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Villa von Baláca ist ein vergleichbarer Faltenbecher
mit Griesbewurf nachgewiesen398.
Datierte Typvertreter legen eine Ausdehnung der
definierten Mindestlaufzeit wenigstens vom 2. Jahr-
hundert n. Chr. bis in severische Zeit nahe. Neben
den erwähnten Belegen aus Cetium-St. Pölten lie-
gen für den Befund der Periode II/II+ aus Insula XLI
von Flavia Solva-Wagna weitere zeitlich enge Par-
allelen mit orangetonigen Faltenbechern mit Kar-
niesrand und Griesbewurf vom Burgstall bei Mušov
vor399.
In Zusammenhang mit den vorliegenden Typver-
tretern aus Flavia Solva-Wagna sind hinsichtlich
Technologietransfer oder handelsgeschichtlichen
Überlegungen Parallelen aus dem benachbarten
Poetovio-Ptuj (Spodnja Hajdina) von besonderem
Interesse, die aus oder aus dem Bereich eines
mittelkaiserzeitlichen Töpferofens400 stammen.
Ein weiteres Vergleichsbeispiel aus dieser Region
kommt aus Hrastnik (Podkraj)401. Eine mögliche
Produktion vergleichbarer Faltenbecher wurde
zuletzt auch für Brigetio-Komárno in Erwägung
gezogen402.
Der Faltenbecher Kat. 211 ist nach dem abweichend
geschwungenen und verdickten Mündungsprofil der
Variante 1.1 zuzuweisen.
Für Faltenbecher darf wohl von einer Funktion als
Trinkgefäße ausgegangen werden. Falten und
Griesbewurf dienten der Erhöhung der Griffsicher-
heit des Gefäßes.
Abgesehen vom Typvertreter Kat. 210, der dem
Fabrikat F8 angehört, und dem nach sekundären
Brandspuren hinsichtlich Fabrikat nicht näher
bestimmbaren Faltenbecher Kat. 212 sind sämtli-
che aus der Periode II/II+ der Insula XLI von Flavia
Solva-Wagna vorliegenden Faltenbecher dem oxi-
dierend gebrannten Fabrikat F7 zuzurechnen.
Becher ohne Typenbildung (Kat. 213 – 226)
Bei verschiedenen Becherformen der sog. feinen
Gefäßkeramik wurde wegen des fragmentarischen
Erhaltungszustandes und geringen Nachweises auf
eine Typenbildung verzichtet.
Der Becher Kat. 213 unterscheidet sich durch die
mit einer horizontalen Rille abgesetzte Mündung
und den geradlinigen Wandungsverlauf vom Becher
Typ 1. Becher Kat. 214 besitzt einen V-förmig relativ
spitz eingezogenen Hals. Becher Kat. 215 ist durch
398 Biróné Sey u. a. 1997, 48 Nr. 495; 166 Taf. 40, 8 (Terrazzo-
fußboden P).
399 Droberjar 1993, 49 f. (2. Hälfte 2. Jh. n. Chr., 160/170 – 180 n.
Chr.).
400 Štrmčnik-Gulič 1993, 488 Taf. 6; Istenič – Tomanič Jevremov
2004, 320 f. 340 Taf. 6, 26 – 28.
401 Krajšek – Stergar 2008, 262. 270 Taf. 2, 27 (2. Hälfte 1.–Ende
3. Jh. n. Chr.).
402 Fényes 2004, 235 – 237 Abb. 5. eine tropfenförmig verdickte Mündung gekennzeich-
net.
Die Bodenfragmente Kat. 216 und Kat. 219 – 222
sind wenig aussagekräftig. Das Bodenfragment
Kat. 216 weist einen Standring auf, weshalb es sich
eventuell auch um einen Krug handeln könnte.
Die Bodenfragmente Kat. 217 und Kat. 218 könn-
ten von Faltenbechern stammen. Beide Bodenfrag-
mente weisen dasselbe Fabrikat F7/8 auf.
Die Wandfragmente Kat. 223 – 226 zeigen Kerben-
oder Strichkerbendekor. Parallelen für den Strich-
kerbendekor auf Bechern sind in Poetovio-Ptuj403
nachgewiesen.
Imitationen rätischer Ware (Kat. 227 –
231)
Imitationen rätischer Ware, vermutlich vorwie-
gend Becher, sind durch fünf Wandfragmente
(Kat. 227 – 231) im vorliegenden Fundmaterial nach-
gewiesen.
Die Wandfragmente Kat. 230 und Kat. 231 kön-
nen der Gruppe Drexel 2b zugerechnet werden,
die zeitlich dem Horizont von Gräberfeld und Legi-
onslager in Regensburg (etwa 180 – 260 n. Chr.)
angehört404. Eine zeitliche Eingrenzung, die unter
Voraussetzung der möglichen Abhängigkeit pan-
nonischer (?) Imitationen von rätischen Vorbildern
nicht mit der Datierung des vorliegenden Brandhori-
zontes um 170 n. Chr. korrespondiert. Eine bessere
zeitliche Übereinstimmung besteht zur Chronolo-
gie von N. Walke, der eine Datierung der Gruppe
Drexel 2 in die zweite Hälfte des 2. Jahr hunderts n.
Chr. vorschlug405. Am Burgstall bei Mušov ist der
Nachweis rätischer Ware auf die Gruppe Drexel 2b
beschränkt406. Dagegen liegt aus dem Zerstörungs-
horizont des ersten Steinkastells des Auxiliarkas-
tells von Carnuntum-Petronell aus der Zeit etwa des
zweiten Drittels des 2. Jahr hunderts n. Chr. bezüg-
lich rätischer Ware ausschließlich die Stilgruppe 1
vor 407. Entsprechende Beobachtungen wurden für
Carnuntum bereits im Bereich der sog. Mühläcker
von V. Gassner vorgelegt. Dort liegen Beispiele
der Gruppe Drexel 1 etwa ab Mitte des 2. Jahr-
hunderts n. Chr. vor. Diese werden während des
ausgehenden 2. Jahr hunderts n. Chr. durch Belege
der Gruppen 2 und 3 ergänzt408.
Auch aus einem vermutlich in den 70er Jahren des
2. Jahr hunderts n. Chr. verfüllten Brunnen (oder
einer Zisterne) in Iuvavum-Salzburg liegen aus-
schließlich Beispiele der Gruppe Drexel 1 vor409.
403 Istenič 2000, 139. 348 Taf. 88, 7 (Grab 447, vermutlich 1. oder
2. Jh. n. Chr.).
404 Fischer 1990, 57.
405 Walke 1965, 42 f.
406 Droberjar 1993, 48.
407 Kronberger 1997, 87 f.
408 Gassner 1990, 271.
409 Seebacher 1999, 244. 308 – 310 Taf. 9, 52 – 54.
Ein Brandhorizont aus der Zeit der Markomannenkriege im südostnorischen Munizipium Flavia Solva
- Titel
- Ein Brandhorizont aus der Zeit der Markomannenkriege im südostnorischen Munizipium Flavia Solva
- Autor
- Christoph Hinker
- Verlag
- Österreichisches Archäologisches Institut
- Ort
- Wien
- Datum
- 2014
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-900305-70-3
- Abmessungen
- 21.0 x 29.7 cm
- Seiten
- 344
- Schlagwörter
- Flavia Solva, materielle Kultur, Artefakt (Archäologie), Brom, Glimmergruppe, Insula, Magerung, Thüringische Drehscheibenkeramik
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 7
- Einleitung 9
- 1 Lage 11
- 2 Historischer Kontext 15
- 3 Forschungsgeschichte 23
- 4 Forschungsmeinungen 27
- 5 Quellenkritik 31
- 6 Terminologie 35
- 7 Taphonomie 37
- 8 Exkurs: Korrespondierende Befunde im Munizipium Flavia Solva? 49
- 9 Die Architektur der Insula XLI (Haus I–VI) 51
- 10 Definition von Aktivitätszonen 57
- 10.1 Exkurs: Grube G21 66
- 10.2 Exkurs: Grube G32 72
- 11 Fundauswertung 77
- 12 Chronologie 153
- 13 Technologie und Werkstätten 157
- 14 Der Brandhorizont der Insula XLI im urbanen kultur-geschichtlichen Kontext von Flavia Solva 167
- 15 Brandzerstörungen aus der Zeit der Markomannenkriege in Noricum, Pannonien und Rätien 171
- 16 Diskussion: Ergebnisse und ihr Verhältnis zum historischen Kontext 179
- 16.1 Holzarchitektur 180
- 16.2 Schadensfeuer 180
- 16.3 Pompeji-Prämisse 180
- 16.4 Militaria 181
- 16.5 Menschliche Skelettreste 182
- 16.6 Übrige Funde, speziell Metallfunde 183
- 16.7 Bebauungsmuster der Insula XLI nach Periode II/II+ 184
- 16.8 Forschungsstand zu Flavia Solva 186
- 16.9 Die südostnorische Siedlungslandschaft und das Szenario eines Germaneneinfalls 186
- 16.10 Tradierung von Forschungsmeinungen versus kritischer Prüfung 187
- 16.11 Fragenkatalog und Synthese 187
- 17 Ausblick: Zur Frage der Historizität in der Provinzial- römischen Archäologie 189
- 18 Resümee 195
- 19 Katalog 199
- 20 Tafeln 263
- Tafeln 1 – 43 265
- Fototafeln 1–9 308
- Typentafel mit Tabellen 20 und 21 317
- 21 Anhang 321