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und nahe Cholera |
gegen die Krankheit erhöhen sollten, zudem wurden »Bürger-Ausschüsse« etabliert,
die als Anlaufstelle beim Ausbruch einer Epidemie dienen sollten.90 Gefährdet waren
in Linz vor allem die insgesamt rund 3.700 Arbeiter/innen, die mit der Errichtung der
Maximilianischen Befestigungstürme beschäftigt waren. Sie standen auch im Fokus
der obrigkeitlichen Bemühungen, einen Ausbruch der Cholera zu verhindern : Zuerst
wurde der Verkauf von Obst – das man als möglichen Verursacher der Cholera an-
sah – verboten und eine Überwachung der Verpflegung angeordnet. Anfang August
erkrankten einige Frauen an der Ruhr (Dysenterie), die dann ins Militärspital gebracht
wurden, die betroffene Baustelle wurde durch Ärzte regelmäßig besucht, man verbes-
serte die Abortanlagen und richtete eine ärztliche Versorgung für andere Baustellen
ein. Als neue Ruhrerkrankungen im Folgemonat auftraten, wurden die Bauarbeiten
teilweise eingestellt, zu einem Ausbruch der Cholera kam es aber nicht.91 Nachdem
die Cholera im Oktober 1831 Oberösterreich erreicht hatte, wurden in Linz drei tem-
poräre Choleraspitäler (und ein zusätzliches in Urfahr) geschaffen92 und zumindest im
Karmeliterorden – dies ist als eine weitere Analogie zur Pest zu sehen – betete man
gegen die Ausbreitung der Cholera,93 die nun zunehmend auch öffentlich thematisiert
wurde.94 Es waren »die Leute nicht wenig beängstiget«, notierte der Linzer Geistliche
Franz Haslinger in seinem Rückblick auf das Jahr 1831. »Eine Menge Schriften von
Ärzten kamen heraus […], welche sich oft einander geradezu widersprechen« – man
kenne einfach »Natur und Heilungsart« der Cholera nicht.95 In den lebensgeschicht-
lichen Erinnerungen des Linzers Joseph v. Spaun, der die Cholera in Wien erlebte,
blieb diese Epidemie erstaunlich blass, es findet sich dazu nur ein Satz : Der Sommer
1832 sei »wie der vorangegangene Herbst […] durch die Cholera verdüstert« worden.96
Auch Adalbert Stifter, der in den 1860er Jahren auf die Cholera mit panischer Angst
reagierte (vgl. unten), betonte in der Retrospektive, dass er früher »in Wien, ohne sie
[die Cholera] zu beachten, fort gelebt« habe.97
Wenngleich es Todesfälle in Wels gab, trat die Cholera in Oberösterreich nirgends
epidemisch auf. Seit dem Beginn des Jahres 1832 scheint es zu keinen neuen Cholera-
erkrankungen gekommen zu sein, auch wurde die unterbrochene Eilverbindung der
Post zwischen Linz und Wien im Februar wieder aufgenommen.98 Man sollte die
Absenz der Cholera in Linz jedoch nicht als Wirkung eines erfolgreichen kollektiven
oder individuellen Krisenmanagements interpretieren, sondern eher als (glückliche)
90 AStL, Altakten, Sch. 242 ; LZ, 16.9.1831 ; ebd., 30.9.1831 ; ebd., 2.1.1832.
91 Hillbrand, Türme, 114 – 117 ; vgl. OÖLA, Landesregierungsarchiv Präsidium, Sch. 150.
92 Fink, Geschichte, 41 u. 90f.
93 LR E1d, Reg. 4057 (156).
94 Etwa bei einer Ansprache des Linzer Theaterpächters – vgl. LZ, 7.10.1831.
95 HTb 1831, Begebenheiten.
96 Doku, Spaun, 265.
97 Stifter, PRA, Bd. 21, 272.
98 LZ, 14.10.1831 ; ebd., 2.1.1832 ; ebd., 3.2.1832 ; ebd., 13.2.1832.
Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
Transformationen städtischer Umwelt
Das Beispiel Linz, 1700 bis 1900
- Titel
- Transformationen städtischer Umwelt
- Untertitel
- Das Beispiel Linz, 1700 bis 1900
- Autor
- Georg Stöger
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21233-1
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 368
- Schlagwörter
- Umweltgeschichte, Stadtgeschichte, Nachhaltigkeit
- Kategorie
- Geographie, Land und Leute
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung 11
- 2. Kontexte : Linz 1700 bis 1900 36
- 3. Wasser 75
- 4. Energie und Biomasse 109
- Omnipräsenz des Brennholzes 109
- Die langsame Transition zur fossilen Energie 118
- Pferde und Wasser : Erneuerbare Antriebsenergie 123
- Lebensmittel : Lokaler Bedarf und lokale Versorgung 127
- Dritter bis sechster »Kreis« : Lebensmittel aus dem Um- und Hinterland 137
- Modifikationen der Lebensmittelversorgung 141
- 5. Zirkulationen und Output 145
- 6. Fluviale und aquatische Räume 185
- 7. Geordnete und modifizierte Umwelt 205
- 8. Natur der Städter – Natur für Städter 232
- 9. Epidemie 253
- 10. Versorgungskrise 274
- 11. Naturgefahr 290
- 12. Logiken und Akteure des Existenten und des Wandels 324
- Literatur- und Quellenverzeichnis 332
- Archivalien und ungedruckte Quellen 332
- Datenbanken 333
- Periodika 333
- Gedruckte Quellen und Literatur 334
- Anhang 358
- Verzeichnis der Tabellen und Grafiken 358
- Abbildungsnachweis 359
- Währungen und Maßeinheiten 360
- Hinweise zu den kartographischen Darstellungen 362
- Abkürzungen 364