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300 | Naturgefahr
heimzusuchen, wie sie in diesem Jahrhunderte noch nie in so furchtbarer Weise statt-
gefunden hat«, betonte der Linzer Statthalter in seinem Spendenaufruf.73 Der Linzer
Bürgermeister sah die Überschwemmung, etwas pragmatischer, als eine der »Kala-
mitäten [, die] von Zeit zu Zeit über Land und Leute hereinbrechen« – man müsse
sich »mit ruhiger Ergebung diesem Verhängnisse fügen« und den »Trost […] darin
finden, daß es nicht noch schlimmer gekommen ist«.74 Von staatlicher Seite reagierte
man mit neuen Schutzbauten an der Donau, da – wie zu Beginn des 20. Jahrhun-
derts rückblickend festgestellt wurde – »die Fluten wiederholt in bereits verlassen ge-
wesene Seitenarme« vorgedrungen waren und »Kulturboden« bedroht hätten.75 Die
Prämissen der Regulierung hinterfragte man aber nicht – die fluviale Dynamik der
Folgejahrzehnte schien den Wasserbauern recht zu geben : Nach dem großen Hoch-
wasserereignis von 1862 kam es in Linz nur im Februar 1876, im Jänner 1883 und
im September 1890 zu mittelgroßen Überschwemmungen (vgl. Tab. 37).76 1886 gab
man sich im Linzer Gemeinderat (anlässlich der projektierten Zuschüttung des Fa-
brikarms – vgl. Kap. 6. Fluviale und aquatische Räume) davon überzeugt, dass Über-
schwemmungen nun »seltener eintreten« würden.77 Somit kamen die großen Über-
schwemmungen im Sommer 1897 und im September 1899 zwar nicht überraschend,
denn über Telegramme informierte man sich über die Pegelstände und gab diese wei-
ter, das Ausmaß der Schäden war aber unerwartet. Selbst die technischen Experten
titulierten die Ereignisse wenige Jahre später – vielleicht auch entschuldigend – als
»Elementarkatastrophen«.78
Das vom 30.
Juli bis 5.
August 1897 andauernde Hochwasser, das die Niederterrassen
überschwemmte, sei eine »in ihrer Grösse und Ausdehnung seit Menschengedenken
noch nie dagewesene Hochwasser-Katastrophe« gewesen, stellte die Stadtverwaltung
rückblickend fest.79 Dabei lag der Maximalpegel dieses Hochwassers interessanter-
weise nur leicht über denen der Jahre 1824 und 1845, aber deutlich unter dem des
Jahres 1862. Ein überaus niederschlagsreicher Juli hatte die Überschwemmung aus-
gelöst : Verglichen mit dem Durchschnitt der Jahre 1901 – 1960 fiel in diesem Monat
doppelt so viel Regen.80 Nach beinahe einer Woche Dauerregen in Oberösterreich
73 LAB, 8.2.1862 ; die eingegangenen Spenden bildeten die Grundlage für den 1868 gegründeten »Innu-
dationsfond« – AStL, Materienbestand, Sch. 182.
74 LAB, 13.2.1862.
75 Donau in Oberösterreich, 46.
76 LTP, 10.1.1883 ; RB 1890, 173 – 175 ; vgl. zur Donau bei Wien : Hohensinner, Hochwässer, 42 – 44.
77 RB 1886, 85 – 88.
78 AStL, Materienbestand, Sch. 182 ; Donau in Oberösterreich, 63 ; vgl. Hochwasserkatastrophe, 3f.
79 RB 1897, 165 ; LTP, 5.8.1897 ; vgl. Allgemeine Bauzeitung 68 (1903), 70.
80 Eigene Berechnung auf der Basis HISTALP ; Streitt/Schiller/Stadler, Eisenbahnbrücke, 102f.; für den
Wiener Raum wurde dieses Ereignis als 30-jähriges Hochwasser klassifiziert (Hohensinner, Hochwässer,
43), Christian Rohr sah für Linz einen »Hochwasserquotienten« 70 bis 80 (Streitt/Schiller/Stadler, Ei-
senbahnbrücke, 103).
Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
Transformationen städtischer Umwelt
Das Beispiel Linz, 1700 bis 1900
- Titel
- Transformationen städtischer Umwelt
- Untertitel
- Das Beispiel Linz, 1700 bis 1900
- Autor
- Georg Stöger
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21233-1
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 368
- Schlagwörter
- Umweltgeschichte, Stadtgeschichte, Nachhaltigkeit
- Kategorie
- Geographie, Land und Leute
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung 11
- 2. Kontexte : Linz 1700 bis 1900 36
- 3. Wasser 75
- 4. Energie und Biomasse 109
- Omnipräsenz des Brennholzes 109
- Die langsame Transition zur fossilen Energie 118
- Pferde und Wasser : Erneuerbare Antriebsenergie 123
- Lebensmittel : Lokaler Bedarf und lokale Versorgung 127
- Dritter bis sechster »Kreis« : Lebensmittel aus dem Um- und Hinterland 137
- Modifikationen der Lebensmittelversorgung 141
- 5. Zirkulationen und Output 145
- 6. Fluviale und aquatische Räume 185
- 7. Geordnete und modifizierte Umwelt 205
- 8. Natur der Städter – Natur für Städter 232
- 9. Epidemie 253
- 10. Versorgungskrise 274
- 11. Naturgefahr 290
- 12. Logiken und Akteure des Existenten und des Wandels 324
- Literatur- und Quellenverzeichnis 332
- Archivalien und ungedruckte Quellen 332
- Datenbanken 333
- Periodika 333
- Gedruckte Quellen und Literatur 334
- Anhang 358
- Verzeichnis der Tabellen und Grafiken 358
- Abbildungsnachweis 359
- Währungen und Maßeinheiten 360
- Hinweise zu den kartographischen Darstellungen 362
- Abkürzungen 364