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Rasende Reporter: Eine Kulturgeschichte des Fotojournalismus. - Fotografie, Presse und Gesellschaft in Österreich 1890 bis 1945
Seite - 383 -
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383Menschen: Gesichter, Körper und die Welt der kleinen Leute Mann. ‚Ich möchte mit dem Redakteur der Sonntags- beilage sprechen. Herr Skall hat ihm meine Zeich- nungen gezeigt. Ich möchte die Mappe gern wieder zurückhaben. Mein Name ist Spira.‘ ‚Sehr erfreut. Mein Name ist Hans Oplatka. Der Redakteur bin ich, und ich habe ihre Zeichnungen gesehen. Ich wollte Sie fragen, ob Sie bei uns mitarbeiten wollen.‘“14 Oplatka und Spira verstehen einander auf Anhieb. Die erste Begegnung mündet in ein endlos langes Ge- spräch über „Journalismus, gute Photos, Zeichnerei etc.“15 Bereits in der nächsten Nummer erscheinen Spiras Illustrationen. Er arbeitet nun regelmäßig als freier Mitarbeiter für den Sonntag, zeichnet Skizzen, Vignetten und liefert bald auch gezeichnete Reporta- gen, etwa aus Paris, wo er sich im Sommer 1935 auf- hält. 1936 erhält er von Emil Oplatka, dem Direktor des Wiener Tag, das Angebot, in fester Anstellung für den Sonntag zu arbeiten, nämlich als Bildredakteur.16 Seine in der Vernay-Presse, vor allem im Sonntag, aber auch in der Bühne und in der Stunde veröffent- lichten Zeichnungen und Texte sollen getrennt ho- noriert werden. „Meine Aufgabe war es“, erinnert sich Spira, „aus Dutzenden Photos die besten herauszusuchen. Aus den besten jene, die einander am besten ergänzen. Entscheiden, ob aus dem Material eine, zwei oder drei Seiten werden sollen. Erster Entwurf für die Aufma- chung der Seiten. Sind zu viele Bilder da, entschei- den, welche nicht unbedingt nötig sind. Sind zu we- nig Photos da, die guten stärker vergrößern oder das Thema auf kleinerem Umfang behandeln und eine oder zwei Spalten mit einem kurzen Artikel füllen. Bei jeder Reportage ergeben sich neue Probleme. Das macht den Beruf des Redakteurs so interessant und lebendig. Bald war ich imstande, meine Seiten allein aufzubauen, und wenn Hans krank war, eine Reise unternahm oder in Ferien ging, konnte ich ihn ver- treten.“17 Spira beschränkt sich in der Sonntag-Redaktion nicht auf die Arbeit als Bildredakteur. Er zeichnet weiterhin viel (die Zeichnungen sind meist mit Willy Spira gezeichnet), er schlägt Themen vor und knüpft sogar Kontakte zu neuen Mitarbeitern. Auf Spiras Ini- tiative wird etwa Jura Soyfer, den er als Mitarbeiter der Arbeiter-Zeitung kennt, eingeladen, beim Sonntag mitzuarbeiten.18 Soyfer schreibt Artikel und Gedich- te, gelegentlich arbeitet er auch intensiver mit Spira zusammen. Zu der Reportage „Naschmarkt zwei Uhr früh“ steuert Soyfer den Text und Spria die Zeich- nung bei.19 Menschen:  Gesichter,  Körper  und  die  Welt  der  kleinen  Leute Am 1. Juli 1935 erscheint im Sonntag eine beein- druckende Reportage über das Leben der Bergarbei- ter in einem niederösterreichischen Bergwerk. Die Bildgeschichte, aufgenommen nicht weit von Wien, stammt von Hans Oplatka. Er ist nicht nur für das Layout verantwortlich, sondern in diesem Fall auch für die Bilder. Die Reportage beginnt auf der Titelseite mit einem ungewöhnlichen Porträt (Abb.    2). Wir se- hen einen aus extremer Untersicht aufgenommenen Kohlenarbeiter vor einem Förderturm. Das Gesicht ist leicht verschattet und dem Fotografen halb ab- gewandt. Der Oberkörper des Mannes zeichnet sich deutlich gegen den Himmel ab. Seine kräftige Statur wird vom seitlich einfallenden Sonnenlicht model- liert. Es ist unverkennbar: Er ist der Protagonist im Bild, auch wenn die Seite den Titel „Der Förderturm“ trägt. Das Industrieareal im Hintergrund, das vom hoch aufragenden Fördergerüst beherrscht wird, verschwimmt im Ungefähren. Die Reportage findet ihre Fortsetzung auf einer Doppelseite im Innenteil (Abb.    3). Wiederum rückt Oplatka die Menschen, nicht die Maschinen oder die Architektur in den Mittelpunkt. Links erscheint einer der Bergleute in einer Großaufnahme, rechts sehen wir mehrere Arbeiter, die sich an einem Stapel Gru- benholz zu schaffen machen. Auch hier hält Oplatka seine Kamera (wohl eine Rolleiflex) auffallend tief, sodass sich die Oberkörper der Männer deutlich vor dem Himmel abzeichnen. Die Außenaufnahmen, die technische Geräte und das industrielle Areal zeigen, werden, stark verkleinert, an den Bildrand verbannt. Und auch der Text der Reportage, der mit großer Wahrscheinlichkeit ebenfalls von Oplatka stammt, dreht sich um den arbeitenden Menschen, nicht um die Maschinen. „‚Über Tag‘! Schon die Sprache sorgt dafür, daß wir, die wir im Lichte leben und arbeiten,
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Rasende Reporter: Eine Kulturgeschichte des Fotojournalismus. Fotografie, Presse und Gesellschaft in Österreich 1890 bis 1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Titel
Rasende Reporter: Eine Kulturgeschichte des Fotojournalismus.
Untertitel
Fotografie, Presse und Gesellschaft in Österreich 1890 bis 1945
Autor
Anton Holzer
Verlag
Primus Verlag
Datum
2014
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC-ND 3.0
ISBN
978-3-86312-073-3
Abmessungen
23.0 x 29.0 cm
Seiten
498
Schlagwörter
Fotojournalismus, Pressefotografie, Fotografie, Fotografiegeschichte, Mediengeschichte, Kulturgeschichte, Populärkultur, Österreich
Kategorie
Medien

Inhaltsverzeichnis

  1. Auf den Spuren der rasenden Reporter Vorwort 7
  2. Neue illustrierte Welt Einleitung 10
  3. Bilder, Nachrichten, Sensationen Die Zeitungsstadt Wien um 1900 22
  4. Die Jagd nach Sensationen Pioniere der Pressefotografie 36
  5. Fotos statt Zeichnungen Das Entstehen einer fotografischen Öffentlichkeit 51
  6. Bild und Text Die Rhetorik der Zeitungsseiten 59
  7. Redaktion, Druck, Vertrieb Wie eine illustrierte Zeitschrift entsteht 70
  8. Im Rampenlicht Der Kaiser im Blick der Fotografen 77
  9. Als die Männer fliegen lernten Die ersten Wiener Flugschauen 91
  10. Mit der Kamera bewaffnet Fotografie und Propaganda im Ersten Weltkrieg 105
  11. Theater der Macht Parlament und Politik in Bildern 117
  12. Kampf um die Straße Demonstrationen, Kundgebungen und Massenpolitik 134
  13. Im Schatten der Konzerne Politische Illustrierte in der Zwischenkriegszeit 145
  14. Bilder für alle Die Welt der Magazine und Revuen 170
  15. Bilder als Propaganda Die illustrierte Regierungspresse nach 1934 194
  16. Erzählende Bilder Die moderne Fotoreportage in der Zwischenkriegszeit 203
  17. Handel mit Bildern Die Rolle der Fotoagenturen 234
  18. Politische Bilder Die Kultur der Arbeiterfotografie 248
  19. Amerika, ein Traum Wolkenkratzer und Tiller Girls 263
  20. Bubikopf und Zigarette Bilder der „Neuen Frau“ 277
  21. Experiment und Bewegung Tanzschritte in eine neue Zeit 286
  22. Wenn die Hüllen fallen Erotik, Sexualität und Nacktfotografie in der Zwischenkriegszeit 296
  23. Schöne neue Warenwelt Reklame und Mode in der Fotografie 304
  24. Dramatische Nähe Sport und Fotografie 317
  25. Frauen hinter der Kamera Die neuen Fotografinnen 331
  26. Die kurze Zeit der Avantgarde Fotografische Aufbrüche um 1930 344
  27. Landschaft, Berge, Brauchtum Heimatfotografie in den 1930er Jahren 363
  28. Fotografisches Feuilleton „Der Sonntag”: ein vergessenes Forum moderner Reportagefotografie 378
  29. Demagogie in Bildern Hitler in Österreich 1938 411
  30. Den Krieg vor Augen Nationalsozialistische Medienpolitik und Ästhetik 419
  31. Eine andere Kulturgeschichte Schluss 437
  32. Anhang
    1. Anmerkungen 446
    2. Fotografinnen und Fotografen 1890 bis 1945 Biografische Notizen 466
    3. Literatur 483
    4. Zeitungen und Zeitschriften 490
    5. Index 491
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