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178 | Zirkulationen und Output
das Kanalsystem ab 1876, wobei man viele bereits bestehende Kanäle – darunter auch
den »Franzosenkanal«
– weiterverwendete bzw. adaptierte. Da es noch keine leistungs-
fähige Wasserleitung gab, wurde ein Reservoir (»Spülgalerie«) in der Kapuzinerstraße
errichtet, das mit dem Überwasser eines nahen Brunnens das periodische Durchspü-
len ermöglichte.255 Der Zeitpunkt der Umsetzung eines Schwemmkanalsystems ist im
österreichischen wie auch im internationalen Vergleich als früh zu erachten.256 Bis zur
Mitte der 1880er Jahre wurden weite Teile der inneren Stadt und der Vorstädte an das
Kanalsystem angeschlossen (vgl. Abb. 17).257
Danach erfolgte eine Erweiterung in verschiedenen Phasen, wobei die dünn besie-
delten Vororte erst kurz vor der Jahrhundertwende an das Kanalisationssystem ange-
schlossen wurden. Ab Anfang der 1890er Jahre waren die ersten öffentlichen »Bedürf-
nisanstalten und Pissoirs« in der Stadt errichtet worden und 1901 wies das städtische
Kanalnetz bereits eine Länge von 43 Kilometer auf.258 Die zunehmende Verlandung
des Fabrikarms (vgl. Kap. 6. Fluviale und aquatische Räume) und auch die verhältnis-
mäßig kleinen Hochwasserereignisse von 1885 und 1889 führten 1890 zur Entschei-
dung, einen Sammelkanal zu errichten, der die Abwässer weiter vom Stadtzentrum
entfernt in die Donau leitete. Einen zweiten Entlastungskanal – und einen Kanal für
die Vororte – bildete der »Hauptsammelkanal«, der ab 1897 angelegt wurde und im
Augebiet der Zizlau in die Donau mündete.259
Dass alle Kanäle die Abwässer ohne vorherige Reinigung in die Donau einbrachten,
nahm man kaum als Problem wahr. Begünstigt wurde diese Praxis durch den Umstand,
dass die Donau bei Linz ein relativ großer Fluss war und es viele Kilometer flussab-
wärts nur wenige und kleine, direkt am Ufer gelegene Ansiedlungen gab, zudem nutzte
man das Wasser der Donau kaum (vgl. Kap. 3. Wasser). Ohnehin war der Glaube
an die Selbstreinigungskraft größerer Flüsse zu dieser Zeit noch unerschütterlich : In
den 1870er Jahren sah das Wiener Stadtbauamt in seinem Gutachten zu den Linzer
Kanalbauplänen kein Problem in der ungeklärten Einleitung der Abwässer. Es sei eine
übliche und sinnvolle Praxis, aufgrund der »großen Wassermassen« habe man »kein
Besorgniß wegen [einer] Verderbung des Wassers«. Der »natürliche Ablagerungsort
der Unrathsstoffe«, beschied der Gemeinderat im August 1873 dem Kanalräumer und
Senkgrubenentleerer Wallinger auf eine Anfrage hin, sei »die Donau«.260 Auch in einer
Bauverhandlung des Hauptsammelkanals gab man sich 1898 davon überzeugt, dass
255 RB 1876 – 1878, 73 – 77 ; Pichler-Baumgartner, Wege, 41f. u. 94f.
256 Pichler-Baumgartner, Wege, 43.
257 Mayrhofer/Katzinger, Geschichte, Bd. 2, 155f.
258 Pichler-Baumgartner, Wege, 216 – 227 ; RB 1892, 233f.; in Wien gab es derartige Infrastrukturen
schon ab der Mitte des 19. Jahrhunderts – vgl. Brunner/Schneider, Umwelt, 257.
259 Pichler-Baumgartner, Wege, 216 u. 254 – 257.
260 Ebd., 251 ; vgl. zu England und Frankreich : Schott, Urbanisierung, 236f.; Goddard/Sheail, Reform,
93 – 99 u. Barles, Umwelt, 61f.; vgl. die etwas vorsichtigere Einschätzung in der »Allgemeinen Bauzei-
tung« : Allgemeine Bauzeitung 30 (1865), 220f.
Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
Transformationen städtischer Umwelt
Das Beispiel Linz, 1700 bis 1900
- Titel
- Transformationen städtischer Umwelt
- Untertitel
- Das Beispiel Linz, 1700 bis 1900
- Autor
- Georg Stöger
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21233-1
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 368
- Schlagwörter
- Umweltgeschichte, Stadtgeschichte, Nachhaltigkeit
- Kategorie
- Geographie, Land und Leute
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung 11
- 2. Kontexte : Linz 1700 bis 1900 36
- 3. Wasser 75
- 4. Energie und Biomasse 109
- Omnipräsenz des Brennholzes 109
- Die langsame Transition zur fossilen Energie 118
- Pferde und Wasser : Erneuerbare Antriebsenergie 123
- Lebensmittel : Lokaler Bedarf und lokale Versorgung 127
- Dritter bis sechster »Kreis« : Lebensmittel aus dem Um- und Hinterland 137
- Modifikationen der Lebensmittelversorgung 141
- 5. Zirkulationen und Output 145
- 6. Fluviale und aquatische Räume 185
- 7. Geordnete und modifizierte Umwelt 205
- 8. Natur der Städter – Natur für Städter 232
- 9. Epidemie 253
- 10. Versorgungskrise 274
- 11. Naturgefahr 290
- 12. Logiken und Akteure des Existenten und des Wandels 324
- Literatur- und Quellenverzeichnis 332
- Archivalien und ungedruckte Quellen 332
- Datenbanken 333
- Periodika 333
- Gedruckte Quellen und Literatur 334
- Anhang 358
- Verzeichnis der Tabellen und Grafiken 358
- Abbildungsnachweis 359
- Währungen und Maßeinheiten 360
- Hinweise zu den kartographischen Darstellungen 362
- Abkürzungen 364