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wahrscheinlich einer Reibschüssel zuzurechnende
Bodenfragment Kat. 244 und die Tierknochen
mit Schnitt- und Hackspur Kat. 612, 615 (und 666
[?]) dürfen wohl ebenso mit der Aufbereitung oder
dem Konsum von Nahrungsmitteln in Zusammen-
hang gebracht werden. An weiteren Tierresten lie-
gen Nachweise von Kleinwiederkäuer, Pferd, Rind
und Schwein vor. Inwiefern wir von einem Verzehr
von Pferdefleisch, insbesondere durch weniger an
römisch-mediterranen Ernährungsgewohnheiten
orientierten Bevölkerungsschichten ausgehen dür-
fen, ist derzeit nicht zu klären.
Mit den Fragmenten Kat. 74 – 75 liegen immerhin
zwei Töpfe vor, die wahrscheinlich als Vorratsgefäße
anzusprechen sind. Die Becher Kat. 207, 209, 222,
228, 765 – 767, die Schüsseln Kat. 247, 347 – 348,
350, 357 und die Teller Kat. 271, 333, 335, 806 wei-
sen darauf hin, dass in Raum G auch eine größere
Menge Tafelgeschirr aufbewahrt und/oder benutzt
wurde. Der Krug Kat. 51 könnte sowohl dem Tafel-
als auch dem Vorratsgeschirr zuzurechnen sein.
Es erscheint naheliegend, dass für Raum G vorlie-
gende Gefäßkeramikspektrum mit den benachbar-
ten Räumen H und/oder I/1 in Zusammenhang zu
bringen. Diese können wegen der Installationen
der Feuerstellen F14 und F16 und des jeweiligen
Fundspektrums als Küchen gedeutet werden.
Ein als möglicher Wasserbehälter angesprochener
Topf am südöstlichen Grubenrand (Grube G23)
konnte im Fundmaterial nicht identifiziert werden200.
Das Graffito auf dem Deckelfragment Kat. 312 ist
nicht eindeutig auf eine Besitzerinschrift zu bezie-
hen, weshalb offenbleiben muss, ob dieses Schrift-
zeugnis näher mit den Bewohnern von Haus II
oder einem/einer Besitzer/in des aus Raum G vor-
liegenden ›Geschirrinventars‹ in Zusammenhang
gebracht werden darf.
Auffallend ist, dass aus Raum G eine größere
Anzahl an Keramiken vorliegt, die starke sekundäre
Brandspuren, die durch ausgeglühte und defor-
mierte Gefäßpartien gekennzeichnet sind, aufwei-
sen. Während diese Spuren an den Gusstiegeln
Kat. 421 – 422 auch auf den Verwendungszweck
oder Gebrauch als technische Keramik zurückzu-
führen sein können, illustrieren die Dreifußschüssel
Kat. 31, der Topf Kat. 94 und die Schüssel Kat. 247
die starke Hitzeeinwirkung, der diese Gefäße aus-
gesetzt gewesen sein mussten.
Die aus Raum G vorliegenden Nägel Kat. 478, 482,
489 dürfen wohl in erster Linie mit der angewandten
Holzbautechnik in Zusammenhang gebracht werden.
Raum H ist vor allem wegen der Feuerstelle F14
wohl als Küche und Speiseraum zu deuten. An
Tafelgeschirr liegen zumindest zwei Teller (Kat. 332.
200 Groh 1996, 64 Plan 5. Der Topf ist in der Grabungsdokumen-
tation ohne Angabe einer FNr. verzeichnet. 635) vor. Lediglich 16 g Tierreste stammen von
Kleinwiederkäuern, Rind und Schwein.
Der Schleif- oder Wetzstein Kat. 505 darf nach den
Fundortangaben wohl dem Raum F oder H zugewie-
sen werden und deutet damit – falls die funktionale
Interpretation der Räumlichkeiten korrekt ist – an,
dass mit entsprechenden Schleifsteinen nicht nur
in Werkstätten, sondern auch in Küchen zu rechnen
ist, etwa zum Schleifen von Küchenmessern.
Raum I/1 (Inventar: Abb. 17) dürfte nach Ausweis
der Feuerstelle F16 sowie dem Keramikgeschirr-
spektrum, dem Fragment eines Eisenmessers
(Kat. 444) sowie einem weiteren Eisenmesser
(Kat. 653) und Nahrungsresten (vor allem Saat-
weizen, vgl. Kap. 11.2.3) als Küche und Speise-
raum anzusprechen sein. Den Typvertreter Schörg.
429 Kat. 73 würde ich in diesem Zusammenhang
als Vorratsgefäß, die Töpfe Kat. 102, 106 und 144
sowie den Deckel Kat. 174 als Kochgeschirr anspre-
chen. Tafelgeschirr liegt sowohl als Terra Sigillata
der Formen Drag. 18/31 (Kat. 331. 807) und Drag.
37 (Kat. 354. 358) als auch aus anderen Feinkera-
miken (Kat. 204. 234 – 235. 240. 242. 253. 255. 261.
278 – 279. 792) vor. Dem Spektrum ist als Vorrats-
und/oder Tafelgeschirr auch ein Krug aus autoch-
thoner Gefäßkeramik (Kat. 695) zuzurechnen. Bei
dem singulären Nachweis eines Zahlungsmittels in
Form eines As des Hadrian (Mü 27) könnte es sich
um einen Verlustfund handeln. Für eine multifunk-
tionale Nutzung des Raumes spricht vielleicht das
Fragment eines Löffelbohrers Kat. 445, das funkti-
onal wohl primär der Holzbearbeitung zugerechnet
werden darf (vgl. Kap. 11.1.3.3; 13). Zwei Eisennägel
(Kat. 465. 475) dürften entweder der Fachwerkarchi-
tektur oder einem (freilich nicht erhaltenen) Mobiliar
zuzurechnen sein. Die geringen Mengen an Schla-
cke (Kat. 501 sowie Kat. 660), die aus Raum I/1 vor-
liegen, müssen nicht zwingend mit metallurgischen
Tätigkeiten in diesem Raum zusammenhängen.
Die mir nicht vorliegenden, lediglich unter 19.3.2
als »bearbeitete Knochen« verzeichneten Artefakte
Kat. 667 erlauben keine Präzisierung einer Aktivi-
tätszone als Küche oder Werkstatt. Abgesehen
von diesen Knochen sind 135 g an Tierresten aus
Raum I/1 vorhanden (vgl. Kap. 11.2.1). Falls diese
Tierreste tatsächlich funktional mit der favorisierten
Interpretation des Raumes, primär als Küche und
Speiseraum, in Zusammenhang gebracht werden
dürfen, wäre die Verarbeitung und Konsumation von
Kleinwiederkäuern (u. a. Schaf), Pferd (?), Schwein
und vielleicht Wild (Reh [?]) in Betracht zu ziehen.
Raum J (Inventar: Abb. 18) ist durch das Keramik-
geschirrspektrum und die Installation der Feuerstelle
F15 ebenfalls wohl als Küche und Speiseraum zu
deuten. Der Topf Kat. 135 darf vermutlich als Koch-
topf angesprochen werden. Das Wandfragment
Ein Brandhorizont aus der Zeit der Markomannenkriege im südostnorischen Munizipium Flavia Solva
- Titel
- Ein Brandhorizont aus der Zeit der Markomannenkriege im südostnorischen Munizipium Flavia Solva
- Autor
- Christoph Hinker
- Verlag
- Österreichisches Archäologisches Institut
- Ort
- Wien
- Datum
- 2014
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-900305-70-3
- Abmessungen
- 21.0 x 29.7 cm
- Seiten
- 344
- Schlagwörter
- Flavia Solva, materielle Kultur, Artefakt (Archäologie), Brom, Glimmergruppe, Insula, Magerung, Thüringische Drehscheibenkeramik
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 7
- Einleitung 9
- 1 Lage 11
- 2 Historischer Kontext 15
- 3 Forschungsgeschichte 23
- 4 Forschungsmeinungen 27
- 5 Quellenkritik 31
- 6 Terminologie 35
- 7 Taphonomie 37
- 8 Exkurs: Korrespondierende Befunde im Munizipium Flavia Solva? 49
- 9 Die Architektur der Insula XLI (Haus I–VI) 51
- 10 Definition von Aktivitätszonen 57
- 10.1 Exkurs: Grube G21 66
- 10.2 Exkurs: Grube G32 72
- 11 Fundauswertung 77
- 12 Chronologie 153
- 13 Technologie und Werkstätten 157
- 14 Der Brandhorizont der Insula XLI im urbanen kultur-geschichtlichen Kontext von Flavia Solva 167
- 15 Brandzerstörungen aus der Zeit der Markomannenkriege in Noricum, Pannonien und Rätien 171
- 16 Diskussion: Ergebnisse und ihr Verhältnis zum historischen Kontext 179
- 16.1 Holzarchitektur 180
- 16.2 Schadensfeuer 180
- 16.3 Pompeji-Prämisse 180
- 16.4 Militaria 181
- 16.5 Menschliche Skelettreste 182
- 16.6 Übrige Funde, speziell Metallfunde 183
- 16.7 Bebauungsmuster der Insula XLI nach Periode II/II+ 184
- 16.8 Forschungsstand zu Flavia Solva 186
- 16.9 Die südostnorische Siedlungslandschaft und das Szenario eines Germaneneinfalls 186
- 16.10 Tradierung von Forschungsmeinungen versus kritischer Prüfung 187
- 16.11 Fragenkatalog und Synthese 187
- 17 Ausblick: Zur Frage der Historizität in der Provinzial- römischen Archäologie 189
- 18 Resümee 195
- 19 Katalog 199
- 20 Tafeln 263
- Tafeln 1 – 43 265
- Fototafeln 1–9 308
- Typentafel mit Tabellen 20 und 21 317
- 21 Anhang 321