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worden sein, um ein Bersten des Gefäßes zu ver-
meiden. Eine Kat. 130 vergleichbarer Keramik-
scherbe liegt aus dem Vicus von Gleisdorf vor250.
Während für das Sonderfabrikat II.1 wegen der
thermischen Eigenschaften der Calcitmagerung,
die eine Kontrolle der Brenntemperatur bedingt,
eher das Brennen in einem Töpferofen in Frage
kommt, könnte das Sonderfabrikat II.2 auch durch
einen Gruben- oder Scheiterhaufenbrand erzeugt
worden sein, wofür auch die wohl geringere Brenn-
temperatur spricht. Der lediglich seltene Nachweis
des Sonderfabrikats II.2 in Flavia Solva-Wagna und
Gleisdorf mag vielleicht andeuten, dass es sich
um Produkte technologisch weniger spezialisierter,
noch nicht lokalisierter, vielleicht ruraler Töpfer(eien)
handelt, deren Erzeugnisse lediglich vereinzelt in
den Vicus von Gleisdorf und das Munizipium Flavia
Solva-Wagna gelangten.
Selten nachweisbarer sog. Mischbrand (Fabrikat I/ II)
ist durch einen Scherben gekennzeichnet, dessen
Bruch abwechselnd die entsprechende Färbung
oxidierender und reduzierender Brennatmosphäre
aufweist. Die Ursachen dafür müssen nicht in der
Anwendung einer speziellen mehrstufigen Brenn-
technik zu suchen sein. Falls reduzierend gebrannte
Keramiken nach dem Brand, ohne genügend abzu-
kühlen, vorzeitig aus dem Töpferofen entnommen
wurden, konnten diese an der frischen Luft nachoxi-
dieren. Die Oberflächen der entsprechend behan-
delten Keramik weisen eine orangebraune bis rötli-
che Färbung auf, während der Kern des Scherbens
grau gefärbt ist. Wurde die Keramik erneut reduzie-
render Brennatmosphäre ausgesetzt, färbten sich
die Außenseiten entsprechend grau bis dunkelgrau.
250 Klammer u. a., 77 Fototaf. 9, 98. Nachweise sind nur an Bruchflächen möglich. Der
Scherben zeigt einen grauen Kern mit orangebrau-
ner bis orange rötlicher ›Rinde‹ und grauer bis dun-
kelgrauer ›Außenseite‹ oder ›Oberfläche‹.
Bezüglich der Fabrikate ist festzuhalten, dass
grundsätzlich mit einer Erzeugung sämtlicher Typen
des aus Periode II/II+ der Insula XLI von Flavia
Solva-Wagna vorliegenden Spektrums in den Stan-
dardfabrikaten I und II sowie in gemischter Bren-
natmosphäre des Fabrikats I/II zu rechnen ist. Die
definierten ›Sonderfabrikate‹ II.1 und II.2 könnten
dagegen auf bestimmte Gefäßformen oder Typen
beschränkt sein. Der Umkehrschluss, dass diese
Gefäßformen oder Typen ausschließlich auf ein defi-
niertes Sonderfabrikat beschränkt sind, ist allerdings
nicht zutreffend, wie das Beispiel des Topfes Typ 4
zeigt, dessen Typvertreter nicht nur dem ›Sonder-
fabrikat‹ II.1, sondern z. T. auch dem Standardfab-
rikat II zuzuweisen sind (vgl. Abschnitt: Topf Typ 4).
Die sog. grobe Gefäßkeramik ist mengenmäßig die
größte Gruppe im vorliegenden Keramikspektrum.
Koch- und Vorratsgeschirr bilden nach funktionalen
Kriterien den Großteil dieser Gruppe (Diagramm
Abb. 27). Tafelgeschirr aus grober Gefäßkera-
mik ist weniger stark vertreten. Die Abgrenzung
der drei funktionalen Gruppen Koch-, Tafel- und
Vorratsgeschirr ist generell durch eine gewisse
Unschärfe gekennzeichnet. Auch für die vorlie-
gende sog. grobe Gefäßkeramik darf im antiken
Kontext wohl durchaus mit einer multifunktionalen
Verwendung, die mehr als eine der drei definierten
primären Verwendungsmöglichkeiten einschließt,
gerechnet werden.
Die Anbringung einer Pichung wird als Maßnahme
zur Abdichtung von Keramikgefäßen betrachtet.
Da die Substanz nicht hitzebeständig ist, wird der
27 Grobe Gefäßkeramik vorwiegend autochthoner Provenienz (Haus II). Formen
Töpfe (77)
Töpfe Schörg. 429 (14)
Schüsseln (27)
Deckel (29)
Krug (5)
Becher (3)
Kanne (1)
49,4%
9%
17,3%
18,6% 3,2% 1,9% 0,6%
Ein Brandhorizont aus der Zeit der Markomannenkriege im südostnorischen Munizipium Flavia Solva
- Titel
- Ein Brandhorizont aus der Zeit der Markomannenkriege im südostnorischen Munizipium Flavia Solva
- Autor
- Christoph Hinker
- Verlag
- Österreichisches Archäologisches Institut
- Ort
- Wien
- Datum
- 2014
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-900305-70-3
- Abmessungen
- 21.0 x 29.7 cm
- Seiten
- 344
- Schlagwörter
- Flavia Solva, materielle Kultur, Artefakt (Archäologie), Brom, Glimmergruppe, Insula, Magerung, Thüringische Drehscheibenkeramik
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 7
- Einleitung 9
- 1 Lage 11
- 2 Historischer Kontext 15
- 3 Forschungsgeschichte 23
- 4 Forschungsmeinungen 27
- 5 Quellenkritik 31
- 6 Terminologie 35
- 7 Taphonomie 37
- 8 Exkurs: Korrespondierende Befunde im Munizipium Flavia Solva? 49
- 9 Die Architektur der Insula XLI (Haus I–VI) 51
- 10 Definition von Aktivitätszonen 57
- 10.1 Exkurs: Grube G21 66
- 10.2 Exkurs: Grube G32 72
- 11 Fundauswertung 77
- 12 Chronologie 153
- 13 Technologie und Werkstätten 157
- 14 Der Brandhorizont der Insula XLI im urbanen kultur-geschichtlichen Kontext von Flavia Solva 167
- 15 Brandzerstörungen aus der Zeit der Markomannenkriege in Noricum, Pannonien und Rätien 171
- 16 Diskussion: Ergebnisse und ihr Verhältnis zum historischen Kontext 179
- 16.1 Holzarchitektur 180
- 16.2 Schadensfeuer 180
- 16.3 Pompeji-Prämisse 180
- 16.4 Militaria 181
- 16.5 Menschliche Skelettreste 182
- 16.6 Übrige Funde, speziell Metallfunde 183
- 16.7 Bebauungsmuster der Insula XLI nach Periode II/II+ 184
- 16.8 Forschungsstand zu Flavia Solva 186
- 16.9 Die südostnorische Siedlungslandschaft und das Szenario eines Germaneneinfalls 186
- 16.10 Tradierung von Forschungsmeinungen versus kritischer Prüfung 187
- 16.11 Fragenkatalog und Synthese 187
- 17 Ausblick: Zur Frage der Historizität in der Provinzial- römischen Archäologie 189
- 18 Resümee 195
- 19 Katalog 199
- 20 Tafeln 263
- Tafeln 1 – 43 265
- Fototafeln 1–9 308
- Typentafel mit Tabellen 20 und 21 317
- 21 Anhang 321