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Im Folgenden soll auf die Architektur der Häuser
der Insula XLI während der Periode II/II+ eingegan-
gen werden. Diese Informationen können mit Daten
der Fundmaterialauswertung verknüpft und zur kul-
turgeschichtlichen Deutung herangezogen werden
(vgl. Kap. 14).
Haus I (Abb. 3) weist einen rechteckigen bis annä-
hernd quadratischen Grundriss auf und beherbergt
vier Räume (A, B, C, D) mit rechteckigen Grund-
risslösungen. Die Mauern waren in Steinbautech-
nik oder gemischter Holz-, Flechtwerk- und Stein-
architektur errichtet worden. Alle Räume sind mit
Lehmböden ausgestattet. In Raum C konnten zwei
Feuerstellen (F11 und F12) festgestellt werden166.
Raum D war mit der Feuerstelle F10 ausgestat-
tet167. An der östlichen Außenmauer des Hauses
I war dem Raum B die Feuerstelle F9 vorgelagert.
Haus I ist gegen Haus II ohne bebauungsfreie Flä-
che zwischen den Häusern situiert. Ein Durchgang
zwischen den beiden Bauten zeichnet sich in der
jeweiligen südlichen (Haus I) und nördlichen (Haus
II) Außenmauer nicht ab, weshalb wir davon ausge-
hen können, dass Haus I und Haus II oder zumin-
dest die Räume C–F nicht von demselben Perso-
nenkreis genutzt worden sein dürften. Die östlichen
und westlichen Außenmauern von Haus I und Haus
II bilden keine Flucht. Haus II springt gegenüber
Haus I um etwa 1 m nach Westen vor. Die östlichen
Langseiten der Häuser korrespondieren entspre-
chend. Die Nordwestecke des Hauses I (Raum A)
bildet während Periode II/II+ gleichzeitig die nord-
westliche Insulabegrenzung.
Die Tabernenarchitektur der Häuser I und II der
Insula XLI lässt sich grundsätzlich beispielsweise
mit jener der Insula XIV von Verulamium-St Albans
vergleichen168. Ein in diesem Bereich an der West-
front der Insula XLI situierter vorgelagerter ›Porti-
kusbereich‹, der auch für Aktivitäten in Zusammen-
hang mit den Räumen der Häuser I und II genutzt
worden sein könnte, ist anzunehmen, konnte durch
Befunde jedoch nicht nachgewiesen werden169.
Haus II (Abb. 3) war in Bauperiode II aus 0,5 römi-
schen Fuß breiten Fachwerkwänden über Schwell-
balken170 aufgeführt und mit Stampflehm-, Kies-
166 Groh 1996, 56. 223.
167 Groh 1996, 56. 223.
168 Mac Mahon 2005, 49 f. Abb. 4.2
169 Das Areal westlich der Häuser I und II ist im Zuge der Ausgra-
bungen lediglich westlich von Haus II im Bereich der Räume
G und I/1 freigelgt worden. Der für diese Bereiche vermerkte
»Straßenschotter« könnte wohl auch als begehbarer Stra-
ßenrand gedient haben. Vgl. Groh 1996, 220 (Schicht 57),
Plan 5.
170 Groh 1996, 152. oder Schotterböden versehen171. Der Bau von
rechteckigem Grundriss ist im Nordteil durch zwei
Trennmauerachsen in vier rechteckige bis annä-
hernd quadratische Räume (E, F, G, H) aufge-
teilt. Im Südteil ist die trennende Nord-Süd-Achse
leicht nach Osten versetzt. Der rechteckige Raum
J gewinnt dadurch gegenüber dem rechteckigen
Raum I/1 an Größe. Von den insgesamt sechs Räu-
men sind vier mit Feuerstellen versehen, die jeweils
unmittelbar an einer Trennwand oder zumindest
nahe an einer Trennwand positioniert sind172. Bei
sämtlichen Feuerstellen (Raum F: F13, Raum H:
F14, Raum J: F15, Raum I/1: F16) handelt es sich
um sog. Ziegelplattenherde173. Die beiden Frag-
mente von verziegeltem Lehmverputz Kat. 430 –
431
illustrieren die Konstruktion von Wänden aus Ruten-
geflecht und Lehmbewurf in Haus II. Bemerkens-
wert ist das aus dem östlichen Bereich von Raum
G stammende Verputzfragment Kat. 429, das viel-
leicht einen Fenster- oder Türrahmen oder ein ähn-
liches Architekturelement belegt (vgl. Kap. 11.1.2.7).
Die Verortung des Fragments innerhalb von Raum
G, abseits der westlichen Außenmauer von Haus
II, spricht vielleicht gegen eine Deutung in Zusam-
menhang mit einem Fenster. Andererseits belegen
Fragmente von Fensterscheiben (Kat. 683
– 684) die
Ausstattung von Haus II während Bauperiode II/II+
mit Fensterglas (vgl. Kap. 11.1.1).
Die Räume E und F waren miteinander durch eine
Tür verbunden (vgl. Kap. 10). Vielleicht dürfen wir
diese Räume deshalb als funktional zusammenge-
hörige Zweiraumgruppe interpretieren. Da weitere
Türstöcke und -schwellen in Haus II nicht nachge-
wiesen sind, muss offenbleiben, ob auch für die
Räume G und H sowie I/1 und J mit entsprechen-
den Verbindungen, die Zweiraumgruppen definieren
würden, oder weiteren Türen zwischen den Raum-
gruppen, die auf zusammengehörige Raumkom-
plexe hinweisen würden, zu rechnen ist. Der west-
liche Zugang von außen zu den Räumen E und G
zeichnet sich vielleicht etwa in der Mitte der jewei-
ligen Außenmauern durch einen bei beiden Räu-
men in vergleichbarer Lage positionierten größeren
Bruchstein ab174.
Südlich grenzt, lediglich durch einen schmalen,
unbebauten Streifen getrennt, Haus III an Haus II.
Die westlichen Begrenzungsmauern der Häuser I–
III bilden während Periode II/II+ die Westfront der
Insula XLI.
171 Groh 1996, 58.
172 Groh 1996, 58.
173 Groh 1996, 59. 61 f. Abb. 41. 44; Plan 5; Taf. 71.
174 Gemeint sind die größeren Steine in der Westfassade von
Haus II mit Nivellements von 267,37 (Raum E) und 267,38
(Raum G). Vgl. Groh 1996, Plan 5.
Ein Brandhorizont aus der Zeit der Markomannenkriege im südostnorischen Munizipium Flavia Solva
- Titel
- Ein Brandhorizont aus der Zeit der Markomannenkriege im südostnorischen Munizipium Flavia Solva
- Autor
- Christoph Hinker
- Verlag
- Österreichisches Archäologisches Institut
- Ort
- Wien
- Datum
- 2014
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-900305-70-3
- Abmessungen
- 21.0 x 29.7 cm
- Seiten
- 344
- Schlagwörter
- Flavia Solva, materielle Kultur, Artefakt (Archäologie), Brom, Glimmergruppe, Insula, Magerung, Thüringische Drehscheibenkeramik
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 7
- Einleitung 9
- 1 Lage 11
- 2 Historischer Kontext 15
- 3 Forschungsgeschichte 23
- 4 Forschungsmeinungen 27
- 5 Quellenkritik 31
- 6 Terminologie 35
- 7 Taphonomie 37
- 8 Exkurs: Korrespondierende Befunde im Munizipium Flavia Solva? 49
- 9 Die Architektur der Insula XLI (Haus I–VI) 51
- 10 Definition von Aktivitätszonen 57
- 10.1 Exkurs: Grube G21 66
- 10.2 Exkurs: Grube G32 72
- 11 Fundauswertung 77
- 12 Chronologie 153
- 13 Technologie und Werkstätten 157
- 14 Der Brandhorizont der Insula XLI im urbanen kultur-geschichtlichen Kontext von Flavia Solva 167
- 15 Brandzerstörungen aus der Zeit der Markomannenkriege in Noricum, Pannonien und Rätien 171
- 16 Diskussion: Ergebnisse und ihr Verhältnis zum historischen Kontext 179
- 16.1 Holzarchitektur 180
- 16.2 Schadensfeuer 180
- 16.3 Pompeji-Prämisse 180
- 16.4 Militaria 181
- 16.5 Menschliche Skelettreste 182
- 16.6 Übrige Funde, speziell Metallfunde 183
- 16.7 Bebauungsmuster der Insula XLI nach Periode II/II+ 184
- 16.8 Forschungsstand zu Flavia Solva 186
- 16.9 Die südostnorische Siedlungslandschaft und das Szenario eines Germaneneinfalls 186
- 16.10 Tradierung von Forschungsmeinungen versus kritischer Prüfung 187
- 16.11 Fragenkatalog und Synthese 187
- 17 Ausblick: Zur Frage der Historizität in der Provinzial- römischen Archäologie 189
- 18 Resümee 195
- 19 Katalog 199
- 20 Tafeln 263
- Tafeln 1 – 43 265
- Fototafeln 1–9 308
- Typentafel mit Tabellen 20 und 21 317
- 21 Anhang 321