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433Fotografen
im Krieg
sche Judentypen beider Geschlechter verschiedener
Lebensalter/Berufe der Juden/Jüdische Gebräuche/
Jüdischer Dreck.“35 Tatsächlich werden einschlägige
Fotos aus den jüdischen Gettos in Polen von Foto-
grafen der Propagandakompanien geliefert. Am 22.
November 1939 bringt die Wiener Illustrierte eine het-
zerische Bildseite über Juden in Galizien. Sie trägt
den Titel: „Die erste Arbeit ihres Lebens“ (Abb.
14).
Text und Bilder – Letztere stammen von der staats-
nahen deutschen Fotoagentur „Weltbild“, die den
Propagandakrieg des Regimes unterstützt – stehen
eindeutig in Zusammenhang mit dem deutschen
Krieg gegen Polen, der am 6. Oktober 1939 zu Ende
geht und in dessen Verlauf es zu gewaltsamen Über-
griffen und zahlreichen Massakern an polnischen
Juden kommt ist. Um diese Gewalttaten zu rechtferti-
gen, werden die jüdischen Bewohner des Landes als
„Untermenschen“ dargestellt. Indirekt gerechtfertigt
werden durch solche Propagandaseiten auch alle jene
„Maßnahmen“, die in Wien gegen die Juden getroffen
wurden und werden. „Nördlich der Beskiden und Kar-
pathen“, heißt es im Text, „in dem Gebiet zwischen
Krakau und Tarnopol, genannt Galizien, war das
große Reservoir, aus dem das Weltjudentum stän-
dig, wenn notwendig, Nachschub zur Ergänzung und
Auffrischung seiner Köterrasse erhielt. Von hier ka-
men sie noch im Kaftan, mit Korkenzieherlocken und
schwarzem Plüschhut nach Wien, wo sie Locken und
Kaftan ablegten, europäische Kleidung anzogen und
europäische Manieren zu erlernen suchten. Einmal
so weit, zerstreuten sie sich über alle Kontinente, um
ihr Schmarotzerdasein zu höchster Blüte zu entfalten.
Arbeiten hatten sie nie gelernt.“36
Unter der Titelzeile werden, freigestellt auf wei-
ßem Grund, „Judentypen“ aus Radom vorgeführt. Es
sind ärmlich gekleidete Männer, die als Prototypen
jüdischer Charaktere mit allen erdenklichen negati-
ven Eigenschaften bedacht werden. „Habgier, gepaart
mit tierisch niedrigem Instinkt und grenzenlosem
Haß gegen alles, was deutsch ist, spricht aus diesen
Galgenvisagen.“ Die Männer werden nicht nur dem
Spott preisgegeben, sondern es wird ihnen ein „gren-
zenloser Haß“ gegen alles Deutsche unterstellt. Im
Begriff „Galgenvisage“ klingt das Schicksal dieser
Bevölkerungsgruppe bereits an. In weiteren Bildern werden Juden gezeigt, die nach der deutschen Beset-
zung des Landes zur Zwangsarbeit genötigt werden.
In den Bildtexten werden die Zwangsarbeiter durch
hetzerische Beschreibungen diskreditiert und der Lä-
cherlichkeit preisgegeben.
Fotografen im Krieg
Die Militarisierung der Berichterstattung ist keine
Erfindung der Nationalsozialisten. Sie setzt bereits in
den 1930er Jahren zur Zeit des „Ständestaates“ ein. Abb.
13 Sigmund Freud und
seine beiden Hunde, aufge-
nommen im
Frühsommer 1933
auf dem
Balkon der
Sommer-
wohnung auf der Hohen Warte
in Wien. Die Bühne, Zweites
Maiheft 1935, S.
28. Foto: Hans
Casparius.
Rasende Reporter: Eine Kulturgeschichte des Fotojournalismus.
Fotografie, Presse und Gesellschaft in Österreich 1890 bis 1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Rasende Reporter: Eine Kulturgeschichte des Fotojournalismus.
- Untertitel
- Fotografie, Presse und Gesellschaft in Österreich 1890 bis 1945
- Autor
- Anton Holzer
- Verlag
- Primus Verlag
- Datum
- 2014
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-86312-073-3
- Abmessungen
- 23.0 x 29.0 cm
- Seiten
- 498
- Schlagwörter
- Fotojournalismus, Pressefotografie, Fotografie, Fotografiegeschichte, Mediengeschichte, Kulturgeschichte, Populärkultur, Österreich
- Kategorie
- Medien
Inhaltsverzeichnis
- Auf den Spuren der rasenden Reporter Vorwort 7
- Neue illustrierte Welt Einleitung 10
- Bilder, Nachrichten, Sensationen Die Zeitungsstadt Wien um 1900 22
- Die Jagd nach Sensationen Pioniere der Pressefotografie 36
- Fotos statt Zeichnungen Das Entstehen einer fotografischen Öffentlichkeit 51
- Bild und Text Die Rhetorik der Zeitungsseiten 59
- Redaktion, Druck, Vertrieb Wie eine illustrierte Zeitschrift entsteht 70
- Im Rampenlicht Der Kaiser im Blick der Fotografen 77
- Als die Männer fliegen lernten Die ersten Wiener Flugschauen 91
- Mit der Kamera bewaffnet Fotografie und Propaganda im Ersten Weltkrieg 105
- Theater der Macht Parlament und Politik in Bildern 117
- Kampf um die Straße Demonstrationen, Kundgebungen und Massenpolitik 134
- Im Schatten der Konzerne Politische Illustrierte in der Zwischenkriegszeit 145
- Bilder für alle Die Welt der Magazine und Revuen 170
- Bilder als Propaganda Die illustrierte Regierungspresse nach 1934 194
- Erzählende Bilder Die moderne Fotoreportage in der Zwischenkriegszeit 203
- Handel mit Bildern Die Rolle der Fotoagenturen 234
- Politische Bilder Die Kultur der Arbeiterfotografie 248
- Amerika, ein Traum Wolkenkratzer und Tiller Girls 263
- Bubikopf und Zigarette Bilder der „Neuen Frau“ 277
- Experiment und Bewegung Tanzschritte in eine neue Zeit 286
- Wenn die Hüllen fallen Erotik, Sexualität und Nacktfotografie in der Zwischenkriegszeit 296
- Schöne neue Warenwelt Reklame und Mode in der Fotografie 304
- Dramatische Nähe Sport und Fotografie 317
- Frauen hinter der Kamera Die neuen Fotografinnen 331
- Die kurze Zeit der Avantgarde Fotografische Aufbrüche um 1930 344
- Landschaft, Berge, Brauchtum Heimatfotografie in den 1930er Jahren 363
- Fotografisches Feuilleton „Der Sonntag”: ein vergessenes Forum moderner Reportagefotografie 378
- Demagogie in Bildern Hitler in Österreich 1938 411
- Den Krieg vor Augen Nationalsozialistische Medienpolitik und Ästhetik 419
- Eine andere Kulturgeschichte Schluss 437
- Anhang