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180 | Zirkulationen und Output
unmöglich macht«.262 Mit der neuen Kanalisation und der fortschreitenden Verlan-
dung des Fabrikarms traten ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts offenbar grö-
ßere Probleme bei der Einleitung der Fäkalien in die Donau auf.263 Siegmund Taussig,
ein Ingenieur der Wiener Donauregulierungskommission, konstatierte 1883 in einem
Gutachten, dass der Fabrikarm mittlerweile »mehr einer großen Pfütze als einem Do-
nauarme« ähnle, und verwies auf die »schädlichen Ausdünstungen der […] gährenden
und auf den zu Tage tretenden Schotterbänken trocknenden Fäcalmassen«.264 1886
beschloss der Gemeinderat die Zuschüttung des Fabrikarms, was ab Herbst 1889
nach längeren Diskussionen über Finanzierung und konkrete Ausgestaltung umge-
setzt wurde. Dadurch ergab sich Handlungsbedarf für die Hauptkanalarme, die bei der
Unteren Donaulände und der Wasserkaserne in den Fluss mündeten. Dennoch wur-
den die Fäkalien weiterhin in den zeitweilig kaum noch Wasser führenden Fabrikarm
eingeleitet, bis im Frühsommer 1890 durch die Stadtverwaltung ein neuer Sammelka-
nal errichtet wurde, der nun unter der (ehemaligen) Strasserinsel direkt in die Donau
mündete. Damit – und mit einem zwischenzeitlich erfolgten Hochwasser – scheint
sich die Situation verbessert zu haben.265
In Bezug auf die Abwasser- und Fäkalentsorgung lässt sich eine partielle Persis-
tenz von vormodernen Systemen und Praktiken feststellen, die aber in den letzten
Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts zunehmend infrage gestellt wurden.266 Ein Beispiel
bildet eine Gerberei, die sich in der Kaisergasse (und damit nahe der historischen Ger-
beransiedlung in der Lederergasse) befand. Der Betrieb wurde bis in die 1860er Jahre
erweitert und verfügte über ein zusätzliches Gebäude an der Unteren Donaulände, das
in der Nähe eines anderen Ledererzeugers lag. 1874 verunreinigte das Lohwasser des
Betriebes einen Nachbarbrunnen, was zu verschärften Auflagen führte, 1878 wurde
schließlich der Anschluss an die Kanalisation hergestellt.267 An der urbanen Peripherie
waren die Kontinuitäten ausgeprägter : Da der Anschluss von dünner besiedelten Ge-
bieten an die Kanalisation spät erfolgte, bestanden dort weiterhin Sicker- und Senk-
gruben, die auch bei Neubauten errichtet wurden.268 Aber hier ist ebenso eine zuneh-
mende städtische Kontrolle über ehemals private Zuständigkeiten erkennbar : Ab der
Mitte der 1880er Jahre gab es regelmäßige – offenbar flächendeckende – Kontrollen
der Abwasserinfrastrukturen durch städtische Bedienstete, die auch die Zwangsentlee-
rung von Senkgruben anordnen konnten, und 1894 legte man fest, dass die Entleerung
von Senkgruben im Stadtgebiet nur noch über den (kostenpflichtigen) städtischen
262 LTP, 22.6.1865.
263 RB 1881, 102 ; RB 1889, 159.
264 Pichler-Baumgartner, Wege, 252.
265 RB 1890, 206f.; der Sammelkanal war schon mehrere Jahre zuvor diskutiert worden : vgl. RB 1887, 103.
266 Vgl. Illi, Schîssgruob, 73 – 75 u. Brunner/Schneider, Umwelt, 152.
267 Lackner/Stadler, Fabriken, 381 ; vgl. zum Betrieb : Statistischer Bericht 1882, Bd. 2, 174.
268 Schiedermayr, Sanitätsverhältnisse, 13 ; Lengauer, Massenwohnbau, 151 – 153 ; vgl. RB 1882, 30f. u. RB
1887, 175.
Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
Transformationen städtischer Umwelt
Das Beispiel Linz, 1700 bis 1900
- Titel
- Transformationen städtischer Umwelt
- Untertitel
- Das Beispiel Linz, 1700 bis 1900
- Autor
- Georg Stöger
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21233-1
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 368
- Schlagwörter
- Umweltgeschichte, Stadtgeschichte, Nachhaltigkeit
- Kategorie
- Geographie, Land und Leute
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung 11
- 2. Kontexte : Linz 1700 bis 1900 36
- 3. Wasser 75
- 4. Energie und Biomasse 109
- Omnipräsenz des Brennholzes 109
- Die langsame Transition zur fossilen Energie 118
- Pferde und Wasser : Erneuerbare Antriebsenergie 123
- Lebensmittel : Lokaler Bedarf und lokale Versorgung 127
- Dritter bis sechster »Kreis« : Lebensmittel aus dem Um- und Hinterland 137
- Modifikationen der Lebensmittelversorgung 141
- 5. Zirkulationen und Output 145
- 6. Fluviale und aquatische Räume 185
- 7. Geordnete und modifizierte Umwelt 205
- 8. Natur der Städter – Natur für Städter 232
- 9. Epidemie 253
- 10. Versorgungskrise 274
- 11. Naturgefahr 290
- 12. Logiken und Akteure des Existenten und des Wandels 324
- Literatur- und Quellenverzeichnis 332
- Archivalien und ungedruckte Quellen 332
- Datenbanken 333
- Periodika 333
- Gedruckte Quellen und Literatur 334
- Anhang 358
- Verzeichnis der Tabellen und Grafiken 358
- Abbildungsnachweis 359
- Währungen und Maßeinheiten 360
- Hinweise zu den kartographischen Darstellungen 362
- Abkürzungen 364