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Die von W. Schmid postulierten großflächigen Brand-
zerstörungen (vgl. Kap. 4) konnten bei jüngeren
archäologischen Ausgrabungen in Flavia Solva-
Wag
na nicht nachgewiesen werden, obwohl – abge-
sehen von Grabungen im Bereich der Insula XI157 –
mittelkaiserzeitliche Kulturschichten aufgedeckt
werden konnten. Sowohl am südöstlichen (Insulae
VII, XXXIX, XLIII)158 als auch am südwestlichen
Stadtrand159 zeichneten sich antoninische Brand-
schichten nicht ab. Auch für die eher dem Stadtzent-
rum zuzurechnende Insula XXII-Ost, für die ein aus-
führlicher Zwischenbericht vorliegt, fehlen Hinweise
auf eine markomannenkriegszeitliche Brandzerstö-
rung160. Da sich in Flavia Solva-Wagna modernen
Standards gerecht werdende archäologische Aus-
grabungsaktivitäten bislang lediglich in kleinen Aus-
schnitten mit Flächen, die von W. Schmid untersucht
wurden, decken (z. B. an der Südostecke der
Insula VII)161, ist es bisher nicht eindeutig möglich,
die Angaben W. Schmids über die Zerstörungen zur
Zeit der Markomannenkriege durch die ›Spatenfor-
schung‹ zu falsifizieren oder zu bestätigen. Insge-
samt erscheint es grundsätzlich möglich, jedoch
wenig plausibel, dass sich die von W. Schmid ange-
führten massiven Brandzerstörungen und der damit
zu verbindende Großbrand vorwiegend auf die von
ihm ergrabenen Insulae beschränkt hätten, wäh-
rend die zuletzt freigelegten, vor allem an der südli-
chen Peripherie des Munizipiums gelegenen Flä-
chen von dem Ereignis nicht betroffen gewesen
wären.
Neben dem vorliegenden Befund, der erstmals von
S. Groh im Zuge der Periodisierung der Insula XLI
diskutiert wurde, ist auf eine massive Brandschutt-
schicht mit mittelgallischer Terra Sigillata hinzu-
weisen, die von E. Hudeczek in die Zeit um 170 n.
Chr. datiert wurde162. Die detaillierte Vorlage die-
ser Brandschuttschicht aus der Insula XXXI bleibt
jedoch ein Desiderat163. Da Befunde kontempo-
rärer oder zumindest annähernd kontemporärer
Brandschichten in den umgebenden Insulae zwi-
schen der Insula XLI und der nordöstlich gelegenen
Insula XXXI bislang nicht vorgelegt wurden, darf
beim derzeitigen Kenntnisstand ein Zusammen-
hang zwischen den Brandschichten beider Insulae
weder zwingend angenommen noch gänzlich aus-
geschlossen werden. In diesem Zusammenhang
157 Weitgehend vermutlich zeitlich jünger einzustufen und des-
halb nur bedingt im vorliegenden Zusammenhang heranzu-
ziehen: Porod u. a. 2007, 191 – 193.
158 Heymans 2004, 520 – 522; Seehauser 2007, 146.
159 Fürnholzer 2010, 157.
160 Hudeczek 2008, 263 – 276 (Periode II: ca. 2. Jahr hundert n.
Chr.).
161 Karl 2008, 256 Abb.
162 Hudeczek 2002, 209.
163 Hudeczek 1973, 46 Abb. 23 (Stratum 4 = Brandschicht); 47
Abb. 24 (Drag. 37, mittelgallisch, sekundäre Brandspuren). ist C. Schucany beizupflichten, die zum »Problem
der Gleichzeitigkeit« feststellt: »Da unser Fundma-
terial niemals eine punktuelle Datierung zulässt, ist
es sensu strictu [sic!] nämlich kaum je zu bewei-
sen, dass Brandschichten, die an mehreren Stellen
einer Siedlung zu beobachten sind, zu ein und dem-
selben Brandhorizont zusammengefasst werden
dürfen.«164
Befunde, die auf die Errichtung einer Stadtmauer
oder andere fortifikatorische Maßnahmen zur
Abwehr eines drohenden Germaneneinfalls im
Zuge der Markomannenkriege hinweisen, fehlen
bislang in Flavia Solva-Wagna (vgl. Kap. 2, zur
historischen Interpretation von Befunden an der
Stadtmauer von Savaria-Szombathely vgl. Kap. 15).
Insofern ist damit auch für das Territorium des
Munizipiums zu bestätigen, dass sich ein staatlich
organisiertes Bauprogramm zum Schutz von Zivil-
siedlungen im Vorfeld der Markomannenkriege nicht
abzeichnet165. Ob wir davon ableiten dürfen, dass
die Bevölkerung der von einem möglicherweise dro-
henden Konflikt mit den Germanen voraussichtlich
betroffenen Gebiete nicht oder nur unzureichend
bzw. zu spät über das Gefahrenpotenzial seitens
der römischen Führung informiert worden war, lässt
sich kaum näher bestimmen.
164 Schucany 2005, 57. Zu dieser Problematik am Beispiel von
Befunden aus Salodurum-Solothurn s. auch: Spycher –
Schucany 1997, 151 f. Abb. 85.
165 Ortisi 2002, 150.
Ein Brandhorizont aus der Zeit der Markomannenkriege im südostnorischen Munizipium Flavia Solva
- Titel
- Ein Brandhorizont aus der Zeit der Markomannenkriege im südostnorischen Munizipium Flavia Solva
- Autor
- Christoph Hinker
- Verlag
- Österreichisches Archäologisches Institut
- Ort
- Wien
- Datum
- 2014
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-900305-70-3
- Abmessungen
- 21.0 x 29.7 cm
- Seiten
- 344
- Schlagwörter
- Flavia Solva, materielle Kultur, Artefakt (Archäologie), Brom, Glimmergruppe, Insula, Magerung, Thüringische Drehscheibenkeramik
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 7
- Einleitung 9
- 1 Lage 11
- 2 Historischer Kontext 15
- 3 Forschungsgeschichte 23
- 4 Forschungsmeinungen 27
- 5 Quellenkritik 31
- 6 Terminologie 35
- 7 Taphonomie 37
- 8 Exkurs: Korrespondierende Befunde im Munizipium Flavia Solva? 49
- 9 Die Architektur der Insula XLI (Haus I–VI) 51
- 10 Definition von Aktivitätszonen 57
- 10.1 Exkurs: Grube G21 66
- 10.2 Exkurs: Grube G32 72
- 11 Fundauswertung 77
- 12 Chronologie 153
- 13 Technologie und Werkstätten 157
- 14 Der Brandhorizont der Insula XLI im urbanen kultur-geschichtlichen Kontext von Flavia Solva 167
- 15 Brandzerstörungen aus der Zeit der Markomannenkriege in Noricum, Pannonien und Rätien 171
- 16 Diskussion: Ergebnisse und ihr Verhältnis zum historischen Kontext 179
- 16.1 Holzarchitektur 180
- 16.2 Schadensfeuer 180
- 16.3 Pompeji-Prämisse 180
- 16.4 Militaria 181
- 16.5 Menschliche Skelettreste 182
- 16.6 Übrige Funde, speziell Metallfunde 183
- 16.7 Bebauungsmuster der Insula XLI nach Periode II/II+ 184
- 16.8 Forschungsstand zu Flavia Solva 186
- 16.9 Die südostnorische Siedlungslandschaft und das Szenario eines Germaneneinfalls 186
- 16.10 Tradierung von Forschungsmeinungen versus kritischer Prüfung 187
- 16.11 Fragenkatalog und Synthese 187
- 17 Ausblick: Zur Frage der Historizität in der Provinzial- römischen Archäologie 189
- 18 Resümee 195
- 19 Katalog 199
- 20 Tafeln 263
- Tafeln 1 – 43 265
- Fototafeln 1–9 308
- Typentafel mit Tabellen 20 und 21 317
- 21 Anhang 321