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raum beschränkt (+/- 20/30 Jahre), um einen eini-
germaßen sicheren chronologischen Rahmen zu
bilden, innerhalb dessen Grenzen für Flavia Solva-
Wagna sehr wahrscheinlich mit einer Produktion
oder zumindest mit der Verwendung entsprechen-
der Keramikgefäße gerechnet werden muss. Als
Mindestlaufzeit für die definierten Typen wird des-
halb die zweite Hälfte des 2. Jahr hunderts n. Chr.
vorgeschlagen. Formal mehr oder weniger enge
Analogien (Typvertreter) zu den definierten Typen,
die aus datierten Fundzusammenhängen vor allem
im Stadtterritorium von Flavia Solva-Wagna stam-
men, legen nahe, dass sich Laufzeiten dieser oder
zumindest formal ähnlicher Keramikprodukte deut-
lich über den definierten Mindestzeitrahmen hinaus
erstrecken können (Tab. 20
– 21).
Da die vorliegende Typologie mit Fundmaterial aus
Flavia Solva-Wagna erarbeitet wurde und damit
wohl primär für Funde aus dem Munizipium Gül-
tigkeit besitzt, wurde davon abgesehen, Typen-
bezeichnungen, die nach Fundmaterial anderer
Fundorte (z. B. Kalsdorf243) generiert wurden, auf
das vorliegende Fundmaterial anzuwenden. Die
Verwendung der Bezeichnungen Form Schörg.
361 und Form Schörg. 429 stellt insofern keine
Ausnahme dar, als diese nach (nahezu) komplett
erhaltenen Typvertretern aus Flavia Solva-Wagna
generiert wurden244. Es ist auch in diesem Zusam-
menhang nicht einzusehen, wieso etablierte, nach
vollständig erhaltenen Gefäßen generierte Typen-
bezeichnungen zu Gunsten von Typen, zu deren
Bildung lediglich fragmentierte Fundstücke heran-
gezogen wurden, aufgegeben werden sollten245.
Auf Entsprechungen zu Typenbezeichnungen
anderer Fundorte und mögliche ›Ab- oder Anglei-
chungen‹ wird freilich in den jeweiligen Textab-
schnitten, die sich auf einzelne Typen beziehen,
hingewiesen. Die dem jeweiligen Typ zugewiese-
nen Typvertreter deuten die Bandbreite der for-
malen Variabilität des jeweiligen Typs an. Da eine
gegenseitige, mehr oder weniger kontemporäre
Beeinflussung südostnorischer Töpfereien zwar
plausibel ist, aber nicht festzustellen ist, inwiefern
sich deren Produktionszeiten sowie die Laufzeiten
ihrer Produkte decken, und außerdem nicht gesi-
chert ist, ob beispielsweise in Flavia Solva-Wagna
aufgefundene Keramiken dort oder beispielsweise
in einem der Vici produziert wurden, kann die erar-
beitete chronologische Übersicht (Tab. 20 – 21)
lediglich einen bedingt gültigen Eindruck von der
243 Pammer-Hudeczek 2009, 358 – 381.
244 Schörgendorfer 1942, 40 Taf. 28, 361; 48 Taf. 34, 429.
245 Dass die Monografie von A. Schörgendorfer in Details veraltet
ist, weshalb sich die Benutzung im vorliegenden Zusammen-
hang auch auf die Übernahme eines ›type labels‹ beschränkt,
mag genauso zutreffen, wie für die Arbeiten von O. Almgren
oder H. Dragendorff, deren typologische Ordnungsschemata
nach wie vor in Verwendung sind. vorgeschlagenen Mindestlaufzeit einzelner Typen
aus der Periode II/II+ der Insula XLI von Flavia
Solva-Wagna (dunkelgraue und rote Signatur) im
Verhältnis zu ergänzend herangezogenen datierten
weiteren Nachweisen aus dem Munizipium (hell-
graue Signatur), seinem Stadtterritorium (Schraf-
fursignatur) und anderen Regionen (Punktsignatur)
geben. Die kombinierte Betrachtung aller Einträge
in der chronologischen Übersicht liefert schließlich
einen Überblick zur zeitlichen und chorologischen
Einordnung der Typen, der auf den derzeitig vorlie-
genden datierbaren Befunden, aus denen Typver-
treter stammen, beruht. Nach dem zur Erstellung
dieser chronologischen Übersicht herangezogenen
Material aus der Insula XLI, Periode II/II+ kann der
Überblick primär für das als südostnorisch zu klas-
sifizierende Formenspektrum vorwiegend autoch-
thoner Gefäßkeramik Gültigkeit besitzen.
11.1.2.2 Grobe Gefäßkeramik vorwiegend
autochthoner Provenienz
Aus der Periode II/II+ der Insula XLI liegen mindes-
tens 199 Gefäße (Kat. 4 – 201. 624) grober Gefäß-
keramik, vorwiegend autochthoner Provenienz, vor.
Darüber hinaus wurden weniger signifikante Kera-
mikscherben, die von einer lediglich annähernd zu
schätzenden Zahl an Gefäßen (Kat. 685 – 763) aus
grober Keramik stammen, summarisch im Katalog-
teil der Publikation erfasst (vgl. Kap. 19.4).
Der Herstellungsprozess grober Gefäßkeramik
während der zweiten Hälfte des 2. Jahr
hunderts n.
Chr. lässt sich nach den vorliegenden Funden
einigermaßen rekonstruieren und zeigt ein relativ
homogenes Bild. Die Reihenfolge der Erläuterun-
gen orientiert sich am Produktionsablauf, der nach
Voraussetzungen der Rohmaterialgewinnung und
-aufbereitung sowie fertigungstechnischen Krite-
rien nachzuzeichnen ist. Das abgeleitete einheitli-
che Bild spricht dafür, dass es sich bei vorliegenden
Keramiken vorwiegend entweder um Produkte einer
Töpferei oder um Produkte verschiedener Töpfe-
reien, die vorwiegend dieselben Rohstoffe aus den-
selben Lagerstätten verwendeten und die gleichen
Herstellungstechniken einsetzten, handelt. Über die
Organisation dieser wohl in Flavia Solva-Wagna
ansässigen Töpferei(en) und ihre Beziehungen zu
möglichen weiteren Betrieben in den Vici im Stadt-
territorium können lediglich Vermutungen ange-
stellt werden. Die zahlreichen Parallelen zu Typen
der groben Gefäßkeramik aus der Insula XLI, die
in den Vici von Gleisdorf, Kalsdorf und Saaz iden-
tifiziert werden konnten, sprechen vielleicht – lokale
Betriebe in diesen Siedlungen vorausgesetzt – für
gewisse Kontakte zwischen diesen Töpfereien und
jener/jenen von Flavia Solva-Wagna, die sich in for-
malen Ähnlichkeiten und Überschneidungen des
Produktspektrums manifestieren. Der Transfer von
Ideen und Technologien oder Handwerkstraditionen
Ein Brandhorizont aus der Zeit der Markomannenkriege im südostnorischen Munizipium Flavia Solva
- Titel
- Ein Brandhorizont aus der Zeit der Markomannenkriege im südostnorischen Munizipium Flavia Solva
- Autor
- Christoph Hinker
- Verlag
- Österreichisches Archäologisches Institut
- Ort
- Wien
- Datum
- 2014
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-900305-70-3
- Abmessungen
- 21.0 x 29.7 cm
- Seiten
- 344
- Schlagwörter
- Flavia Solva, materielle Kultur, Artefakt (Archäologie), Brom, Glimmergruppe, Insula, Magerung, Thüringische Drehscheibenkeramik
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 7
- Einleitung 9
- 1 Lage 11
- 2 Historischer Kontext 15
- 3 Forschungsgeschichte 23
- 4 Forschungsmeinungen 27
- 5 Quellenkritik 31
- 6 Terminologie 35
- 7 Taphonomie 37
- 8 Exkurs: Korrespondierende Befunde im Munizipium Flavia Solva? 49
- 9 Die Architektur der Insula XLI (Haus I–VI) 51
- 10 Definition von Aktivitätszonen 57
- 10.1 Exkurs: Grube G21 66
- 10.2 Exkurs: Grube G32 72
- 11 Fundauswertung 77
- 12 Chronologie 153
- 13 Technologie und Werkstätten 157
- 14 Der Brandhorizont der Insula XLI im urbanen kultur-geschichtlichen Kontext von Flavia Solva 167
- 15 Brandzerstörungen aus der Zeit der Markomannenkriege in Noricum, Pannonien und Rätien 171
- 16 Diskussion: Ergebnisse und ihr Verhältnis zum historischen Kontext 179
- 16.1 Holzarchitektur 180
- 16.2 Schadensfeuer 180
- 16.3 Pompeji-Prämisse 180
- 16.4 Militaria 181
- 16.5 Menschliche Skelettreste 182
- 16.6 Übrige Funde, speziell Metallfunde 183
- 16.7 Bebauungsmuster der Insula XLI nach Periode II/II+ 184
- 16.8 Forschungsstand zu Flavia Solva 186
- 16.9 Die südostnorische Siedlungslandschaft und das Szenario eines Germaneneinfalls 186
- 16.10 Tradierung von Forschungsmeinungen versus kritischer Prüfung 187
- 16.11 Fragenkatalog und Synthese 187
- 17 Ausblick: Zur Frage der Historizität in der Provinzial- römischen Archäologie 189
- 18 Resümee 195
- 19 Katalog 199
- 20 Tafeln 263
- Tafeln 1 – 43 265
- Fototafeln 1–9 308
- Typentafel mit Tabellen 20 und 21 317
- 21 Anhang 321