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412 Demagogie in Bildern · Hitler in Österreich 1938
Triumphierend heißt es weiter: „Das ‚System‘ ist
nicht mehr. In einigen knappen Stunden wurde es
durch die disziplinierten mächtigen Kundgebungen
des deutschen Volkes in Österreich und die Tatkraft
der nationalsozialistischen Idee, die in fünfjähri-
gem harten Kampfe nicht gebrochen werden konn- Abb.
1 Am 14.
März 1938 zieht der deutsche Kanzler Adolf Hitler
(neben
ihm
sitzt
der
neu
ernannte
Reichsstatthalter
für
Österreich,
Arthur Seyß-Inquart) unter großem Jubel der einheimischen
Bevöl-
kerung in Wien ein.
Der offene Mercedes steuert über die Wiener
Ringstraße. Das interessante Blatt, 17.
März 1938, Titelseite.
te, hinweggefegt. Seit dem 12. März braust der Jubel
durch das Land. Adolf Hitler ist heimgekehrt in sei-
ne Heimat! Seine Fahrt bis Wien war eine einzigar-
tige, unbeschreibliche Triumphfahrt. Die deutsche
Schicksalsgemeinschaft ist Wirklichkeit geworden
und unter den Fahnen des nationalen Sozialismus,
die sieghaft in den blauen Frühlingshimmel flattern,
finden sich Bauer und Städter, Arbeiter der Gehirne
und der Faust und fühlen sich eins in den Worten: Ein
Volk – ein Reich – ein Führer!“4
Der „Anschluss“ in Bildern
Am 15. März 1938 versammeln sich Zehntausende
in Wien, um die Rede des „Führers“ auf dem Wiener
Heldenplatz zu verfolgen und ihm zuzujubeln. Auf
der Titelseite der Österreichischen Woche, die über
Nacht vom Hausblatt des „Ständestaates“ zur Pro-
pagandazeitung des neuen nationalsozialistischen
Regimes wird, ist Hitler auf dem Balkon der Neuen
Burg hinter seinem Redepult zu sehen (Abb.
2).5 Alle
Zeitungen berichten in großer Aufmachung über das
Großereignis, das in aller Eile geplant worden war.
Von Anfang an überlässt die neue Regierung
nichts dem Zufall, wenn es darum geht, euphorisch
und staatstragend über den Beginn der „neuen Zeit“
zu berichten. Innerhalb von wenigen Tagen stehen
alle relevanten Medien – von den Tageszeitungen
und Wochenzeitungen über das Radio bis hin zum
Film – unter nationalsozialistischer Kontrolle. Jüdi-
sche Verlagsmitarbeiter, Redakteure und Fotografen
werden entlassen, ebenso werden politisch „unzu-
verlässige“ und unliebsame Journalisten entfernt.
Man bemüht sich, nach außen hin die Kontinuität
zu betonen, aber hinter den Kulissen wird gnadenlos
„aufgeräumt“. Einige Zeitungen werden eingestellt,
andere unter neuer nationalsozialistischer Führung
weitergeführt. Zu diesem Zweck werden zahlreiche
Blätter mit neuen, politisch genehmen kommissa-
Rasende Reporter: Eine Kulturgeschichte des Fotojournalismus.
Fotografie, Presse und Gesellschaft in Österreich 1890 bis 1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Rasende Reporter: Eine Kulturgeschichte des Fotojournalismus.
- Untertitel
- Fotografie, Presse und Gesellschaft in Österreich 1890 bis 1945
- Autor
- Anton Holzer
- Verlag
- Primus Verlag
- Datum
- 2014
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-86312-073-3
- Abmessungen
- 23.0 x 29.0 cm
- Seiten
- 498
- Schlagwörter
- Fotojournalismus, Pressefotografie, Fotografie, Fotografiegeschichte, Mediengeschichte, Kulturgeschichte, Populärkultur, Österreich
- Kategorie
- Medien
Inhaltsverzeichnis
- Auf den Spuren der rasenden Reporter Vorwort 7
- Neue illustrierte Welt Einleitung 10
- Bilder, Nachrichten, Sensationen Die Zeitungsstadt Wien um 1900 22
- Die Jagd nach Sensationen Pioniere der Pressefotografie 36
- Fotos statt Zeichnungen Das Entstehen einer fotografischen Öffentlichkeit 51
- Bild und Text Die Rhetorik der Zeitungsseiten 59
- Redaktion, Druck, Vertrieb Wie eine illustrierte Zeitschrift entsteht 70
- Im Rampenlicht Der Kaiser im Blick der Fotografen 77
- Als die Männer fliegen lernten Die ersten Wiener Flugschauen 91
- Mit der Kamera bewaffnet Fotografie und Propaganda im Ersten Weltkrieg 105
- Theater der Macht Parlament und Politik in Bildern 117
- Kampf um die Straße Demonstrationen, Kundgebungen und Massenpolitik 134
- Im Schatten der Konzerne Politische Illustrierte in der Zwischenkriegszeit 145
- Bilder für alle Die Welt der Magazine und Revuen 170
- Bilder als Propaganda Die illustrierte Regierungspresse nach 1934 194
- Erzählende Bilder Die moderne Fotoreportage in der Zwischenkriegszeit 203
- Handel mit Bildern Die Rolle der Fotoagenturen 234
- Politische Bilder Die Kultur der Arbeiterfotografie 248
- Amerika, ein Traum Wolkenkratzer und Tiller Girls 263
- Bubikopf und Zigarette Bilder der „Neuen Frau“ 277
- Experiment und Bewegung Tanzschritte in eine neue Zeit 286
- Wenn die Hüllen fallen Erotik, Sexualität und Nacktfotografie in der Zwischenkriegszeit 296
- Schöne neue Warenwelt Reklame und Mode in der Fotografie 304
- Dramatische Nähe Sport und Fotografie 317
- Frauen hinter der Kamera Die neuen Fotografinnen 331
- Die kurze Zeit der Avantgarde Fotografische Aufbrüche um 1930 344
- Landschaft, Berge, Brauchtum Heimatfotografie in den 1930er Jahren 363
- Fotografisches Feuilleton „Der Sonntag”: ein vergessenes Forum moderner Reportagefotografie 378
- Demagogie in Bildern Hitler in Österreich 1938 411
- Den Krieg vor Augen Nationalsozialistische Medienpolitik und Ästhetik 419
- Eine andere Kulturgeschichte Schluss 437
- Anhang