10
- Bilder, Nachrichten, Sensationen Die Zeitungsstadt Wien um 1900 22
- Die Jagd nach Sensationen Pioniere der Pressefotografie 36
- Fotos statt Zeichnungen Das Entstehen einer fotografischen Öffentlichkeit 51
- Bild und Text Die Rhetorik der Zeitungsseiten 59
- Redaktion, Druck, Vertrieb Wie eine illustrierte Zeitschrift entsteht 70
- Im Rampenlicht Der Kaiser im Blick der Fotografen 77
- Als die Männer fliegen lernten Die ersten Wiener Flugschauen 91
- Mit der Kamera bewaffnet Fotografie und Propaganda im Ersten Weltkrieg 105
- Theater der Macht Parlament und Politik in Bildern 117
- Kampf um die Straße Demonstrationen, Kundgebungen und Massenpolitik 134
- Im Schatten der Konzerne Politische Illustrierte in der Zwischenkriegszeit 145
- Bilder für alle Die Welt der Magazine und Revuen 170
- Bilder als Propaganda Die illustrierte Regierungspresse nach 1934 194
- Erzählende Bilder Die moderne Fotoreportage in der Zwischenkriegszeit 203
- Handel mit Bildern Die Rolle der Fotoagenturen 234
- Politische Bilder Die Kultur der Arbeiterfotografie 248
- Amerika, ein Traum Wolkenkratzer und Tiller Girls 263
- Bubikopf und Zigarette Bilder der „Neuen Frau“ 277
- Experiment und Bewegung Tanzschritte in eine neue Zeit 286
- Wenn die Hüllen fallen Erotik, Sexualität und Nacktfotografie in der Zwischenkriegszeit 296
- Schöne neue Warenwelt Reklame und Mode in der Fotografie 304
- Dramatische Nähe Sport und Fotografie 317
- Frauen hinter der Kamera Die neuen Fotografinnen 331
- Die kurze Zeit der Avantgarde Fotografische Aufbrüche um 1930 344
- Landschaft, Berge, Brauchtum Heimatfotografie in den 1930er Jahren 363
- Fotografisches Feuilleton „Der Sonntag”: ein vergessenes Forum moderner Reportagefotografie 378
- Demagogie in Bildern Hitler in Österreich 1938 411
- Den Krieg vor Augen Nationalsozialistische Medienpolitik und Ästhetik 419
- Eine andere Kulturgeschichte Schluss 437
- Anhang