Seite - 391 - in Rasende Reporter: Eine Kulturgeschichte des Fotojournalismus. - Fotografie, Presse und Gesellschaft in Österreich 1890 bis 1945

391Poetik des Alltags aldemokratischen Kuckuck, in dem er in den folgen- den Jahren regelmäßig publiziert. Spiegel ist viel auf Wiens Straßen unterwegs. Er beobachtet das Treiben des Alltags, Menschen, die zur Arbeit gehen, plau- dern, essen, sich erholen. Er registriert aber auch, wie Anfang der 1930er Jahre die Straße immer mehr zum Forum der Politik wird, zum Aufmarschgebiet für Kundgebungen und Demonstrationen. Bil Spira berichtet in seinen Erinnerungen, wie Rudolf Spiegel zum Sonntag kommt. „‚Ich bin nur ein Amateur‘, sagt Rudolf Spiegel, der eines Tages in der Redaktion erschien, ‚ich habe einige Photos auf- genommen, vielleicht können Sie sie für die Beilage gebrauchen.‘ Es waren gute, lebendige Momentauf- nahmen einer an sich banalen Straßenszene. Gerhart Hermann Mostar, ein Kleinkunsttexter, machte dazu ein Gedicht, und das ergab zusammen eine schöne, menschlich wirksame Seite. Die Frau Rudolf Spiegels arbeitete bei einem Fleischselcher. Er selbst war ar- beitslos und spazierte in seiner freien Zeit mit dem