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Chr.49. Dagegen grenzte P. Kovács in seiner minu-
ziösen Studie über Schriftquellen und Ereignisge-
schichte der Markomennenkriege zuletzt die mögli-
chen Jahre der germanischen Invasion auf das Jahr
169 oder 170 ein50.
Mit der Frage der Datierung der germanischen
Invasion ist schließlich auch die Diskussion der
Datierung der Einrichtung der praetentura Italiae
et Alpium vor oder nach dem Einfall der Marko-
mannen und Quaden nach Italien verbunden51. J.
Šašel bezeichnete die praetentura Italiae et Alpium
als vorgeschobene Militärverwaltungszone und
lokalisierte sie auf dem Gebiet der illyro-italischen
Pforte52. Als legatus Augusti ad praetenturam Ita-
liae et Alpium expeditione Germanica ist Q. Antistius
Adventus epigrafisch belegt53. Nach A. Birley dürfte
er wohl von 168 bis etwa 170 n. Chr. mit diesem
konsularischen Sonderkommando betraut gewe-
sen sein54. Folgt man der Argumentation A. Birleys
ist die Errichtung der praetentura Italiae et Alpium
nicht zwingend nach dem Germaneneinfall anzu-
setzen55. Die Angabe […] perruptis Alpibus Iuliis
[…] bei Ammianus Marcellinus (29, 6, 1) wäre damit
auch als Durchbrechung oder Überwindung der pra-
etentura Italiae et Alpium durch die germanischen
Verbände aufzufassen56. A. Birley bezieht in diesem
Zusammenhang auch die Passage bei Lukianos
(48) in seine Beweisführung mit ein. Wenn wir den
Angaben bei Lukianos trauen dürfen, ging der Inva-
sion der Markomannen und Quaden eine schwere
römische Niederlage voraus, weshalb die Besat-
zung der praetentura Italiae et Alpium zu schwach
gewesen wäre, um die Invasoren am Eindringen
nach Oberitalien zu hindern57.
J. Šašel ging dagegen von einer anderen Reihen-
folge der Ereignisse aus und sieht wie auch J. Fitz
die Einrichtung der praetentura Italiae et Alpium als
logische Reaktion der römischen Militärführung auf
die germanische Invasion, die er damit allerdings
vor die Einrichtung des Sonderkommandos in das
Jahr 167 oder 168 n. Chr. datieren möchte58. Dieser
Argumentation folgte zuletzt im Wesentlichen neben
weiteren ergänzenden Argumenten aus den Schrift-
quellen, insbesondere der Historia Augusta, auch K.
Rosen59. W. G. Kerr schlug insofern einen gewissen
Kompromiss vor, als dass er die praetentura Italiae
49 Rosen 1994, 91 Anm. 8; 93.
50 Kovács 2009, 197 – 199.
51 Dazu bereits Zwikker 1941, 161 f. 174; Fitz 1968, 43 – 46;
zuletzt: Ruske 2007, 368. Kovács 2009, 192 – 199.
52 Šašel 1974, 226. 228.
53 ILS 8977.
54 Alföldy 1974, 154; Böhme 1977, 160.
55 Birley 1968, 219; Birley 1987, 251; dagegen: Rosen 1994,
91 f.
56 Birley 1979, 485 f. Dazu zuletzt: Kovács 2009, 193. 221.
57 Zuletzt dazu: Kerr 1995, 405.
58 Fitz 1968, 43 f.; Šašel 1974, 231 f.
59 Rosen 1994, 92. et Alpium als römische Reaktion auf die 167 n. Chr.
stattgefundene germanische Invasion bezieht und
von weiteren Germaneneinfällen für das Jahr 170 n.
Chr. ausgeht, die zwar gravierend gewesen seien,
aber – auch wegen der eingerichteten praetentura –
auf den Donauraum nördlich der Alpen beschränkt
geblieben wären60.
Das Legionslager von Ločica wird als zentra-
ler Bestandteil der praetentura Italiae et Alpium
betrachtet61. Nach Ausweis der vom Lagerareal
stammenden Ziegel mit Stempelabdruck ist wohl
von einer Errichtung und Belegung des Lagers
durch die 165 oder 166 n. Chr. rekrutierte legio II
Italica auszugehen62. Daten, die eine genauere zeit-
liche Eingrenzung des Lagerbaus als nach 166 n.
Chr. erlauben würden, fehlen leider, weshalb der
Errichtungszeitpunkt von der Forschung entweder
mit dem Zeitraum der Einrichtung der praetentura
Italiae et Alpium oder der Zeit nach der Vertreibung
der Markomannen und Quaden aus Noricum und
Oberitalien (SHA Pert. 2, 4 – 6) verknüpft wurde63.
Zwei Ereignisse oder Prozesse, deren engere chro-
nologische Zuordnung wiederum nicht gesichert ist.
Der Ziegelstempelabdruck: [leg(ionis) II] Ital(icae)
p(iae) f(idelis) aus der Ziegelei von Vransko im
Weichbild von Celeia-Celje und Ločica wird als
Beleg dafür angeführt, dass mit einer Verleihung
des Beinamens noch während der Stationierung der
Legion in Ločica zu rechnen ist64. Die durch eine
Bauinschrift65 epigrafisch belegte Teilnahme von
vexillationes der legiones II und III Italica an Bau-
arbeiten in Salona-Solin66 im Jahr 170 n. Chr. ist
kein zwingendes Argument für eine Errichtung des
Lagers von Ločica nach diesem Zeitpunkt. Vermut-
lich dürfen wir mit G. Alföldy von Q. Antistius Adven-
tus als legatus Augusti ad praetenturam Italiae et
Alpium expeditione Germanica auch als Oberbe-
fehlshaber der legio II Italica während der expeditio
Germanica I ausgehen67. Die Annahme von A. Bir-
ley, dass die praetentura Italiae et Alpium zur Zeit
des Germaneneinfalls bereits eingerichtet war oder
mit ihrer Errichtung begonnen worden war, die For-
tifikationen allerdings zu schwach ausgeführt oder
besetzt waren, um die Germanen nach der römi-
schen Niederlage am Vordringen nach Italien zu
hindern, mag von archäologischer Seite insofern
60 Kerr 1995, 407.
61 Šašel 1974, 228 f.
62 Kandler 1979, 172. 202 Abb. 20; Petrovitsch 2006, 327 – 331.
63 Alföldy 1974, 154 – 156; Böhme 1977, 169; Petrovitsch 2006,
289.
64 Lőrincz 2010, 140.
65 CIL III 1980 = CIL III 8570.
66 Zwikker 1941, 175 f.; vgl. zuletzt: Ortisi 2001, 76; Kovács
2009, 194. 224.
67 Alföldy 1974, 157 f.
Ein Brandhorizont aus der Zeit der Markomannenkriege im südostnorischen Munizipium Flavia Solva
- Titel
- Ein Brandhorizont aus der Zeit der Markomannenkriege im südostnorischen Munizipium Flavia Solva
- Autor
- Christoph Hinker
- Verlag
- Österreichisches Archäologisches Institut
- Ort
- Wien
- Datum
- 2014
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-900305-70-3
- Abmessungen
- 21.0 x 29.7 cm
- Seiten
- 344
- Schlagwörter
- Flavia Solva, materielle Kultur, Artefakt (Archäologie), Brom, Glimmergruppe, Insula, Magerung, Thüringische Drehscheibenkeramik
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 7
- Einleitung 9
- 1 Lage 11
- 2 Historischer Kontext 15
- 3 Forschungsgeschichte 23
- 4 Forschungsmeinungen 27
- 5 Quellenkritik 31
- 6 Terminologie 35
- 7 Taphonomie 37
- 8 Exkurs: Korrespondierende Befunde im Munizipium Flavia Solva? 49
- 9 Die Architektur der Insula XLI (Haus I–VI) 51
- 10 Definition von Aktivitätszonen 57
- 10.1 Exkurs: Grube G21 66
- 10.2 Exkurs: Grube G32 72
- 11 Fundauswertung 77
- 12 Chronologie 153
- 13 Technologie und Werkstätten 157
- 14 Der Brandhorizont der Insula XLI im urbanen kultur-geschichtlichen Kontext von Flavia Solva 167
- 15 Brandzerstörungen aus der Zeit der Markomannenkriege in Noricum, Pannonien und Rätien 171
- 16 Diskussion: Ergebnisse und ihr Verhältnis zum historischen Kontext 179
- 16.1 Holzarchitektur 180
- 16.2 Schadensfeuer 180
- 16.3 Pompeji-Prämisse 180
- 16.4 Militaria 181
- 16.5 Menschliche Skelettreste 182
- 16.6 Übrige Funde, speziell Metallfunde 183
- 16.7 Bebauungsmuster der Insula XLI nach Periode II/II+ 184
- 16.8 Forschungsstand zu Flavia Solva 186
- 16.9 Die südostnorische Siedlungslandschaft und das Szenario eines Germaneneinfalls 186
- 16.10 Tradierung von Forschungsmeinungen versus kritischer Prüfung 187
- 16.11 Fragenkatalog und Synthese 187
- 17 Ausblick: Zur Frage der Historizität in der Provinzial- römischen Archäologie 189
- 18 Resümee 195
- 19 Katalog 199
- 20 Tafeln 263
- Tafeln 1 – 43 265
- Fototafeln 1–9 308
- Typentafel mit Tabellen 20 und 21 317
- 21 Anhang 321