Seite - 254 - in Transformationen städtischer Umwelt - Das Beispiel Linz, 1700 bis 1900
Bild der Seite - 254 -
Text der Seite - 254 -
254 | Epidemie
worden war und – außerhalb der Pestjahre – als Krankenhaus genutzt wurde.6 Die
Stadt finanzierte für diese Institution auch einen Bader, der im beginnenden 18. Jahr-
hundert immerhin 162 fl erhielt, also wohl über das ganze Jahr hinweg beschäftigt
war.7 Linz verfügte zu dieser Zeit offenbar nicht über einen eigenen Stadtarzt, aber die
Landstände finanzierten Ärzte (»Landschaftsphysici«) und verfügten ab 1666 über ein
ärztliches Gremium (»Collegium Medicum«), das eng mit der Hauptstadt Wien ver-
bunden war.8 Vermutlich gab es damals drei für die Stadt zuständige Ärzte und einen
(handwerklichen) Chirurgen, die die Stadtbevölkerung behandelten und auch für die
Kontrolle von Apotheken sowie die allgemeine Aufsicht über den Gesundheitszustand
der Menschen zuständig waren.9
Bereits Ende März 1713 wurde der Staat über die kaiserliche Sanitäts-Hofkommis-
sion aktiv und delegierte einen ständischen Arzt an die niederösterreichische Grenze,
um vor Ort Informationen über die Situation einzuholen. Zugleich wurde eine Visi-
tation der oberösterreichischen Apotheken angeordnet, die vermutlich auf eine Erfas-
sung (und Kontrolle) der Medikamente abzielte, im April befahl der Wiener Hof eine
»genauer Bewachtung« der oberösterreichischen Grenzen.10 Der erst im Sommer vor-
liegende Bericht der ständischen Ärzte war kalmierend : Die Apotheken seien gut auf
die Seuche vorbereitet, man solle aber gegen Bader, Barbiere und Händler auftreten,
die unberechtigt dubiose Arzneien anböten.11 Ein weiterer Bericht aus dem August
1713 liefert Einblicke in ländliche Praktiken des Umgangs mit der Seuche, illustriert
aber auch die Ratlosigkeit der akademischen Medizin : Die Medikamente würden
nicht helfen, da sie zu spät eingenommen würden. Der »gemaine Mann und d(e)ß
Paurn Volckh« würden »allezeit denen Marckhtschreiern und Paadern mehr Credit
alß denen Medicis beylegen«, auch verbrenne man nur selten die Hinterlassenschaft
von Seuchenopfern oder missachte beim Verbrennen basale Vorsichtsmaßnahmen. Als
Prophylaxe empfahlen die Ärzte kleine hölzerne Behältnisse, die mit »guten« Riech-
stoffen angefüllt und um den Hals getragen werden sollten.12
Nachdem aufgrund der Pest bereits beim Ostermarkt der Handel mit einzelnen
Waren (Fellen, Wolle und Altkleidung) beschränkt worden war, dachte die Obrigkeit
6 AStL, Altakten, Sch. 167 ; im 19. Jahrhundert war das heute nicht mehr bestehende Gebäude Gebär-
und Findelanstalt (Lederergasse 33, Konskr.-No. 366 – Kreczi, Häuserchronik, 143) ; vgl. zu Regens-
burg : Kellner, Pesthauch, 98 u. allgemein zu den Pestlazaretten : Scheutz, Pestspitäler, 259 – 265 ; Abb.
16
zeigt Pläne aus den 1840er Jahren.
7 AStL, HS 63 (Kammeramtsrechnung 1700), 96a u. b ; vgl. LR BIIG4, Reg. 2416 (141 – 211).
8 LR BIIG4, Reg. 2215 (5f.) ; Stauber, Ephemeriden, 75 ; LR BIIA5, Reg. 6580 (131).
9 LR BIIA4, Reg. 5136 (128) ; vgl. dazu die Regelungen für die Steiermark in den 1740er Jahren
– Macher,
Handbuch, Bd. 1, 50 u. 54.
10 OÖLA, Landschaftsakten, Sch. 1220, J.III.2/No. 20.
11 OÖLA, Landschaftsakten, Sch. 1220, J.III.2/No. 21.
12 OÖLA, Landschaftsakten, Sch. 1220, J.III.2/No. 21 ; vgl. LR BIIA40, Reg. 19793 (164) ; vgl. Kellner,
Pesthauch, 94f. u. 123 – 129.
Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
Transformationen städtischer Umwelt
Das Beispiel Linz, 1700 bis 1900
- Titel
- Transformationen städtischer Umwelt
- Untertitel
- Das Beispiel Linz, 1700 bis 1900
- Autor
- Georg Stöger
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21233-1
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 368
- Schlagwörter
- Umweltgeschichte, Stadtgeschichte, Nachhaltigkeit
- Kategorie
- Geographie, Land und Leute
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung 11
- 2. Kontexte : Linz 1700 bis 1900 36
- 3. Wasser 75
- 4. Energie und Biomasse 109
- Omnipräsenz des Brennholzes 109
- Die langsame Transition zur fossilen Energie 118
- Pferde und Wasser : Erneuerbare Antriebsenergie 123
- Lebensmittel : Lokaler Bedarf und lokale Versorgung 127
- Dritter bis sechster »Kreis« : Lebensmittel aus dem Um- und Hinterland 137
- Modifikationen der Lebensmittelversorgung 141
- 5. Zirkulationen und Output 145
- 6. Fluviale und aquatische Räume 185
- 7. Geordnete und modifizierte Umwelt 205
- 8. Natur der Städter – Natur für Städter 232
- 9. Epidemie 253
- 10. Versorgungskrise 274
- 11. Naturgefahr 290
- 12. Logiken und Akteure des Existenten und des Wandels 324
- Literatur- und Quellenverzeichnis 332
- Archivalien und ungedruckte Quellen 332
- Datenbanken 333
- Periodika 333
- Gedruckte Quellen und Literatur 334
- Anhang 358
- Verzeichnis der Tabellen und Grafiken 358
- Abbildungsnachweis 359
- Währungen und Maßeinheiten 360
- Hinweise zu den kartographischen Darstellungen 362
- Abkürzungen 364