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der Westnekropole sowie Rabelčja vas und Spod-
nja Hajdina in Poetovio-Ptuj definierten Fabrikaten
(F7. F8)383. Die mit den angeführten Fabrikaten
und Waren verknüpften Termini sollen deshalb –
ohne damit eine direkte Beziehung postulieren
zu wollen – für die Einordnung der vorliegenden
Funde sog. feiner Gefäßkeramik herangezogen
werden. In diesem Zusammenhang soll darauf hin-
gewiesen werden, dass es sich bei der sog. feinen
Gefäßkeramik sowohl um autochthone, in Flavia
Solva-Wagna oder dessen Territorium erzeugte
Produkte als auch um Importware handeln könnte.
Einerseits kann argumentiert werden, dass für eine
römische Stadt von der Größe Flavia Solvas wäh-
rend der zweiten Hälfte des 2. Jahr hunderts n. Chr.
die Existenz entsprechender Töpfereien, die den
Bedarf der Bewohner deckten, vorausgesetzt wer-
den darf. Andererseits zeigt das ›Beispiel‹ Terra
Sigillata, dass während der mittleren Kaiserzeit der
Handel mit größeren Kontingenten an Tafelgeschirr
aus Keramik über längere Distanzen nicht unge-
wöhnlich war. Der Gedanke an einen Großhandel
mit Geschirr aus Poetovio-Ptuj, wo leistungsfähige
Töpfereien nachgewiesen sind384, auf deren mit
Keramiken aus Flavia Solva-Wagna teilweise über-
einstimmende Fabrikate und Formen bereits mehr-
mals hingewiesen wurde385, liegt nahe. Die beiden
vorgeschlagenen Modelle sind insofern zu ergän-
zen, als dass die bezüglich Fabrikate und Formen
festgestellten Übereinstimmungen auch auf einen
383 Istenič 1995, 351 f.; Istenič 1999, 87 f.
384 Curk u. a. 1984, 61 – 68; Vomer Gojkovič 1993, 463 f.; Iste-
nič 2004, 108 – 111; Tomanič Jevremov 2004, 94 – 99; Toma-
nič Jevremov 2005, 219 – 221; Horvat – Dolenc Vičič 2010,
208 – 210 (Rabelčja vas).
385 Groh 1997, 181; Istenič 1995, 349 f.; Istenič 1999, 199 – 202. gewissen Technologietransfer zwischen Betrieben
in Flavia Solva-Wagna und Poetovio-Ptuj zurück-
zuführen sein könnten. Ob es sich dabei lediglich
um eine Übernahme von Ideen und Techniken oder
einen autorisierten südostnorischen Filialbetrieb
der Produktion von Poetovio-Ptuj handeln könnte,
ist derzeit nicht zu beantworten. Für Töpfereien in
Poetovio-Ptuj/Rabelčja vas (Rimska ploščad) wer-
den Produktionszeiten von der zweiten Hälfte des
2. Jahr hunderts n. Chr. bis in severische Zeit386, für
solche in Poetovio-Ptuj/Spodnja Hajdina vom 2. bis
3. Jahr hundert n. Chr. angegeben387, d. h., deren
Produkte könnten während Periode II auch in die
Insula XLI von Flavia Solva-Wagna gelangt sein.
Diagramm Abbildung 28 zeigt die festgestellte Ver-
teilung der vorliegenden Produkte feiner Gefäßkera-
mik auf die herangezogenen (nach Funden aus Poe-
tovio-Ptuj, s. o. definierten) Fabrikate. Es konnte ein
leichtes Überwiegen des reduzierend gebrannten
Fabrikats F8 gegenüber dem oxidierend gebrannten
Fabrikat F7 festgestellt werden. Die einem mehr-
stufigen Brand entsprechenden Fabrikate F7/8 und
F8/7 sind lediglich selten nachgewiesen.
Abgesehen von den Henkeln Kat. 232 – 234 und
den hinsichtlich Herstellungstechnik nicht näher
bestimmbaren Schüsselfragmenten Kat. 259 sind
alle vorliegenden Beispiele feiner Gefäßkeramik
(autochthone Fabrikate und Importware) scheiben-
gedreht.
Die Produkte der sog. feinen Gefäßkeramik sind
vorwiegend dem Tafelgeschirr (Becher, Krüge,
Schüsseln, Teller), teilweise vielleicht dem Vorrats-
geschirr (Krüge, Schüsseln, Töpfe) zuzurechnen.
Mit Reibschüsseln liegt schließlich auch Kochge-
386 Horvat – Dolenc Vičič 2010, 208.
387 Istenič – Tomanič Jevremov 2004, 323.
28 Feine Gefäßkeramik: Autochthone Fabrikate und Importware. Fabrikate
11,5%
2,3% 16,1%
26,4%
13,8%
21,9%
5,7%
2,3% Becher (23)
Töpfe (19)
Schüsseln (10)
Reibschüsseln (2)
Teller (12)
Schalen (2)
Krüge (5)
Deckel (14)
52,3%
46,7%
1% 5,3% 6,2%
F8 (53) F7 (37)
F8/7 (10) F7/8 (6)
n.n.b. (7)
50%
8%
16,1%
0,9%
4,5%
26,8% 8,9%
0,9%
Modelware südgallischer
Provenienz (1)
M delwar mitt lgallischer
Provenienz (56)
Modelware Rh inzab rner
Provenienz (9)
Modelware Westerndorfer
Provenienz (1)
n.n.b. Modelware (5)
glatte TS gallischer bzw.
germanischer Provenienz
(30)
TSTP (10)
Ein Brandhorizont aus der Zeit der Markomannenkriege im südostnorischen Munizipium Flavia Solva
- Titel
- Ein Brandhorizont aus der Zeit der Markomannenkriege im südostnorischen Munizipium Flavia Solva
- Autor
- Christoph Hinker
- Verlag
- Österreichisches Archäologisches Institut
- Ort
- Wien
- Datum
- 2014
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-900305-70-3
- Abmessungen
- 21.0 x 29.7 cm
- Seiten
- 344
- Schlagwörter
- Flavia Solva, materielle Kultur, Artefakt (Archäologie), Brom, Glimmergruppe, Insula, Magerung, Thüringische Drehscheibenkeramik
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 7
- Einleitung 9
- 1 Lage 11
- 2 Historischer Kontext 15
- 3 Forschungsgeschichte 23
- 4 Forschungsmeinungen 27
- 5 Quellenkritik 31
- 6 Terminologie 35
- 7 Taphonomie 37
- 8 Exkurs: Korrespondierende Befunde im Munizipium Flavia Solva? 49
- 9 Die Architektur der Insula XLI (Haus I–VI) 51
- 10 Definition von Aktivitätszonen 57
- 10.1 Exkurs: Grube G21 66
- 10.2 Exkurs: Grube G32 72
- 11 Fundauswertung 77
- 12 Chronologie 153
- 13 Technologie und Werkstätten 157
- 14 Der Brandhorizont der Insula XLI im urbanen kultur-geschichtlichen Kontext von Flavia Solva 167
- 15 Brandzerstörungen aus der Zeit der Markomannenkriege in Noricum, Pannonien und Rätien 171
- 16 Diskussion: Ergebnisse und ihr Verhältnis zum historischen Kontext 179
- 16.1 Holzarchitektur 180
- 16.2 Schadensfeuer 180
- 16.3 Pompeji-Prämisse 180
- 16.4 Militaria 181
- 16.5 Menschliche Skelettreste 182
- 16.6 Übrige Funde, speziell Metallfunde 183
- 16.7 Bebauungsmuster der Insula XLI nach Periode II/II+ 184
- 16.8 Forschungsstand zu Flavia Solva 186
- 16.9 Die südostnorische Siedlungslandschaft und das Szenario eines Germaneneinfalls 186
- 16.10 Tradierung von Forschungsmeinungen versus kritischer Prüfung 187
- 16.11 Fragenkatalog und Synthese 187
- 17 Ausblick: Zur Frage der Historizität in der Provinzial- römischen Archäologie 189
- 18 Resümee 195
- 19 Katalog 199
- 20 Tafeln 263
- Tafeln 1 – 43 265
- Fototafeln 1–9 308
- Typentafel mit Tabellen 20 und 21 317
- 21 Anhang 321