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Ein Brandhorizont aus der Zeit der Markomannenkriege im südostnorischen Munizipium Flavia Solva
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58 Die im Folgenden für die Räume in verschiedenen Häusern der Insula XLI von Flavia Solva-Wagna angeführten funktionalen Deutungen erfolgten weit- gehend unter der Prämisse, dass es sich bei den mit den entsprechenden Räumlichkeiten verknüpften Funden um Artefakte handelt, die tatsächlich direkt mit Aktivitäten in diesen Hausbereichen verbunden werden dürfen. Diesem Gedanken folgend werden von Artefakten in Kombination mit den vorliegen- den Befunden idealisiert Aktivitäten für einen Raum erschlossen und Hinweise auf die primäre Funktion von Räumlichkeiten abgeleitet. In diesem Zusam- menhang wäre von der Forschung eine striktere Trennung zwischen Aktivitäten, wie beispielsweise Nahrungsmittelaufbereitung und/oder -konsumation oder verschiedener anderer handwerklicher Pro- duktionsprozesse, einerseits und Funktionen von Räumen, wie beispielsweise Küche oder Werkstatt, andererseits zu fordern. Neben dem Hinweis auf diese Grundannahme, dass Artefakte direkte Hinweise auf Aktivitäten und Funk- tionen ihres Auffindungsortes liefern würden, rela- tivierende taphonomische Prozesse (vgl. Kap. 7), ist anzumerken, dass darüber hinaus durchaus mit einer gewissen Mobilität der Kleinfunde und deren antiker Benutzer während Periode II/II+ bzw. unmit- telbar vor dem Brand um 170 n. Chr. zu rechnen ist, weshalb die Fundlage einzelner Fundstücke nicht zwingend deren originalem Aufbewahrungsort oder primären Nutzungskontext entsprechen muss. Die angesprochene Mobilität der Funde gilt sowohl für intakte Artefakte, die innerhalb eines Hauses der Insula XLI unmittelbar vor dem Brand an einem beliebigen Ort, der nicht mit dem Aufbewahrungsort und/oder primären Ort der Verwendung ident sein muss, deponiert worden sein konnten, als auch für unbrauchbar gewordene Artefakte, die vor einer endgültigen Entsorgung in Hausbereichen depo- niert worden sein könnten, die nicht den eigentli- chen Aufbewahrungs- und/oder Verwendungsorten dieser Artefakte entsprechen müssen. Eine andere Problematik besteht darin, dass schwer zu beurteilen ist, inwiefern Fragmente oder fragmentarisch erhaltene Artefakte als Repräsen- tativ für komplette Gegenstände betrachtet werden dürfen. Als Gradmesser kann lediglich der Erhal- tungszustand herangezogen werden. Während wir etwa für weitgehend erhaltene Gefäße davon ausgehen wollen, dass diese 1.) bis unmittelbar vor dem Brand einer Verwendung zugeführt wer- den konnten und dass diese Verwendung 2.) einem bestimmten Zweck gedient hat, der 3.) mit jenem Zweck ident ist, für den das jeweilige Artefakt nach formalen, herstellungstechnischen etc. Kriterien vorgesehen war, könnte es sich bei vereinzelten Fragmenten von Artefakten sowohl um Indizien für aufgegebene oder ungleich 3. wiederverwendete als auch bis vor dem Brand gemäß 1.–3. benutze Artefakte handeln197. Aufgrund der Fundarmut von Haus I (Abb. 3) wäh- rend Periode II/II+ ist eine funktionale Deutung der Räume schwierig. Die Installation von Feuerstel- len in den Räumen C und D erlaubt vielleicht eine Interpretation als Küchen, Werkstätten oder Wohn- räume. Vom Ausgräber S. Groh wurden nach der Fundver- gesellschaftung Räume in Haus II (Abb. 3) funktio- nal interpretiert. Raum E (Inventar: Abb. 14) wurde »als Küche oder Vorratsraum […] vielleicht als Taverne […]« ange- sprochen198. Gegen eine Interpretation als Küche spricht, dass in Raum E kein Herd nachgewiesen ist. Zudem dürfte es sich bei den beiden als Eisen- messer angesprochenen Fragmenten199 Kat. 451 und Kat. 452 eher um Truhen- oder Türbeschläge handeln (vgl. Kap. 11.1.3.3). Das Keramikgeschirr- spektrum weist dagegen durchaus auf Nahrungs- mittelzubereitung hin. Mit der Dreifußschüssel Kat. 5 und den weiteren Schüsseln Kat. 20 und 26 liegen mehrere Gefäße vor, die wahrschein- lich primär als Kochgeschirr anzusprechen sind. Hinweise auf Vorratshaltung liegen vielleicht mit dem großen Topf Kat. 131, dem Topf Kat. 293 und dem Krug Kat. 49 vor. Bei den Töpfen Kat. 92 und 96 könnte es sich sowohl um Koch- als auch um Vorratsgeschirr handeln. Tafelgeschirr ist durch den Becher Kat. 57, die Teller Kat. 266 und 337 sowie die Schüsseln Kat. 355, 409 und 417 nach- gewiesen. Die Belege pflanzlicher (Rispenhirse, vgl. Kap. 11.2.3) sowie tierischer Nahrungsmittel (Kat. 617. 665) sprechen dafür, dass in Raum E Nahrungsmittel aufbereitet und/oder gelagert und vermutlich verzehrt worden waren. Neben dem vermutlich von einem Rind stammenden Rippen- fragment mit deutlicher Hackspur liegen 64 g an weiteren Tierresten aus Raum E vor. Darunter sind Knochen von Rind, Schwein, Kleinwiederkäuer sowie Hahn (bzw. Huhn [?]) nachweisbar. Die Evidenz der Funde unter Berücksichtigung des Fehlens eines Herdes und den eher wenigen Res- ten von mit einiger Wahrscheinlichkeit als Kochge- schirr zu deutenden Keramiken spricht eher für eine funktionale Interpretation des Raumes E als Speise- und/oder Vorratsraum. Falls diese Deutung der pri- mären Funktion des Raumes zur Vorratshaltung korrekt ist, wäre zu überlegen, ob es sich bei Töp- fen der Form Schörg. 361 auch um Vorratsgefäße handeln könnte. Immerhin liegen drei Typvertreter (Kat. 150. 152. 156) aus Raum E vor. Im Zusam- 197 Weiterführend zu kulturellen Formationsprozessen: Schiffer 1996, 25  –  98. 198 Groh 1996, 64. 199 Groh 1996, 62.
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Ein Brandhorizont aus der Zeit der Markomannenkriege im südostnorischen Munizipium Flavia Solva
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Titel
Ein Brandhorizont aus der Zeit der Markomannenkriege im südostnorischen Munizipium Flavia Solva
Autor
Christoph Hinker
Verlag
Österreichisches Archäologisches Institut
Ort
Wien
Datum
2014
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-ND 3.0
ISBN
978-3-900305-70-3
Abmessungen
21.0 x 29.7 cm
Seiten
344
Schlagwörter
Flavia Solva, materielle Kultur, Artefakt (Archäologie), Brom, Glimmergruppe, Insula, Magerung, Thüringische Drehscheibenkeramik
Kategorien
Geschichte Historische Aufzeichnungen

Inhaltsverzeichnis

  1. Vorwort 7
  2. Einleitung 9
  3. 1 Lage 11
  4. 2 Historischer Kontext 15
    1. 2.1 Die Markomannenkriege und der germanische Einfall in Italien 16
    2. 2.2 Die antoninische Pest 21
  5. 3 Forschungsgeschichte 23
  6. 4 Forschungsmeinungen 27
  7. 5 Quellenkritik 31
  8. 6 Terminologie 35
  9. 7 Taphonomie 37
    1. 7.1 Befunde 38
    2. 7.2 Funde 43
    3. 7.3 Resümee 45
    4. 7.4 Exkurs: ›Pompeji-Prämisse‹ in Flavia Solva? 45
  10. 8 Exkurs: Korrespondierende Befunde im Munizipium Flavia Solva? 49
  11. 9 Die Architektur der Insula XLI (Haus I–VI) 51
  12. 10 Definition von Aktivitätszonen 57
  13. 10.1 Exkurs: Grube G21 66
  14. 10.2 Exkurs: Grube G32 72
  15. 11 Fundauswertung 77
    1. 11.1 Anorganisches Fundmaterial 78
      1. 11.1.1 Glas 78
      2. 11.1.2 Keramik 79
      3. 11.1.3 Metall 120
      4. 11.1.4 Schlacke 130
      5. 11.1.5 Stein 130
    2. 11.2 Organisches Fundmaterial 130
      1. 11.2.1 Archäozoologische Beurteilung der Tierreste 130
      2. 11.2.2 Bein- und Hornartefakte 142
      3. 11.2.3 Archäobotanik 148
  16. 12 Chronologie 153
  17. 13 Technologie und Werkstätten 157
    1. 13.1 Bein- und Hornverarbeitung 159
      1. 13.1.1 Rohstoffe 159
      2. 13.1.2 Produktionskette 160
    2. 13.2 Buntmetallverarbeitung 165
    3. 13.3 Textilproduktion 166
  18. 14 Der Brandhorizont der Insula XLI im urbanen kultur-geschichtlichen Kontext von Flavia Solva 167
  19. 15 Brandzerstörungen aus der Zeit der Markomannenkriege in Noricum, Pannonien und Rätien 171
  20. 16 Diskussion: Ergebnisse und ihr Verhältnis zum historischen Kontext 179
    1. 16.1 Holzarchitektur 180
    2. 16.2 Schadensfeuer 180
    3. 16.3 Pompeji-Prämisse 180
    4. 16.4 Militaria 181
    5. 16.5 Menschliche Skelettreste 182
    6. 16.6 Übrige Funde, speziell Metallfunde 183
    7. 16.7 Bebauungsmuster der Insula XLI nach Periode II/II+ 184
    8. 16.8 Forschungsstand zu Flavia Solva 186
    9. 16.9 Die südostnorische Siedlungslandschaft und das Szenario eines Germaneneinfalls 186
    10. 16.10 Tradierung von Forschungsmeinungen versus kritischer Prüfung 187
    11. 16.11 Fragenkatalog und Synthese 187
  21. 17 Ausblick: Zur Frage der Historizität in der Provinzial- römischen Archäologie 189
  22. 18 Resümee 195
    1. 18.1 Resümee 196
    2. 18.2 Summary 196
  23. 19 Katalog 199
    1. 19.1 Anorganisches Fundmaterial (Kat. 1 – 506) 201
      1. 19.1.1 Glas (Kat. 1 – 3) 201
      2. 19.1.2 Keramik (Kat. 4 – 432) 201
      3. 19.1.3 Metall (Kat. 433 – 499) 238
      4. 19.1.4 Schlacke (Kat. 500 – 504) 243
      5. 19.1.5 Stein (Kat. 505 – 506) 243
    2. 19.2 Organisches Fundmaterial (Kat. 507 – 622) 243
      1. 19.2.1 Bein- und Hornartefakte (Kat. 507 – 623) 243
    3. 19.3 Signifikante Fundstücke ohne Abbildung 252
      1. 19.3.1 Anorganisches Fundmaterial (Kat. 624 – 664) 252
      2. 19.3.2 Organisches Fundmaterial (Kat. 665 – 679) 254
    4. 19.4 Fundstücke von geringerer Signifikanz (ohne Abbildung) 255
      1. 19.4.1 Anorganisches Fundmaterial (Kat. 680 – 822) 255
  24. 20 Tafeln 263
  25. Tafeln 1 – 43 265
  26. Fototafeln 1–9 308
  27. Typentafel mit Tabellen 20 und 21 317
  28. 21 Anhang 321
    1. 21.1 Abkürzungen 322
    2. 21.2 Abgekürzte Typenansprache und Zitierwerke 322
    3. 21.3 Verzeichnis der abgekürzt zitierten Literatur 323
    4. 21.4 Abbildungsnachweise 341
    5. 21.5 Anschriften der Verfasser 341
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