Seite - 445 - in Rasende Reporter: Eine Kulturgeschichte des Fotojournalismus. - Fotografie, Presse und Gesellschaft in Österreich 1890 bis 1945
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Fotografen: Beruf und Image
Weiterhin zeigt sich, dass die Anzahl der Pressefo-
tografen ab den 1910er Jahren erstmals deutlich an-
steigt. Mitte der 1920er Jahre erfolgt, im Fahrwasser
zahlreicher Zeitungs- und Zeitschriftenneugründun-
gen, ein weiterer Schub der Expansion. Während die
Fotografen der ersten Generation (die Pioniere, die um
und bald nach 1900 arbeiten) oft schon arrivierte Por-
trätfotografen mittleren Alters sind, lässt sich in den
1920er Jahren eine deutliche Verjüngung unter den
Fotojournalisten feststellen. Ende der 1920er Jahre ist
die Bildpresse für einige Jahre ein Eldorado, das einer
steigenden Anzahl junger Lichtbildner ein spannendes
Betätigungsfeld eröffnet. Um 1930 beginnt sich auch
der Status der Pressefotografen zu verändern. Haben
bisher Allrounder das Feld beherrscht, die alles ab-
lichteten, was gebraucht wurde, so treten nun immer
mehr Spezialisten auf, die sich auf einzelne Themen
konzentrieren, etwa die Sportberichterstattung, die
Mode, die Politik, Reportagen etc. Ebenfalls um 1930
treten auch neue Protagonisten unter den Pressefoto-
grafen auf: Amateure mit künstlerischen Ambitionen.
Sie finden in der Pressefotografie nicht nur ein zu-
sätzliches Einkommen. Die illustrierten Zeitungen,
v. a. aber die gehobenen Kulturzeitschriften, bilden
nun auch neue Foren zur Präsentation ihrer Arbeiten. Wenn wir die Biografien der österreichischen Pres-
sefotografen in der Zwischenkriegszeit überblicken,
wird deutlich, wie einschneidend der Bruch des Jah-
res 1938 ist. Die antisemitische Gewalt hat nicht nur
die Existenzen jüdischer Fotografen, Journalisten und
Zeitungsherausgeber zerstört, sondern das gesamte
Mediensystem in seinen Grundfesten erschüttert. Die
Presselandschaft wird unter nationalsozialistischer
Anleitung massiv umgebaut. Für viele nicht jüdische
Fotografen eröffnen sich dadurch neue Arbeits- und
Karrieremöglichkeiten. Etliche von ihnen arbeiten
nach 1945 bruchlos weiter, ganz so, als ob die Jahre
der Diktatur zwischen 1938 und 1945 nur eine klei-
ne Fußnote in der Geschichte gewesen wären. Kaum
einer der jüdischen Fotografen, die nach 1938 vertrie-
ben wurden, kehrt nach dem Krieg nach Österreich
zurück. Das Jahr 1938 lastet bis heute schwer auf der
Fotogeschichte der Nachkriegszeit.26 Und auch die ös-
terreichische Pressefotografie nach 1945 ist ohne die
genaue Kenntnis der Vorgeschichte von Nationalsozi-
alismus und Krieg nicht verständlich. Aber das ist be-
reits eine andere Geschichte. Sie ist ebenso spannend
und facettenreich wie die Epoche, mit der ich mich in
diesem Buch beschäftigt habe. Ihre genaue Analyse
ist noch zu leisten.
Rasende Reporter: Eine Kulturgeschichte des Fotojournalismus.
Fotografie, Presse und Gesellschaft in Österreich 1890 bis 1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Rasende Reporter: Eine Kulturgeschichte des Fotojournalismus.
- Untertitel
- Fotografie, Presse und Gesellschaft in Österreich 1890 bis 1945
- Autor
- Anton Holzer
- Verlag
- Primus Verlag
- Datum
- 2014
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-86312-073-3
- Abmessungen
- 23.0 x 29.0 cm
- Seiten
- 498
- Schlagwörter
- Fotojournalismus, Pressefotografie, Fotografie, Fotografiegeschichte, Mediengeschichte, Kulturgeschichte, Populärkultur, Österreich
- Kategorie
- Medien
Inhaltsverzeichnis
- Auf den Spuren der rasenden Reporter Vorwort 7
- Neue illustrierte Welt Einleitung 10
- Bilder, Nachrichten, Sensationen Die Zeitungsstadt Wien um 1900 22
- Die Jagd nach Sensationen Pioniere der Pressefotografie 36
- Fotos statt Zeichnungen Das Entstehen einer fotografischen Öffentlichkeit 51
- Bild und Text Die Rhetorik der Zeitungsseiten 59
- Redaktion, Druck, Vertrieb Wie eine illustrierte Zeitschrift entsteht 70
- Im Rampenlicht Der Kaiser im Blick der Fotografen 77
- Als die Männer fliegen lernten Die ersten Wiener Flugschauen 91
- Mit der Kamera bewaffnet Fotografie und Propaganda im Ersten Weltkrieg 105
- Theater der Macht Parlament und Politik in Bildern 117
- Kampf um die Straße Demonstrationen, Kundgebungen und Massenpolitik 134
- Im Schatten der Konzerne Politische Illustrierte in der Zwischenkriegszeit 145
- Bilder für alle Die Welt der Magazine und Revuen 170
- Bilder als Propaganda Die illustrierte Regierungspresse nach 1934 194
- Erzählende Bilder Die moderne Fotoreportage in der Zwischenkriegszeit 203
- Handel mit Bildern Die Rolle der Fotoagenturen 234
- Politische Bilder Die Kultur der Arbeiterfotografie 248
- Amerika, ein Traum Wolkenkratzer und Tiller Girls 263
- Bubikopf und Zigarette Bilder der „Neuen Frau“ 277
- Experiment und Bewegung Tanzschritte in eine neue Zeit 286
- Wenn die Hüllen fallen Erotik, Sexualität und Nacktfotografie in der Zwischenkriegszeit 296
- Schöne neue Warenwelt Reklame und Mode in der Fotografie 304
- Dramatische Nähe Sport und Fotografie 317
- Frauen hinter der Kamera Die neuen Fotografinnen 331
- Die kurze Zeit der Avantgarde Fotografische Aufbrüche um 1930 344
- Landschaft, Berge, Brauchtum Heimatfotografie in den 1930er Jahren 363
- Fotografisches Feuilleton „Der Sonntag”: ein vergessenes Forum moderner Reportagefotografie 378
- Demagogie in Bildern Hitler in Österreich 1938 411
- Den Krieg vor Augen Nationalsozialistische Medienpolitik und Ästhetik 419
- Eine andere Kulturgeschichte Schluss 437
- Anhang