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418 Demagogie in Bildern · Hitler in Österreich 1938
res Propagandamaterial. Hoffmann selbst unterhält
beste persönliche Beziehungen zum Führer und zur
nationalsozialistischen Führungsriege und versteht
es meisterlich, seinen privilegierten Zugang zu den
NS-Machthabern in massenhaft vervielfältigte Bild-
propaganda umzumünzen.
Kaum ist 1938 der „Anschluss“ Österreichs vollzo-
gen, expandiert der Unternehmer, der von München
aus ein fotopublizistisches Imperium mit zahlreichen
Zweigstellen dirigiert, in die „Ostmark“. Er bringt
eine zuvor „arisierte“ Wiener Kunstbuchhandlung in
seinen Besitz und eröffnet in prominenter Lage an
der Wiener Ringstraße (Opernring 19) seinen „Verlag
nationalsozialistischer Bilder Heinrich Hoffmann“.14
Im Schaufenster und in den Verkaufsräumen sind
fast ausschließlich Hitlerporträts zu sehen, für deren
Verkauf der Inhaber eifrig die Werbetrommel rührt.
In einer Anzeige vom Oktober 1938 heißt es: „Die
besten Führerbildnisse sowie Porträtaufnahmen von
maßgebenden Männern aus Partei und Staat stehen
in unserer Ausstellung unverbindlich zur Besichti-
gung frei.“15
Für Hoffmann, dessen Tochter seit 1932 mit
dem mächtigen Wiener Reichsstatthalter Baldur
von Schirach verheiratet ist, ist Wien weit mehr als
nur der Standort einer seiner vielen Zweigstellen.
Er hält sich regelmäßig in der Stadt auf, frönt hier
seiner Kunstsammelleidenschaft und erwirbt im
Herbst 1938 sogar eine österreichische Kunstzeit- schrift, die er selbst herausgibt. Bereits in der ersten
Ausgabe der Österreichischen Kunst, die unter der
neuen Leitung erscheint und die bald in Kunst dem
Volk umbenannt wird, bewirbt Hoffmann in einer
ganzseitigen Anzeige seinen eigenen Wiener Verlag.
„Hoffmann-Photos und Kunstblätter, die durch ihre
künstlerische Hochwertigkeit und Darstellung bereits
zu einem Begriff wurden, sind erhältlich in allen gu-
ten Kunsthandlungen und im Verlag nationalsozialis-
tischer Bilder Heinrich Hoffmann, Wien I, Opernring
19.“16 Der Blickfang der Anzeige ist ein Hitler-Porträt
(Abb.
7), das Hoffmann selbst in einem denkwürdi-
gen Augenblick aufgenommen hat, nämlich „in der
mitternächtlichen Stunde des 13. März 1938 auf dem
Rathausbalkon zu Linz“.17 Jeder weiß, dass an die-
sem Tag Adolf Hitler seine erste Rede auf österrei-
chischem Staatsgebiet gehalten hatte und am selben
Tag der „Anschluss“ gesetzlich besiegelt worden war.
Heinrich Hoffmann, der sich rühmt, in wichtigen his-
torischen Momenten an Hitlers Seite gestanden zu
haben, nennt diese Aufnahme: „Der Befreier“.
Abb.
7 „Der Befreier“.
Adolf
Hitler, aufgenommen am
13.
März
1938 um
Mitternacht
in Linz während seiner ersten
Rede nach dem Einmarsch in
Österreich. Österreichische
Kunst, 10.
Oktober 1938, S.
30.
Foto: Heinrich Hoffmann.
Abb.
6 „Dr. Goebbels spricht“.
Der nationalsozialistische
Propagandaminister Joseph
Goebbels bei der Eröffnungs-
rede der „Reichstheaterfest-
woche“ in Wien. Ostmark-
Woche, 23.
Juni 1938, Titelseite.
Foto: Hoffmann.
Rasende Reporter: Eine Kulturgeschichte des Fotojournalismus.
Fotografie, Presse und Gesellschaft in Österreich 1890 bis 1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Rasende Reporter: Eine Kulturgeschichte des Fotojournalismus.
- Untertitel
- Fotografie, Presse und Gesellschaft in Österreich 1890 bis 1945
- Autor
- Anton Holzer
- Verlag
- Primus Verlag
- Datum
- 2014
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-86312-073-3
- Abmessungen
- 23.0 x 29.0 cm
- Seiten
- 498
- Schlagwörter
- Fotojournalismus, Pressefotografie, Fotografie, Fotografiegeschichte, Mediengeschichte, Kulturgeschichte, Populärkultur, Österreich
- Kategorie
- Medien
Inhaltsverzeichnis
- Auf den Spuren der rasenden Reporter Vorwort 7
- Neue illustrierte Welt Einleitung 10
- Bilder, Nachrichten, Sensationen Die Zeitungsstadt Wien um 1900 22
- Die Jagd nach Sensationen Pioniere der Pressefotografie 36
- Fotos statt Zeichnungen Das Entstehen einer fotografischen Öffentlichkeit 51
- Bild und Text Die Rhetorik der Zeitungsseiten 59
- Redaktion, Druck, Vertrieb Wie eine illustrierte Zeitschrift entsteht 70
- Im Rampenlicht Der Kaiser im Blick der Fotografen 77
- Als die Männer fliegen lernten Die ersten Wiener Flugschauen 91
- Mit der Kamera bewaffnet Fotografie und Propaganda im Ersten Weltkrieg 105
- Theater der Macht Parlament und Politik in Bildern 117
- Kampf um die Straße Demonstrationen, Kundgebungen und Massenpolitik 134
- Im Schatten der Konzerne Politische Illustrierte in der Zwischenkriegszeit 145
- Bilder für alle Die Welt der Magazine und Revuen 170
- Bilder als Propaganda Die illustrierte Regierungspresse nach 1934 194
- Erzählende Bilder Die moderne Fotoreportage in der Zwischenkriegszeit 203
- Handel mit Bildern Die Rolle der Fotoagenturen 234
- Politische Bilder Die Kultur der Arbeiterfotografie 248
- Amerika, ein Traum Wolkenkratzer und Tiller Girls 263
- Bubikopf und Zigarette Bilder der „Neuen Frau“ 277
- Experiment und Bewegung Tanzschritte in eine neue Zeit 286
- Wenn die Hüllen fallen Erotik, Sexualität und Nacktfotografie in der Zwischenkriegszeit 296
- Schöne neue Warenwelt Reklame und Mode in der Fotografie 304
- Dramatische Nähe Sport und Fotografie 317
- Frauen hinter der Kamera Die neuen Fotografinnen 331
- Die kurze Zeit der Avantgarde Fotografische Aufbrüche um 1930 344
- Landschaft, Berge, Brauchtum Heimatfotografie in den 1930er Jahren 363
- Fotografisches Feuilleton „Der Sonntag”: ein vergessenes Forum moderner Reportagefotografie 378
- Demagogie in Bildern Hitler in Österreich 1938 411
- Den Krieg vor Augen Nationalsozialistische Medienpolitik und Ästhetik 419
- Eine andere Kulturgeschichte Schluss 437
- Anhang