Seite - 481 - in Rasende Reporter: Eine Kulturgeschichte des Fotojournalismus. - Fotografie, Presse und Gesellschaft in Österreich 1890 bis 1945
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481Fotografinnen
und Fotografen 1890 bis 1945
Weissenstein, Margarethe, geb. am 22. Oktober 1893
in Wien, besucht 1912/13 die Lehr- und Versuchs-
anstalt für Photographie, Chemigraphie, Lichtdruck
und Gravüre in München, 1913 bis 1915 die Graphi-
sche Lehr- und Versuchsanstalt in Wien, 1917/18
ist sie im Atelier von Lisy Frisch tätig, 1919 eröff-
net sie gemeinsam mit Josefine (Fini) Bárány in der
Lerchenfelder Straße 9, Wien 7, das Atelier „Ingret“,
das sich u. a. auf Künstler- und Prominentenport-
räts sowie Kinderfotos spezialisiert. Seit Mitte der
1920er Jahre erscheinen Fotos des Ateliers in der il-
lustrierten Presse. Weissenstein, die jüdischer Her-
kunft ist, flüchtet im Mai 1939 nach Australien und
gründet Anfang 1940 in Sydney das Atelier „Ingret
Photo Portraits“, das sie bis Ende der 1950er Jahre
betreibt. Sie stirbt am 14. Mai 1963 in Lindfield.
Wellspacher (Wellspacher-Emery), Edith, geb. am 9.
Oktober 1909 in Niederösterreich, Ärztin, Architektin,
Künstlerin, Journalistin und Amateurfotografin, lebt
seit Anfang der 1920er Jahre in Wien. Ausbildung an
der Kunstgewerbeschule in Wien, Studium der Medi-
zin (Promotion 1934). Als überzeugte Linke ist sie in
den 1930er Jahren als Ärztin im Spanischen Bürger-
krieg tätig, wo sie auch fotografiert. Sie veröffent-
licht Anfang 1938 eine Bildreportage aus Spanien
in einer Wiener Illustrierten. 1938 flüchtet sie über
Paris auf die australische Insel Hobart, heiratet den
englischen Kolonialbeamten John Emery und zieht
mit ihm 1940 in den Sudan. Danach Aufenthalte in
Paris, Khartum, Edinburgh und nach 1948 in Hobart
(Tasmanien), wo sie nach dem Zweiten Weltkrieg Ar-
chitektur studiert. Zahlreiche Reisen, künstlerische
Arbeiten. Sie stirbt am 11. August 2004.
Werian, Richard, geb. 1900 in Wien, Wiener Pressefo-
tograf, der seit Anfang der 1920er Jahre fotografiert.
Er ist in der Zwischenkriegszeit v. a. als Sportfoto-
graf tätig. Werian, der vermutlich jüdischer Herkunft
ist, gibt das Gewerbe Anfang 1939 auf. Danach ver-
liert sich seine Spur.
Weyr, Siegfried, geb. am 24. April 1890 in Welyki Mosty,
Galizien, lebt seit 1896 in Wien, 1909 bis 1911 Be-
such der Graphischen Lehr- und Versuchsanstalt,
1912 bis 1914 Studium an der Akademie der bilden-
den Künste. Arbeitet seit 1914 als Journalist, Offi-
zier im Ersten Weltkrieg. Nach dem Krieg ist er als
Journalist und Illustrator tätig. Bis 1927 arbeitet er
für Bettauers Wochenschrift, danach ist er für den
sozialdemokratischen Vorwärts-Verlag (u. a. für das
Kleine Blatt) tätig. 1929 konzipiert er zusammen mit
Julius Braunthal die sozialdemokratische Illustrierte
Der Kuckuck, die er bis 1934 leitet. Er ist ein För-
derer der modernen Fotografie, unterstützt die Ar-
beiterfotografiebewegung und gestaltet für den
Kuckuck zahlreiche politische und sozialkritische Fo-
tomontagen. Nach dem Verbot des Kuckuck im Fe-
bruar 1934 übernimmt er für einige Monate die Lei-
tung der ehemals sozialdemokratischen, inzwischen
regierungstreuen Illustrierten Bunte Woche. Danach
arbeitet er weiterhin im enteigneten und nun regie-
rungsnahen Verlagshaus „Vorwärts“. Nach dem „An-
schluss“ Österreichs an das nationalsozialistische
Deutschland wird er entlassen, Ende 1938 flüchtet
er über die Schweiz nach London. 1941 geht er in
die USA und kehrt 1947 nach Wien zurück, wo er als
Redakteur für den Kurier, das Neue Österreich und
die Kronen-Zeitung sowie als Buchautor tätig ist. Er
stirbt am 21. März 1962 in Wien.
Wiberal, Mario, geb. am 4. März 1898 in Trient, arbei-
tet seit 1923 als Pressefotograf. Sein Hauptthema
ist der Sport, er fotografiert aber auch gesellschaft-
liche und politische Ereignisse und macht um 1930
Sozial- und Alltagsstudien. Seit 1927 fotografiert
er für die linksgerichtete Wiener Tageszeitung Der
Abend, in den 1930er Jahren für Telegraf und Echo.
Seit 1930 ist er daneben auch als Filmkameramann
tätig. 1938 passt er sich den neuen politischen
Gegebenheiten an, bewirbt sich (erfolglos) um die Aufnahme in die NSDAP, arbeitet weiterhin inten-
siv als Sportberichterstatter, daneben als Kamera-
mann für Filme der Ostmark-Wochenschau. Nach
1945 ist er als Kameramann u. a. für die sowjetnahe
„Wien-Film“, später für die Fotoagentur Votava tätig.
Er stirbt am 24. November 1961 in Wien.
Wiedling, Albert, geb. um 1859, lebt seit 1882 in Wien,
Mitarbeiter des Kunstverlags „Gerlach & Schenk“,
1904 tritt er als Mitbesitzer in das Unternehmen ein,
das nun „Gerlach & Wiedling“ heißt. Nach dem Tod
der Besitzer wird der Verlag von den beiden Söh-
nen Martin Gerlach jun. und Walter Wiedling weiter-
geführt.
Wild, Anton, Atelierfotograf in Budweis, der um 1900
auch Pressebilder in Wiener Zeitungen veröffentlicht.
Willinger, László, geb. am 16. April 1909 in Berlin,
Sohn des ungarischen, später in Berlin und Wien le-
benden Fotografen Wilhelm Willinger, 1922/23 Be-
such der Graphischen Lehr- und Versuchsanstalt in
Wien, praktische Ausbildung als Fotograf beim Buda-
pester Atelierfotografen Angelo. Er leitet von 1927
bis 1930 zusammen mit seiner Mutter Margarete
Willinger, die ebenfalls Fotografin ist, die Berliner Fili-
ale des Familienunternehmens. 1930 bis 1932 ist er
in Paris als Werbe- und Porträtfotograf tätig, macht
eine Reise nach Russland zu Sergej Eisenstein, kehrt
nach Berlin zurück, lebt ab 1933 in Wien, wo er in
den 1930er Jahren ein Atelier führt. Er ist aber wei-
terhin viel in Frankreich unterwegs. 1929 veröffent-
licht er den Berlin-Bildband Hundertmal Berlin, kurz
darauf einen Band über London. Seit etwa 1930 ver-
öffentlicht er seine Fotos in deutschen Illustrierten,
ab 1931 auch in österreichischen Magazinen. In sei-
nen fotografischen Arbeiten (Porträts, Straßen- und
Alltagsszenen, Werbung, Akte, Landschaften) ver-
folgt er einen modernen Stil. 1937 emigriert er in die
USA, eröffnet ein Atelier am Sunset Boulevard in Los
Angeles und arbeitet in Hollywood als Filmfotograf.
Er stirbt am 8. August 1989 in Los Angeles.
Willinger, Margarete, Atelierfotografin in Berlin, Frau
von Wilhelm Willinger, leitet in den 1920er und
1930er Jahren die Berliner (und zeitweise auch die
Budapester und Pariser) Filiale des Familienunter-
nehmens. 1941 zieht sie in die USA.
Willinger, Wilhelm, geb. am 9. April 1897 als Mór
(Maurus) Wilhelm Willinger in Budapest, eröffnet um
die Jahrhundertwende ein Atelier in Wien, um 1909
zieht er nach Berlin, wo er ebenfalls ein Atelier eröff-
net und seit 1912 Bilder an die illustrierte Presse lie-
fert. Nach dem Ersten Weltkrieg zieht er nach Wien,
eröffnet hier 1919, zusammen mit Hans Schnapper,
ein weiteres Atelier in der Kärntner Straße 28, Wien
1. Schnapper verlässt das Unternehmen 1921. Wil-
linger spezialisiert sich auf Porträts und Theaterfo-
tos, erweitert den Betrieb in den 1920er Jahren in
Richtung einer Fotoagentur, die auch aktuelle Presse-
bilder anbietet. Um 1930 Kooperation mit dem Fo-
tografenduo Leo Ernst und Fred Cesˇanek und Grün-
dung der Agentur „Austrophot – Willinger, Ernst &
Cesˇanek“. 1930 Übernahme der traditionsreichen
Wiener Fotoagentur „R. Lechner (Wilh. Müller)“. Wil-
linger, der jüdischer Herkunft ist, flieht 1939 nach
Shanghai, wo er 1940 ein Fotoatelier eröffnet. Er
stirbt am 29. Januar 1943 in Shanghai.
Wlassics, Adorján, geb. am 27. April 1893 in Vesprim,
Ungarn, gründet 1924 zusammen mit Olga Wlassics
das Fotoatelier „Manassé“ in Wien. In den 1930er Jah-
ren kommen weitere Ateliers in Bukarest und Berlin
unter dem Namen „WOG“ hinzu, die beiden Fotogra-
fen spezialisieren sich auf Akte, Porträts und Monta-
gen, von denen viele in der illustrierten Presse veröf-
fentlicht werden. Das Wiener Atelier wird ab 1937/38
von einer Assistentin namens Ricoll geführt, dann ver-
kauft. Olga und Adorján W. ziehen nach Berlin, wo sie
weiterhin als Atelierfotografen tätig sind. 1947 Rück-
kehr nach Wien, wo Adorján W. 1947 stirbt. Wlassics, Olga, geb. als Olga Spolarich am 6. Mai
1895 in Budapest, eröffnet 1924 zusammen mit ih-
rem Mann Adorján Wlassics das Fotoatelier „Manas-
sé“ in Wien. In den 1930er Jahren kommen weite-
re Ateliers in Bukarest und Berlin unter dem Namen
„WOG“ hinzu, die beiden Fotografen spezialisieren
sich auf Akte, Porträts und Montagen, von denen
viele in der illustrierten Presse veröffentlicht wer-
den. Das Wiener Atelier wird ab 1937/38 von einer
Assistentin namens Ricoll geführt, dann verkauft.
Olga und Adorjàn W. ziehen nach Berlin, wo sie wei-
terhin als Atelierfotografen tätig sind. 1947 Rück-
kehr nach Wien, wo Olga Wlassics ab 1947 wieder
ein Atelier betreibt. Sie stirbt 1969 in Wien.
Wolff, Dr. Paul, geb. am 19. Februar 1887 in Mühlhau-
sen, Ausbildung zum Arzt, arbeitet seit den 1920er
Jahren als Amateurfotograf, 1926 beginnt er mit der
Leica zu fotografieren. Anfang der 1930er Jahre be-
ginnt seine Karriere als Zeitschriftenfotograf. Er ver-
öffentlicht zahlreiche Aufnahmen (Landschaften,
Genreszenen, Porträts, Architektur, Städte- und Rei-
sebilder sowie Sachaufnahmen) in der Presse (seit
1934 auch in Österreich) und in Bildbänden. Zusam-
menarbeit mit dem Assistenten Alfred Tritschler. Er
arrangiert sich bestens mit dem Nationalsozialis-
mus, passt sich in Themen und Stil den Erfordernis-
sen des Regimes an. Er stirbt am 10. April 1951 in
Frankfurt am Main.
Wölfl, Maria, verh. Borik-Wölfl, beginnt Mitte der
1920er Jahre zu fotografieren, Ausbildung bei der
Fotografin Trude Fleischmann, eröffnet um 1934
ein Atelier in Wien, arbeitet als Porträt-, Sach- und
Werbefotografin, arbeitet aber auch im Freien (Land-
schaften, Architektur). Seit Mitte der 1930er Jahre
ist sie mit ihren Aufnahmen, u. a. Porträts und Ob-
jektfotos, in Magazinen vertreten. Während der Zeit
des Nationalsozialismus arbeitet sie ohne Unterbre-
chung weiter. Nach dem Zweiten Weltkrieg spezia-
lisiert sie sich auf Architekturfotografie. Sie ist bis
Ende der 1950er Jahre tätig.
Ylla, geb. am 16. August 1911 in Wien als Camilla
Henriette Koffler, Kunststudium in Belgrad und Pa-
ris, arbeitet ab 1932 in einem Pariser Atelier als Re-
tuscheurin. 1933 eröffnet sie in Paris ein eigenes er-
folgreiches Atelier für Tierporträts. Ende der 1930er
Jahre veröffentlicht sie erste Fotobände über Hun-
de und Katzen. 1941 flüchtet sie nach New York,
wo sie neuerlich ein Atelier für Tierporträts eröffnet
und ihre Aufnahmen in zahlreichen Magazinen veröf-
fentlicht. Zahlreiche Reisen. Sie verunglückt am 30.
März 1955 bei einem Autounfall in Indien.
Yva (Else Ernestine Neuländer-Simon), geb. am 26. Ja-
nuar 1900 in Berlin, betreibt seit 1925 ein Foto-
atelier in Berlin und arbeitet als Porträt-, Mode- und
Pressefotografin. Ihre Bilder (Porträts, Mode, Werbe-
aufnahmen, Sachfotos, Akte, Tanzbilder) erscheinen
ab 1927 in zahlreichen Zeitungen und Zeitschriften,
seit 1929 auch in Österreich. Ab 1933 werden ihre
Bilder von der Wiener Fotoagentur „Schostal“ inter-
national vertrieben, in Deutschland kann sie ab 1933
nicht mehr publizieren. Indem sie Mitte der 1930er
Jahre die Leitung des Ateliers abgibt, versucht sie
das Berufsverbot zu umgehen. 1938 wird das Ate-
lier endgültig geschlossen, von 1938 bis 1942 arbei-
tet sie als Röntgenassistentin im Jüdischen Kranken-
haus in Berlin. Anfang Juni 1942 wird sie verhaftet
und in das Konzentrationslager Majdanek deportiert,
wo sie (vermutlich noch 1942) ermordet wird.
Zander, Albert, Ingenieur und Fotograf, gründet 1895
zusammen mit Siegmund Labisch die Fotoagentur
„Zander & Labisch“, die seit 1900 ihre Bilder auch in
Österreich vertreibt. Das Unternehmen besteht bis
1939.
Rasende Reporter: Eine Kulturgeschichte des Fotojournalismus.
Fotografie, Presse und Gesellschaft in Österreich 1890 bis 1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Rasende Reporter: Eine Kulturgeschichte des Fotojournalismus.
- Untertitel
- Fotografie, Presse und Gesellschaft in Österreich 1890 bis 1945
- Autor
- Anton Holzer
- Verlag
- Primus Verlag
- Datum
- 2014
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-86312-073-3
- Abmessungen
- 23.0 x 29.0 cm
- Seiten
- 498
- Schlagwörter
- Fotojournalismus, Pressefotografie, Fotografie, Fotografiegeschichte, Mediengeschichte, Kulturgeschichte, Populärkultur, Österreich
- Kategorie
- Medien
Inhaltsverzeichnis
- Auf den Spuren der rasenden Reporter Vorwort 7
- Neue illustrierte Welt Einleitung 10
- Bilder, Nachrichten, Sensationen Die Zeitungsstadt Wien um 1900 22
- Die Jagd nach Sensationen Pioniere der Pressefotografie 36
- Fotos statt Zeichnungen Das Entstehen einer fotografischen Öffentlichkeit 51
- Bild und Text Die Rhetorik der Zeitungsseiten 59
- Redaktion, Druck, Vertrieb Wie eine illustrierte Zeitschrift entsteht 70
- Im Rampenlicht Der Kaiser im Blick der Fotografen 77
- Als die Männer fliegen lernten Die ersten Wiener Flugschauen 91
- Mit der Kamera bewaffnet Fotografie und Propaganda im Ersten Weltkrieg 105
- Theater der Macht Parlament und Politik in Bildern 117
- Kampf um die Straße Demonstrationen, Kundgebungen und Massenpolitik 134
- Im Schatten der Konzerne Politische Illustrierte in der Zwischenkriegszeit 145
- Bilder für alle Die Welt der Magazine und Revuen 170
- Bilder als Propaganda Die illustrierte Regierungspresse nach 1934 194
- Erzählende Bilder Die moderne Fotoreportage in der Zwischenkriegszeit 203
- Handel mit Bildern Die Rolle der Fotoagenturen 234
- Politische Bilder Die Kultur der Arbeiterfotografie 248
- Amerika, ein Traum Wolkenkratzer und Tiller Girls 263
- Bubikopf und Zigarette Bilder der „Neuen Frau“ 277
- Experiment und Bewegung Tanzschritte in eine neue Zeit 286
- Wenn die Hüllen fallen Erotik, Sexualität und Nacktfotografie in der Zwischenkriegszeit 296
- Schöne neue Warenwelt Reklame und Mode in der Fotografie 304
- Dramatische Nähe Sport und Fotografie 317
- Frauen hinter der Kamera Die neuen Fotografinnen 331
- Die kurze Zeit der Avantgarde Fotografische Aufbrüche um 1930 344
- Landschaft, Berge, Brauchtum Heimatfotografie in den 1930er Jahren 363
- Fotografisches Feuilleton „Der Sonntag”: ein vergessenes Forum moderner Reportagefotografie 378
- Demagogie in Bildern Hitler in Österreich 1938 411
- Den Krieg vor Augen Nationalsozialistische Medienpolitik und Ästhetik 419
- Eine andere Kulturgeschichte Schluss 437
- Anhang