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435Fotografen
im Krieg
rung Österreichs organisierte Jugendbewegung (ist)
die vielleicht kräftigste, reinste, positivste und in ih-
rer Lebensart wertvollste vaterländische Bewegung
Österreichs. Das Österreichische Jungvolk ist der be-
deutsamste Kern des neuen Österreich. Ihm fehlt jede
Schwachheit und Beschränktheit. Das österreichische
Jungvolk kann sich an Straffheit, Vitalität und ideen-
hafter Begeisterung mit jeder anderen europäischen
Staatsjugend messen.“38 Das Titelblatt, das im März
1938, kurz vor dem Einmarsch der deutschen Trup-
pen in Österreich fertiggestellt wird, feiert noch den
„Ständestaat“. Das nächste Heft ist bereits zur Gänze
Adolf Hitler und dem „Anschluss“ gewidmet.
Kaum hat der Krieg im September 1939 begonnen,
setzt in der illustrierten Presse die pathetische Be-
richterstattung darüber ein. Aber auch die sogenann-
te „Heimatfront“ hat sich den Kriegsbedingungen
unterzuordnen. Eine ganze Reihe von Fotoreportagen
beschäftigt sich mit den vielfältigen Anstrengungen,
die weit hinter der Front unternommen werden,
um den Krieg erfolgreich zu führen. Aber auch der
scheinbar ganz „normale“ Alltag im Hinterland
kommt zur Sprache. Im Juni 1942 erscheint etwa in
der Wiener Illustrierten ein zweiseitiger Bildbericht
von Fritz Zvacek über Lehrwerkstätten für Jungar-
beiter in Wien.39 Zahlreiche weitere Fotoreportagen
über den städtischen Alltag in Wien, die während der
Kriegszeit publiziert werden, stammen beispielswei-
se vom Wiener Pressefotografen Eduard Zillich.40
Die zentral gesteuerten Bildberichte aus dem
Kriegsgebiet stammen zum überwiegenden Teil von
Fotografen, die in den sogenannten „Propagandakom-
panien“ (PK) tätig sind.41Diese seit 1938 aufgestellten
Einheiten haben, so das Oberkommando des Heeres
im August 1938, die Aufgabe, „das Zusammenwir-
ken des Propagandakrieges mit dem Waffenkrieg im
Operationsgebiet des Heeres zu gewährleisten und
durchzuführen“.42 Zu Beginn des Polenfeldzugs im
September 1939 sind sieben PK beim Heer (für jedes
Armee-Oberkommando eines), vier PK bei der Luft-
waffe und zwei PK bei der Marine im Einsatz. Zu-
sammen kommen sie auf 143 Bildberichterstatter.43
Jede PK besteht aus Abteilungen für Wort, Bild, Film
und Rundfunk. Technisch ist sie bestens ausgerüstet.
Sie umfasst etwa hochwertig ausgestattete Bild- und Filmlabors samt Personal, die bei den Einsätzen stän-
dig mitgeführt werden. Anfang 1940 richtet auch die
Waffen-SS eigene Propagandakompanien mit min-
destens 66 Bildberichterstattern ein. Im Laufe des
Krieges wird die Anzahl der Propagandakompanien
weiter erhöht. 1943, auf dem Höhepunkt ihrer Tätig-
keit, hat die Propagandatruppe eine Stärke von 15 000
Mann, davon sind (einschließlich der Auswertungs-
einheiten) rund 400 Fotografen.44 Ab 1943 sinkt die
Zahl der PK-Berichterstatter wieder. Abb.
15 Titelseite der
Zeitschrift Die Pause über das
„Österreichische Jungvolk“,
eine 1936 gegründete, parami-
litärische Bewegung für Jugend-
liche von
6 bis 18
Jahren. Die
Pause, Heft 4,
1938. Montage:
Rudolf Köhl.
Rasende Reporter: Eine Kulturgeschichte des Fotojournalismus.
Fotografie, Presse und Gesellschaft in Österreich 1890 bis 1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Rasende Reporter: Eine Kulturgeschichte des Fotojournalismus.
- Untertitel
- Fotografie, Presse und Gesellschaft in Österreich 1890 bis 1945
- Autor
- Anton Holzer
- Verlag
- Primus Verlag
- Datum
- 2014
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-86312-073-3
- Abmessungen
- 23.0 x 29.0 cm
- Seiten
- 498
- Schlagwörter
- Fotojournalismus, Pressefotografie, Fotografie, Fotografiegeschichte, Mediengeschichte, Kulturgeschichte, Populärkultur, Österreich
- Kategorie
- Medien
Inhaltsverzeichnis
- Auf den Spuren der rasenden Reporter Vorwort 7
- Neue illustrierte Welt Einleitung 10
- Bilder, Nachrichten, Sensationen Die Zeitungsstadt Wien um 1900 22
- Die Jagd nach Sensationen Pioniere der Pressefotografie 36
- Fotos statt Zeichnungen Das Entstehen einer fotografischen Öffentlichkeit 51
- Bild und Text Die Rhetorik der Zeitungsseiten 59
- Redaktion, Druck, Vertrieb Wie eine illustrierte Zeitschrift entsteht 70
- Im Rampenlicht Der Kaiser im Blick der Fotografen 77
- Als die Männer fliegen lernten Die ersten Wiener Flugschauen 91
- Mit der Kamera bewaffnet Fotografie und Propaganda im Ersten Weltkrieg 105
- Theater der Macht Parlament und Politik in Bildern 117
- Kampf um die Straße Demonstrationen, Kundgebungen und Massenpolitik 134
- Im Schatten der Konzerne Politische Illustrierte in der Zwischenkriegszeit 145
- Bilder für alle Die Welt der Magazine und Revuen 170
- Bilder als Propaganda Die illustrierte Regierungspresse nach 1934 194
- Erzählende Bilder Die moderne Fotoreportage in der Zwischenkriegszeit 203
- Handel mit Bildern Die Rolle der Fotoagenturen 234
- Politische Bilder Die Kultur der Arbeiterfotografie 248
- Amerika, ein Traum Wolkenkratzer und Tiller Girls 263
- Bubikopf und Zigarette Bilder der „Neuen Frau“ 277
- Experiment und Bewegung Tanzschritte in eine neue Zeit 286
- Wenn die Hüllen fallen Erotik, Sexualität und Nacktfotografie in der Zwischenkriegszeit 296
- Schöne neue Warenwelt Reklame und Mode in der Fotografie 304
- Dramatische Nähe Sport und Fotografie 317
- Frauen hinter der Kamera Die neuen Fotografinnen 331
- Die kurze Zeit der Avantgarde Fotografische Aufbrüche um 1930 344
- Landschaft, Berge, Brauchtum Heimatfotografie in den 1930er Jahren 363
- Fotografisches Feuilleton „Der Sonntag”: ein vergessenes Forum moderner Reportagefotografie 378
- Demagogie in Bildern Hitler in Österreich 1938 411
- Den Krieg vor Augen Nationalsozialistische Medienpolitik und Ästhetik 419
- Eine andere Kulturgeschichte Schluss 437
- Anhang