Seite - 425 - in Rasende Reporter: Eine Kulturgeschichte des Fotojournalismus. - Fotografie, Presse und Gesellschaft in Österreich 1890 bis 1945
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425Ästhetische
Experimente: Das Beispiel Wiener Magazin
die Schriftleitung des Wiener Magazins, das mittler-
weile im – inzwischen ebenfalls nationalsozialisti-
schen – Bergland-Verlag erscheint.13 1941 wird er,
zusammen mit anderen Teilhabern, Miteigentümer
des „arisierten“ Verlagshauses Vernay.14 Gleichzeitig
baut er einen Verlag auf, der sich auf kunsthistori-
sche Literatur spezialisiert.15 Die Bücher, die mitten
im Krieg erscheinen, tragen Titel wie Freskobildnisse
der Frührenaissance oder Michelangelo: Weltgericht.
Misar ist aber nicht nur erfolgreicher Medienun-
ternehmer, sondern auch Fotograf. Er ist kein ge-
wöhnlicher Hobbylichtbildner, sondern ein überaus
vielseitiger Mann. Er gestaltet Fotoreportagen und
schreibt dazu gelegentlich auch die Texte. Daneben
ist er auch als künstlerischer Fotograf tätig, durch-
aus mit gehobenen ästhetischen Ansprüchen. Diese
Seite Misars ist bemerkenswert, da sie eine Facette
der nationalsozialistischen Medien- und Pressepolitik
zeigt, die oft nur en passant behandelt wird. Immer
noch wird die Zeit der nationalsozialistischen Herr-
schaft gerne mit einer ausschließlich archaischen,
rückwärtsgewandten Ästhetik in Zusammenhang
gebracht. Tatsache aber ist, dass der Nationalsozia-
lismus im Bereich der Presse und insbesondere in der illustrierten Presse einen enormen Modernisie-
rungsschub mit sich bringt. Misar ist einer der Prota-
gonisten dieser Entwicklung in Österreich. Er ist aber
auch ein Beispiel dafür, dass sich moderne Fotografie
und Nationalsozialismus keineswegs ausschließen.
Die Fotografie im Nationalsozialismus erschöpft sich
nicht im Ablichten von Bauerngesichtern, strammen
Volksgenossen, kräftigen Arbeitern und deutschen
Müttern. Daneben gibt es auch, wiewohl diese Posi-
tion deutlich in der Minderheit bleibt, einen bislang
wenig beachteten Strang moderner Fotografie.16
Hans Misar ist nicht der einzige Fotograf, der nach
1938 eine Synthese zwischen Nationalsozialismus
und Moderne anstrebt. Auch Rudolf Penitsch, der
ebenfalls im Wiener Magazin veröffentlicht, Günther
von Baszel und teilweise Franz Milik (beide in der
Bühne) verfolgen nach 1938 weiterhin eine moderne
kunstfotografische Richtung. Sie versuchen sich an
experimentellen Stillleben, Oberflächenstudien und
Kompositionen.
Zunächst aber tritt Misar als Fotoreporter hervor.
Bereits wenige Tage nach dem „Anschluss“ gestaltet
er in den bereits auf NS-Linie gebrachten Wiener Bil-
dern eine Doppelseite über „Deutschlands Luftwaf- Abb.
5 Porträts von Wiener
Arbeitern. Die Bühne, Zweites
Dezemberheft 1938, Wien,
o.S.
Fotos: Maria Wölfl.
Rasende Reporter: Eine Kulturgeschichte des Fotojournalismus.
Fotografie, Presse und Gesellschaft in Österreich 1890 bis 1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Rasende Reporter: Eine Kulturgeschichte des Fotojournalismus.
- Untertitel
- Fotografie, Presse und Gesellschaft in Österreich 1890 bis 1945
- Autor
- Anton Holzer
- Verlag
- Primus Verlag
- Datum
- 2014
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-86312-073-3
- Abmessungen
- 23.0 x 29.0 cm
- Seiten
- 498
- Schlagwörter
- Fotojournalismus, Pressefotografie, Fotografie, Fotografiegeschichte, Mediengeschichte, Kulturgeschichte, Populärkultur, Österreich
- Kategorie
- Medien
Inhaltsverzeichnis
- Auf den Spuren der rasenden Reporter Vorwort 7
- Neue illustrierte Welt Einleitung 10
- Bilder, Nachrichten, Sensationen Die Zeitungsstadt Wien um 1900 22
- Die Jagd nach Sensationen Pioniere der Pressefotografie 36
- Fotos statt Zeichnungen Das Entstehen einer fotografischen Öffentlichkeit 51
- Bild und Text Die Rhetorik der Zeitungsseiten 59
- Redaktion, Druck, Vertrieb Wie eine illustrierte Zeitschrift entsteht 70
- Im Rampenlicht Der Kaiser im Blick der Fotografen 77
- Als die Männer fliegen lernten Die ersten Wiener Flugschauen 91
- Mit der Kamera bewaffnet Fotografie und Propaganda im Ersten Weltkrieg 105
- Theater der Macht Parlament und Politik in Bildern 117
- Kampf um die Straße Demonstrationen, Kundgebungen und Massenpolitik 134
- Im Schatten der Konzerne Politische Illustrierte in der Zwischenkriegszeit 145
- Bilder für alle Die Welt der Magazine und Revuen 170
- Bilder als Propaganda Die illustrierte Regierungspresse nach 1934 194
- Erzählende Bilder Die moderne Fotoreportage in der Zwischenkriegszeit 203
- Handel mit Bildern Die Rolle der Fotoagenturen 234
- Politische Bilder Die Kultur der Arbeiterfotografie 248
- Amerika, ein Traum Wolkenkratzer und Tiller Girls 263
- Bubikopf und Zigarette Bilder der „Neuen Frau“ 277
- Experiment und Bewegung Tanzschritte in eine neue Zeit 286
- Wenn die Hüllen fallen Erotik, Sexualität und Nacktfotografie in der Zwischenkriegszeit 296
- Schöne neue Warenwelt Reklame und Mode in der Fotografie 304
- Dramatische Nähe Sport und Fotografie 317
- Frauen hinter der Kamera Die neuen Fotografinnen 331
- Die kurze Zeit der Avantgarde Fotografische Aufbrüche um 1930 344
- Landschaft, Berge, Brauchtum Heimatfotografie in den 1930er Jahren 363
- Fotografisches Feuilleton „Der Sonntag”: ein vergessenes Forum moderner Reportagefotografie 378
- Demagogie in Bildern Hitler in Österreich 1938 411
- Den Krieg vor Augen Nationalsozialistische Medienpolitik und Ästhetik 419
- Eine andere Kulturgeschichte Schluss 437
- Anhang