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182 | Zirkulationen und Output
benutzte Stroh in die Donau geworfen werden müsse.278 Die bis in die 1830er Jahre an
der Oberen und Unteren Donaulände bestehenden Fleischbänke und Schlachthäuser
deuten auch auf eine Entsorgung über die Donau hin.279 Für die 1860er bis 1880er
Jahre dokumentieren zahlreiche Zeitungsmeldungen das Einwerfen von Abfall in die
Donau als alltägliche Praxis.280 In einem Leserbrief aus dem Jahr 1880 wurde vermutet,
dass die Lagerung von städtischem Abfall bei der früheren Wollzeugfabrik ebenso auf
eine spätere Entsorgung über die Donau abziele : »Man scheint sich da auf Mutter
Natur zu verlassen, jedes Frühjahr ein Hochwasser erwartend, damit die Uferbewohner
von den […] Abfallstoffen […] verschont werden«.281
Martin Melosi hat für US-amerikanische Städte festgestellt, dass der häusliche
Abfall vor den 1890er Jahren eher als »nuisance« denn als »serious threat« wahrge-
nommen worden sei, dementsprechend seien die meisten kommunalen Maßnahmen
reaktiv gewesen.282 Auch in Linz sah man 1865 die Ansammlungen von Abfällen
und Kehricht bei der Linzer Donaubrücke und vor der Collegienkaserne eher als
visuelle Beeinträchtigungen,283 erst das 1882 erfolgte Auftreten der Statthalterei ge-
gen die (eigentlich schon seit 1874 verbotene) Abfallentsorgung in die Donau – den
Anlass dafür bildete hier jedoch wiederum die Verlandung im Fabrikarm – führte
zu einem Engagement der Stadt in diesem Bereich.284 Man überlegte, einen eigenen
städtischen Kehrichtwagen anzuschaffen, der »zu bestimmten Stunden« die häusli-
chen Abfälle sammeln und »an einem geeigneten Platze« ablagern solle. Hauptpro-
blem bildete die Abdeckung der mit 2.000 fl angenommenen Kosten – schließlich
bot ein bereits für die Stadt tätiger Fuhrunternehmer einen Wagen samt Arbeiter
um die Hälfte dieses Betrages an und erhielt den Zuschlag.285 Die Stadtverwaltung
entschied sich dafür, den Hausbesitzern die Kehrichtabfuhr als freiwillige Dienst-
leistung anzubieten, für die jährlich – je nach Mietwert – zwischen 2 und 6 fl be-
zahlt werden mussten. Die Abfuhr bezog sich nur auf »gewöhnliche[n] Kehricht
und Hausmist, […] Asche, trockene Küchenabfälle, Thon und Glasscherben u.s.w.« ;
Bauschutt, Schotter oder tierische Exkremente wurden explizit ausgeschlossen.286
Kaum 20 Jahre später beurteilte man diese Praxis als unzureichend : Die verschiede-
nen, oft offenen Behälter würden die Verbreitung von »Unsauberkeit«, »Ungeziefer«
und »Krankheitsstoffe[n]« begünstigen, zudem sei die Staubbelastung bei der Ent-
278 LR BIIA37, Reg. 19274 (128 – 142).
279 Kreczi, Linz, 62 u. 220 – vgl. auch Kap. 7. Geordnete und modifizierte Umwelt.
280 LTP, 11.4.1865 ; ebd., 9.11.1867 ; ebd., 24.8.1871 ; ebd., 26.11.1887 ; LVB, 20.3.1881 ; ebd., 11.1.1882
u. ebd., 17.11.1887.
281 LVB, 15.2.1880.
282 Melosi, America, 43 u. 223.
283 LTP, 28.6.1865 ; ebd., 31.10.1865.
284 LVB, 13.5.1882.
285 LTP, 19.2.1882 ; LVB, 4.5.1882 ; ebd., 13.5.1882 ; ebd., 27.1.1883.
286 LVB, 6.2.1883 ; AStL, Alte Registratur, Sch. 144.
Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
Transformationen städtischer Umwelt
Das Beispiel Linz, 1700 bis 1900
- Titel
- Transformationen städtischer Umwelt
- Untertitel
- Das Beispiel Linz, 1700 bis 1900
- Autor
- Georg Stöger
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21233-1
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 368
- Schlagwörter
- Umweltgeschichte, Stadtgeschichte, Nachhaltigkeit
- Kategorie
- Geographie, Land und Leute
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung 11
- 2. Kontexte : Linz 1700 bis 1900 36
- 3. Wasser 75
- 4. Energie und Biomasse 109
- Omnipräsenz des Brennholzes 109
- Die langsame Transition zur fossilen Energie 118
- Pferde und Wasser : Erneuerbare Antriebsenergie 123
- Lebensmittel : Lokaler Bedarf und lokale Versorgung 127
- Dritter bis sechster »Kreis« : Lebensmittel aus dem Um- und Hinterland 137
- Modifikationen der Lebensmittelversorgung 141
- 5. Zirkulationen und Output 145
- 6. Fluviale und aquatische Räume 185
- 7. Geordnete und modifizierte Umwelt 205
- 8. Natur der Städter – Natur für Städter 232
- 9. Epidemie 253
- 10. Versorgungskrise 274
- 11. Naturgefahr 290
- 12. Logiken und Akteure des Existenten und des Wandels 324
- Literatur- und Quellenverzeichnis 332
- Archivalien und ungedruckte Quellen 332
- Datenbanken 333
- Periodika 333
- Gedruckte Quellen und Literatur 334
- Anhang 358
- Verzeichnis der Tabellen und Grafiken 358
- Abbildungsnachweis 359
- Währungen und Maßeinheiten 360
- Hinweise zu den kartographischen Darstellungen 362
- Abkürzungen 364