Seite - 267 - in Transformationen städtischer Umwelt - Das Beispiel Linz, 1700 bis 1900
Bild der Seite - 267 -
Text der Seite - 267 -
267Ferne
und nahe Cholera |
Land unumgänglich, aber die Statthalterei bremste und stellte 1855 fest, dass in Linz
ohnehin die Ordenskrankenhäuser bestünden, die man vergrößern oder adaptieren
könne. Wolle man ein eigenes Krankenhaus, dann solle man dies über ein Darlehen
oder über Sammlungen finanzieren.106 Der Arzt und Gemeinderat Anton Knörlein
betonte in seinem im gleichen Jahr erschienenen Aufsatz zur Geschichte der medizi-
nischen Infrastrukturen in Linz, der durchaus als Werbeschrift für das Kranken-
hausprojekt gelesen werden kann, dass der »Aufbau einer zeitgemässen allgemeinen
Krankenanstalt« als prioritär anzusehen sei. Bald würden »ein lebhafterer Verkehr und
eine vermehrte Bevölkerung […] das Unzureichende der vorhandenen Krankenanstal-
ten um so mehr empfinden«, vielleicht werde man es später – bei steigenden Preisen –
bereuen, dass man nicht gehandelt habe.107 Besonders bei epidemisch auftretenden
Krankheiten hätten sich die Kapazitäten der bestehenden Krankenhäuser bereits als
»weit« zu gering gezeigt. Wiederholt mussten, so Knörlein, »viele Kranke abgewiesen
werden [… oder konnten] erst nach mehreren Tagen Verweilens unter den ungüns-
tigsten häuslichen Verhältnissen in verschlimmertem, ja oft hoffnungslos gewordenen
Zustande aufgenommen werden«.108
Auf diese Diskussion traf der erste Ausbruch der Cholera in Linz – er blieb mit
rund 900 Erkrankten und mindestens 480 (zivilen) Todesfällen auch der größte.109
In Wien war die Cholera bereits im Herbst 1854 aufgetreten,110 in Linz starben im
Frühling des Folgejahres die ersten Menschen an der Cholera, Ende Juni nahm die
Anzahl der Cholerafälle zu und im August brach die Cholera dann epidemisch aus.111
Die ersten Choleratoten gab es in der Unteren Vorstadt nahe der Landstraße, da-
nach breitete sich die Seuche über die beiden Vorstädte bis in die peripheren Teile
von Linz und nach Urfahr aus und verschwand Ende September wieder.112 Relativ
stark – und vermutlich überproportional113 – von der Cholera betroffen war die süd-
lich von Linz gelegene, gewerblich geprägte Ortschaft Kleinmünchen, in der sich die
106 Stadler, Armee-Spital, 86f.; Marx, Ende, 739 ; vgl. Knörlein, Geschichte, 3f. u. 40 – 46.
107 Knörlein, Geschichte, 46.
108 Ebd., 39.
109 Diese Zahlen exkludieren die Todesfälle in Kleinmünchen, Urfahr und in den Kasernen, die – so
ein zeitgenössischer Bericht – »auch zahlreich« gewesen sein sollen (Fink, Geschichte, 191) – LAB,
29.9.1855 ; Schiedermayr, Sanitätsverhältnisse, 8 ; Pichler-Baumgartner, Wege, 112 ; vgl. dazu auch den
umfangreichen Bericht des Stadtarztes Adam Haller (OÖLA, Archiv der Statthalterei, Präsidium, Sch.
369).
110 ÖB, 29.8.1854 ; ebd., 14.11.1854 ; die Cholera der Jahre 1854/1855 forderte in Wien insgesamt rund
5.000 Tote (Birkner, Stadt, 125).
111 OÖLA, Archiv der Statthalterei, Präsidium, Sch. 369 ; LR E1d, Reg. 4164 (174f.).
112 Schiedermayr, Sanitätsverhältnisse, 11 ; LAB, 10.7.1855 ; ebd., 16.7.1855 ; ebd., 31.7.1855 ; ebd.,
1.10.1855.
113 Vgl. zur sozial-räumlichen Ungleichverteilung des Cholerarisikos in Wien : Weigl, Wandel, 240 – 242
u. allgemein Lees/Hollen Lees, Cities, 62.
Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
Transformationen städtischer Umwelt
Das Beispiel Linz, 1700 bis 1900
- Titel
- Transformationen städtischer Umwelt
- Untertitel
- Das Beispiel Linz, 1700 bis 1900
- Autor
- Georg Stöger
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21233-1
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 368
- Schlagwörter
- Umweltgeschichte, Stadtgeschichte, Nachhaltigkeit
- Kategorie
- Geographie, Land und Leute
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung 11
- 2. Kontexte : Linz 1700 bis 1900 36
- 3. Wasser 75
- 4. Energie und Biomasse 109
- Omnipräsenz des Brennholzes 109
- Die langsame Transition zur fossilen Energie 118
- Pferde und Wasser : Erneuerbare Antriebsenergie 123
- Lebensmittel : Lokaler Bedarf und lokale Versorgung 127
- Dritter bis sechster »Kreis« : Lebensmittel aus dem Um- und Hinterland 137
- Modifikationen der Lebensmittelversorgung 141
- 5. Zirkulationen und Output 145
- 6. Fluviale und aquatische Räume 185
- 7. Geordnete und modifizierte Umwelt 205
- 8. Natur der Städter – Natur für Städter 232
- 9. Epidemie 253
- 10. Versorgungskrise 274
- 11. Naturgefahr 290
- 12. Logiken und Akteure des Existenten und des Wandels 324
- Literatur- und Quellenverzeichnis 332
- Archivalien und ungedruckte Quellen 332
- Datenbanken 333
- Periodika 333
- Gedruckte Quellen und Literatur 334
- Anhang 358
- Verzeichnis der Tabellen und Grafiken 358
- Abbildungsnachweis 359
- Währungen und Maßeinheiten 360
- Hinweise zu den kartographischen Darstellungen 362
- Abkürzungen 364