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Dreifußschüssel ad Typ 1, ohne Typbildung (Kat. 11)
Das wahrscheinlich von einer Dreifußschüssel
stammende Mündungsfragment Kat. 11 ist dem
Typ 1.2 zwar grundsätzlich formal ähnlich, sollte
diesem allerdings wegen deutlich abweichender
Details nicht mehr zugerechnet werden. Ein deutlich
ausgeprägtes Deckelauflager wie bei den Dreifuß-
schüsseln vom Typ 1.1 und 1.2 fehlt. Eine mehrfa-
che Profilierung des Gefäßkörpers ist zwar vorhan-
den, aber weniger deutlich ausgeformt. Der Rand ist
insgesamt nach innen geneigt, aber undeutlich und
lediglich durch einen Absatz außen knapp unter der
Mündung gekennzeichnet. Aufgrund des fragmen-
tarischen Erhaltungszustandes und innerhalb des
vorliegenden Gefäßspektrums lediglich einmaligen
Nachweises wurde von einer Typbildung abgese-
hen. Eine Parallele ist im Vicus von Gleisdorf nach-
gewiesen259.
Dreifußschüssel Typ 2.1 (Kat. 13. 15 –
16), Vari-
ante 2.1.1 (Kat. 17)
Der Dreifußschüsseltyp 2.1 ist durch ein leicht auf-
wärts nach außen geneigtes Mündungsprofil sowie
den Wandungsknick gekennzeichnet. Der Wan-
dungsknick kann entweder etwa in der Mitte oder
am Übergang zum obersten Drittel der Schüssel
(Gefäßkörper ohne Fußzone) verlaufen.
Dreifußschüsseln vom Typ 2.1 sind dem Typ DrS
1/93 aus Gleisdorf ähnlich260. Die Dreifußschüsseln
Kat. 13 und 15 – 16 sind konkret dem Typ 2.1 zuzu-
weisen.
Die jeweils erhaltenen zugehörigen Deckel Kat. 12
und 14 legen nahe, dass es sich bei den Deckeln
vom Typ 2 primär um Deckel von Dreifußschüsseln
des Typs 2.1 handelt. Typvertreter sind in Grafen-
dorf261 und Kapfenstein262 nachgewiesen. Die
angeführte Parallele aus Gleisdorf legt eine Aus-
dehnung der Mindestlaufzeit von Typvertretern bis
in die erste Hälfte des 3. Jahr hunderts n. Chr. nahe.
Die Dreifußschüssel Kat. 17 wird aufgrund forma-
ler Besonderheiten und des singulären Nachweises
im vorliegenden Gefäßkeramikspektrum als Vari-
ante 2.1.1 angesprochen. Merkmale wie das leicht
aufwärts nach außen geneigte Mündungsprofil und
der Wandungsknick stimmen grundsätzlich mit dem
Typ 2 überein. Die in ihren Abmessungen im Ver-
hältnis zu den übrigen Dreifußschüsseln deutlich
kleinere Variante 2.1.1 weist eine Ausführung mit
verdickten Partien im Mündungsbereich und mittle-
ren Bereich des Gefäßkörpers auf. Auch der Wellen-
banddekor ist wenig sorgfältig ausgeführt. Das ent-
sprechende Werkzeug wurde vom Töpfer nicht auf
259 Jeschek 2000, Taf. 98, 254.
260 Artner 1994, 25 Abb. 11; 85 f. Taf. 36, 11 (Grab 93, 1. Hälfte
3. Jh. n. Chr.).
261 Bellitti 2008, 46 Abb. 7, 342; 48.
262 Urban 1984, 111 f. Taf. 62, 2 (Hügel 43, 2. Jh. n. Chr.). Idealhöhe zum (wahrscheinlich langsam) rotieren-
den Gefäßkörper angesetzt. Die oberste Wellenlinie
zeichnet sich deshalb nur unvollständig ab. Neben
der dekorativen Funktion des Wellenbandes darf
eventuell an ein beabsichtigtes Aufrauen der Wan-
dung, die eine sicherere Handhabung des Kochge-
fäßes gewährleistet, gedacht werden. Verzierungen
sind auf Dreifußschüsseln aus Flavia Solva-Wagna
lediglich selten belegt263.
Sowohl die vorliegenden Typvertreter des Typs 2.1
als auch die der Variante 2.1.1 zugeordnete Drei-
fußschüssel Kat. 17 sind Fabrikat II zuzuweisen.
Dreifußschüssel Typ 2.2 (Kat. 19 – 24)
Der Typ 2.2 ist durch das leicht abwärts nach außen
geneigte und unterschnittene sowie mitunter hori-
zontal leicht eingesattelte Mündungsprofil gekenn-
zeichnet. Die Schüsseln Kat. 19 – 24 können diesem
Typ zugerechnet werden. Die Fußzone hat sich
an keinem der Typvertreter aus dem vorliegenden
Fundmaterial erhalten. Eine Ansprache als Drei-
fußschüssel ist jedoch durch eine besser erhaltene
Parallele aus Flavia Solva-Wagna gerechtfertigt264.
Weitere Vergleichsbeispiele stammen aus Flavia
Solva-Wagna265, Gleisdorf266 und Kalsdorf267. Die
aus den Grubenbefunden im Vicus von Kalsdorf
vorliegenden Typvertreter entsprechen zeitlich der
für die Exemplare aus Flavia Solva-Wagna definier-
ten Mindestlaufzeit. Die Ausdehnung dieser Min-
destlaufzeit nach den weiteren angeführten Paral-
lelen aus dem Munizipium auf die erste Hälfte des
4. Jahr hunderts n. Chr. ist eher abzulehnen, da wir
nicht plausibel davon ausgehen können, dass die
Genese des Stratums, aus dem diese Fundstücke
stammen, kontemporär mit der Herstellung und Ver-
wendung entsprechender Dreifußschüsseln ist.
Die aus dem Brandhorizont der Periode II/II+ der
Insula XLI von Flavia Solva-Wagna vorliegenden
Typvertreter sind sowohl Fabrikat I als auch Fabri-
kat II zuzurechnen.
Weitere Dreifuß- oder Knickwandschüsselformen
ohne Typenbildung (Kat. 25 – 31)
Bei verschiedenen Dreifuß- oder Knickwandschüs-
selformen wurde aufgrund des fragmentarischen
263 Fuchs 1980, 155 Taf. A 30, 2 (Hügelgräberfeld Altenmarkt,
Grab 209, Anfang 2. Jh. n. Chr., Rollrädchendekor). Hinker
2006, 98. 141 Abb. 18; 173 Taf. 32, 224 (Insula XL, auguste-
isch, Wellenlinie).
264 Fuchs 1980, 122 f. Taf. A 20, 4 (Hügelgräberfeld Altenmarkt,
Grab 139, 1. Hälfte 2. Jh. n. Chr.).
265 Seehauser 2007, 136. 152. 169 Taf. 7, 46 – 47 (Insula XLIII,
SE 3, 300 – 360/70 n. Chr. [?]).
266 Jeschek 2000, Taf. 111, 351 – 355.
267 Jeschek – Lehner 1994, 196. 203, FNr. 69. Pammer-Hude-
czek 2009, 371 f. Typentaf. 7 (DS 2); 392. 443 Taf. 36, 55
(Grube 6, 2. Hälfte 2. Jh. n. Chr.); 400. 466 Taf. 59, 83 (Grube
11, 2. Hälfte 2. Jh. n. Chr.).
Ein Brandhorizont aus der Zeit der Markomannenkriege im südostnorischen Munizipium Flavia Solva
- Titel
- Ein Brandhorizont aus der Zeit der Markomannenkriege im südostnorischen Munizipium Flavia Solva
- Autor
- Christoph Hinker
- Verlag
- Österreichisches Archäologisches Institut
- Ort
- Wien
- Datum
- 2014
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-900305-70-3
- Abmessungen
- 21.0 x 29.7 cm
- Seiten
- 344
- Schlagwörter
- Flavia Solva, materielle Kultur, Artefakt (Archäologie), Brom, Glimmergruppe, Insula, Magerung, Thüringische Drehscheibenkeramik
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 7
- Einleitung 9
- 1 Lage 11
- 2 Historischer Kontext 15
- 3 Forschungsgeschichte 23
- 4 Forschungsmeinungen 27
- 5 Quellenkritik 31
- 6 Terminologie 35
- 7 Taphonomie 37
- 8 Exkurs: Korrespondierende Befunde im Munizipium Flavia Solva? 49
- 9 Die Architektur der Insula XLI (Haus I–VI) 51
- 10 Definition von Aktivitätszonen 57
- 10.1 Exkurs: Grube G21 66
- 10.2 Exkurs: Grube G32 72
- 11 Fundauswertung 77
- 12 Chronologie 153
- 13 Technologie und Werkstätten 157
- 14 Der Brandhorizont der Insula XLI im urbanen kultur-geschichtlichen Kontext von Flavia Solva 167
- 15 Brandzerstörungen aus der Zeit der Markomannenkriege in Noricum, Pannonien und Rätien 171
- 16 Diskussion: Ergebnisse und ihr Verhältnis zum historischen Kontext 179
- 16.1 Holzarchitektur 180
- 16.2 Schadensfeuer 180
- 16.3 Pompeji-Prämisse 180
- 16.4 Militaria 181
- 16.5 Menschliche Skelettreste 182
- 16.6 Übrige Funde, speziell Metallfunde 183
- 16.7 Bebauungsmuster der Insula XLI nach Periode II/II+ 184
- 16.8 Forschungsstand zu Flavia Solva 186
- 16.9 Die südostnorische Siedlungslandschaft und das Szenario eines Germaneneinfalls 186
- 16.10 Tradierung von Forschungsmeinungen versus kritischer Prüfung 187
- 16.11 Fragenkatalog und Synthese 187
- 17 Ausblick: Zur Frage der Historizität in der Provinzial- römischen Archäologie 189
- 18 Resümee 195
- 19 Katalog 199
- 20 Tafeln 263
- Tafeln 1 – 43 265
- Fototafeln 1–9 308
- Typentafel mit Tabellen 20 und 21 317
- 21 Anhang 321