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muss dabei nicht zwingend vom Munizipium in die
Vici ausgegangen, sondern könnte auch vice versa
aus dem ländlichen Milieu nach Flavia Solva-Wagna
erfolgt sein. Befunde aus den Vici von Gleisdorf246
und Kalsdorf 247 sprechen für eine lokale Produk-
tion grober Gefäßkeramik in diesen Siedlungen.
Die Produktion grober Gefäßkeramik zur Deckung
des lokalen Bedarfs darf wohl für eine Stadt von der
Größe von Flavia Solva-Wagna während der zwei-
ten Hälfte des 2. Jahr
hunderts n. Chr. vorausgesetzt
werden. Abgesehen von fraglichen Interpretationen
älterer Grabungsbefunde (»Haus des Töpfers«)248
liegen jedoch bislang keine konkreten Hinweise auf
Töpfereien für das Munizipium vor.
Von welchen Lagerstätten die Rohstoffe zur Herstel-
lung der vorliegenden Keramikprodukte stammen,
ist unbekannt. Die Keramik weist in der Regel eine
wenig signifikante Zusammensetzung auf. Gewöhn-
lich sind Calcit-, Glimmer- und Quarzpartikel nach-
weisbar. Bezüglich Dichte und Körnung der Partikel
lassen sich lediglich geringe Unterschiede feststel-
len, die kaum eine Isolierung spezifischer Fabri-
kate nach diesen Kriterien rechtfertigen. In diesem
Zusammenhang ist auch darauf hinzuweisen, dass
unklar ist, inwiefern es sich beispielsweise bei dem
festzustellenden Glimmer um eine Magerung oder
mit dieser zugeführte Bestandteile oder vielmehr um
natürlich vorkommende Einschlüsse handelt. Die
festzustellende Magerung mit Quarz(sand) diente
wohl primär dazu, die Bildung von Rissen und das
Bersten von Gefäßen während des Brandes im
Töpferofen zu vermeiden. Die Bandbreite bezüglich
246 Maier 1995, 28 Taf. 6, 10.
247 Hinker 2003, 18 Anm. 16.
248 Schmid 1912, 40 – 42 Abb. 37 – 39; 45 f. Vielleicht handelt es
sich nicht um einen Töpferofen, sondern um ein thermopoli-
um. Dichte und Korngröße der Magerungspartikel inner-
halb der definierten Standard- und Sonderfabrikate
(s. u.) wird auf den Fototafeln 4 – 5 illustriert.
An den vorliegenden groben Keramikgefäßen las-
sen sich verschiedene Herstellungsmethoden für
den Gefäßaufbau beobachten. Die Gefäße können
scheibengedreht oder vorwiegend ohne Einsatz der
Töpferscheibe handaufgebaut und im Boden- und
Mündungsbereich lediglich nachgedreht sein (Dia-
gramm Abb. 25). Die mengenmäßige Verteilung
zeigt ein relativ ausgewogenes Bild zwischen schei-
bengedrehten und nachgedrehten Produkten. An
freihandgeformten, d. h. ohne Einsatz der Töpfer-
scheibe gefertigten Gefäßen liegt lediglich ein (frag-
liches) Exemplar im Fundmaterial vor (Kat. 173).
Die gewählte Technik dürfte pragmatischen Kriterien
folgen und in Zusammenhang mit der Gefäßgröße
zu sehen sein. Größere Gefäße weisen tendenziell
eher nachgedrehte Boden- und Mündungsbereiche
auf. Freilich müssen sich diese Beobachtungen am
Erhaltungszustand orientieren. Nachgedrehte Mün-
dungsfragmente erlauben keine weiteren Aussagen
über die zur Herstellung des übrigen (fehlenden)
Gefäßkörpers eingesetzten Techniken (komplett
nachgedreht oder lediglich nachgedrehter Boden-
bereich). Insofern stellt der freihandgeformte Topf-
boden Kat. 173 keinen sicheren Beleg für ein frei-
handgeformtes Gefäß dar. Generell erscheint die
Beschaffenheit von Ton und Magerung sog. grober
Gefäßkeramik für eine Verarbeitung auf der schnell
rotierenden Töpferscheibe wenig geeignet.
Einige Gefäße (Kat. 41 – 42. 59. 100) weisen an
den Innenseiten Abdrücke auf, die nicht als hori-
zontale Drehrillen (von einem Einsatz der Töpfer-
scheibe) oder horizontale oder vertikale Fingerrillen
(von einem Gefäßaufbau ohne Einsatz der Töpfer-
scheibe) stammen. Es könnte sich dabei um Spuren
des ›Verstreichens‹ von Fingerrillen oder ›Nähten‹
25 Grobe Gefäßkeramik vorwiegend autochthoner Provenienz. Herstellungstechnik
52,5%
47% 0,5%
scheibengedreht (103)
nachgedreht (92)
freihandgeformt (1)
10,1%
75,3%
1,5%
0,5% 10,6% 2%
FI (20) FII (149)
FII.1 (3) FII.2 (1)
FI/II (21) n.n.b. (4)
Töpfe (77)
Töpfe Schörg. 429 (14)
Schüsseln (27)
Deckel (29)
Krug (5)
Becher (3)
Kanne (1)
49,4%
17,3%
18,6% 3,2% 1,9% 0,6%
Ein Brandhorizont aus der Zeit der Markomannenkriege im südostnorischen Munizipium Flavia Solva
- Titel
- Ein Brandhorizont aus der Zeit der Markomannenkriege im südostnorischen Munizipium Flavia Solva
- Autor
- Christoph Hinker
- Verlag
- Österreichisches Archäologisches Institut
- Ort
- Wien
- Datum
- 2014
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-900305-70-3
- Abmessungen
- 21.0 x 29.7 cm
- Seiten
- 344
- Schlagwörter
- Flavia Solva, materielle Kultur, Artefakt (Archäologie), Brom, Glimmergruppe, Insula, Magerung, Thüringische Drehscheibenkeramik
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 7
- Einleitung 9
- 1 Lage 11
- 2 Historischer Kontext 15
- 3 Forschungsgeschichte 23
- 4 Forschungsmeinungen 27
- 5 Quellenkritik 31
- 6 Terminologie 35
- 7 Taphonomie 37
- 8 Exkurs: Korrespondierende Befunde im Munizipium Flavia Solva? 49
- 9 Die Architektur der Insula XLI (Haus I–VI) 51
- 10 Definition von Aktivitätszonen 57
- 10.1 Exkurs: Grube G21 66
- 10.2 Exkurs: Grube G32 72
- 11 Fundauswertung 77
- 12 Chronologie 153
- 13 Technologie und Werkstätten 157
- 14 Der Brandhorizont der Insula XLI im urbanen kultur-geschichtlichen Kontext von Flavia Solva 167
- 15 Brandzerstörungen aus der Zeit der Markomannenkriege in Noricum, Pannonien und Rätien 171
- 16 Diskussion: Ergebnisse und ihr Verhältnis zum historischen Kontext 179
- 16.1 Holzarchitektur 180
- 16.2 Schadensfeuer 180
- 16.3 Pompeji-Prämisse 180
- 16.4 Militaria 181
- 16.5 Menschliche Skelettreste 182
- 16.6 Übrige Funde, speziell Metallfunde 183
- 16.7 Bebauungsmuster der Insula XLI nach Periode II/II+ 184
- 16.8 Forschungsstand zu Flavia Solva 186
- 16.9 Die südostnorische Siedlungslandschaft und das Szenario eines Germaneneinfalls 186
- 16.10 Tradierung von Forschungsmeinungen versus kritischer Prüfung 187
- 16.11 Fragenkatalog und Synthese 187
- 17 Ausblick: Zur Frage der Historizität in der Provinzial- römischen Archäologie 189
- 18 Resümee 195
- 19 Katalog 199
- 20 Tafeln 263
- Tafeln 1 – 43 265
- Fototafeln 1–9 308
- Typentafel mit Tabellen 20 und 21 317
- 21 Anhang 321