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Die Materialgrundlage ist mit lediglich drei Gefäßen
allerdings als eher gering zu bewerten.
Die Wandfragmente Kat. 227 – 229 dürften von
Bechern und/oder Schalen stammen, deren Dekor
einem Becher aus Poetovio-Ptuj entspricht410.
Dekor, Formen und Fabrikate der aus Periode II/
II+ der Insula XLI vorliegenden Imitationen rätischer
Ware korrespondieren mit den an Fragmenten räti-
scher Ware aus Kalsdorf festgestellten Merkma-
len. Auf mögliche Produktionsorte in Pannonien
und Südostnoricum (Flavia Solva-Wagna, Vici von
Gleisdorf und Kalsdorf) hat zuletzt J. Leger hinge-
wiesen411. Hervorzuheben sind Töpfereien in Sava-
ria-Szombathely412, die vielleicht ab dem ausgehen-
den 2. Jahr hundert n. Chr. Nachahmungen rätischer
Ware produzierten, sowie Keramikwerkstätten in
Poetovio-Ptuj413, die während der zweiten Hälfte
des 3. Jahr hunderts n. Chr. vergleichbare Waren
erzeugten. Als weitere pannonische Produktions-
orte sind Aquincum-Budapest und Vindobona-Wien
anzuführen414. Die wenigen aus Periode II/II+ der
Insula XLI von Flavia Solva-Wagna vorliegenden
Fragmente rätischer Ware sind annähernd gleich-
mäßig den Fabrikaten F7/8 und F7 zuzurechnen.
Krüge bzw. Gefäße ohne Typenbildung
(Kat. 232 – 242)
Bei verschiedenen Formen, vorwiegend wohl Krü-
gen, wurde wegen des fragmentarischen Erhal-
tungszustandes und geringen Nachweises auf eine
Typenbildung verzichtet.
Der Stabhenkel Kat. 232 und die Bandhenkelfrag-
mente Kat. 233 und Kat. 234 sind Ein- oder Zwei-
henkelkrügen zuzurechnen.
Bei den Bodenfragmenten mit Standring Kat. 235,
237 – 241 ist grundsätzlich schwer zu entscheiden,
ob es sich um einen Krug oder einen (bikonischen
[?]) Topf handelt. Bemerkenswert ist, dass auf der
Bodenaußenseite von Kat. 235 ante cocturam
dezentral angebrachte Graffito VI, das wohl weniger
auf den Gefäßinhalt VI(NVM [?]) oder das -volumen,
sondern wohl am wahrscheinlichsten auf die Gefäß-
produktion bezogen werden darf. Das Bodenfrag-
ment Kat. 236 dürfte am ehesten einem Krug zuzu-
rechnen sein. Dass es sich um einen Deckelgriff
handelt, ist unwahrscheinlich. Das Bodenfragment
mit deutlichem Standring Kat. 242 könnte sowohl
410 Istenič 1999, 132 Abb. 124, LF/JrF varia (38:4); 134 Abb. 126;
Istenič 2000, 68. 298 Taf. 38, 4 (Grab 175, 2.–3. Jh. n. Chr.).
411 Leger 2009, 289 – 291. 298.
412 Szőnyi 1973, 93 – 98 (Datierung beruhend auf Dekorschema-
ta nach Drexel und einem Zollstempel der 2. Hälfte des 2.
Jhs. n. Chr. als möglichem t.p.q.). Auch D. Gabler geht für
Savaria-Szombathely für die Zeit um 170 n. Chr. von einer
Produktion von Keramiken, die an die sog. rätische Ware an-
gelehnt waren, aus. Gabler 1989, 470.
413 Curk u. a. 1984, 64 f. (Komplexe B und C).
414 Gassner 1990, 272 Anm. 55. von einem Krug als auch einer Schüssel oder einem
Teller stammen.
Reibschüssel Typ 1 (Kat. 243), ohne Typbildung
(Kat. 244)
Die Reibschüssel vom Typ 1 ist abgesehen von den
herkömmlichen Merkmalen von mortaria (Ausguss,
Reibsteinchenbelag) durch den abgerundeten Kra-
genrand mit runder Randprofilierung oder umlaufen-
der halbrundstabförmiger Leiste gekennzeichnet.
Letztere dient dazu, einerseits während der Zube-
reitung das Austreten von Flüssigkeit etc. zu verhin-
dern, und begrenzt andererseits den Ausguss, um
das saubere Ausgießen zu gewährleisten.
Reibschüsseln mit vergleichbarem Profil von gering-
fügig abweichender Orientierung wie Kat. 243 stam-
men aus Flavia Solva-Wagna415 und Vransko416.
Für Reibschüsseln, die einen roten Überzug auf-
weisen, wurde zuletzt eine mögliche Herkunft aus
Pannonien in Erwägung gezogen417. Ein entspre-
chender Überzug konnte an den Reibschüsselfrag-
menten aus dem vorliegenden Fundspektrum aus
Periode II/II+ der Insula XLI von Flavia Solva-Wagna
jedoch nicht (mehr?) festgestellt werden.
Das vorliegende Bodenfragment Kat. 244 dürfte von
einer vergleichbaren Reibschüssel stammen. Da
weder zuordenbare Mündungsfragmente noch ein
Reibsteinchenbelag erhalten sind, ist diesbezüglich
jedoch keine endgültige Sicherheit zu erlangen.
Funktional sind die vorliegenden Reibschüsseln
dem Kochgeschirr zuzurechnen. Sowohl die weit-
gehend rekonstruierbare Reibschüssel Kat. 243
als auch das Bodenfragment Kat. 244 dürften dem
reduzierend gebrannten Fabrikat F8 zuzuweisen
sein.
Schüssel Typ 1 (Kat. 245 – 246)
Die Schüssel Typ 1 ist durch eine dreieckige, abge-
rundete, unterschnittene Mündung gekennzeichnet.
Der Gefäßkörper ist mehrfach profiliert. Die Schüs-
seln Kat. 245 – 246 können dem Typ 1 zugewiesen
werden. Parallelen sind bereits mehrfach in Flavia
Solva-Wagna belegt418.
Beide aus Periode II/II+ der Insula XLI von Flavia
Solva-Wagna vorliegende Typvertreter sind dem
Fabrikat F7 zuzuweisen.
Schüssel Typ 2 (Kat. 247 – 249)
Die Schüssel Typ 2 ist mit dem halbkugeligen
Gefäßkörper und dem verdickten Mündungsprofil
formal eng an Terra Sigillata-Schüsseln der Form
415 Seehauser 2007, 134 f. 151. 167 Taf. 5, 33 (Insula XLIII, SE
8, Mitte 3. Jh. n. Chr.).
416 Lazar 2006, 216 f., K395.
417 Chinelli 1998, 155 (Vindobona-Wien, Michaelerplatz).
418 Groh 1996, 191 Taf. 36, K89 – K93 (Insula XLI, Grube G7,
Bauperiode III+, nach 278 – Mitte 4. Jh. n. Chr.).
Ein Brandhorizont aus der Zeit der Markomannenkriege im südostnorischen Munizipium Flavia Solva
- Titel
- Ein Brandhorizont aus der Zeit der Markomannenkriege im südostnorischen Munizipium Flavia Solva
- Autor
- Christoph Hinker
- Verlag
- Österreichisches Archäologisches Institut
- Ort
- Wien
- Datum
- 2014
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-900305-70-3
- Abmessungen
- 21.0 x 29.7 cm
- Seiten
- 344
- Schlagwörter
- Flavia Solva, materielle Kultur, Artefakt (Archäologie), Brom, Glimmergruppe, Insula, Magerung, Thüringische Drehscheibenkeramik
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 7
- Einleitung 9
- 1 Lage 11
- 2 Historischer Kontext 15
- 3 Forschungsgeschichte 23
- 4 Forschungsmeinungen 27
- 5 Quellenkritik 31
- 6 Terminologie 35
- 7 Taphonomie 37
- 8 Exkurs: Korrespondierende Befunde im Munizipium Flavia Solva? 49
- 9 Die Architektur der Insula XLI (Haus I–VI) 51
- 10 Definition von Aktivitätszonen 57
- 10.1 Exkurs: Grube G21 66
- 10.2 Exkurs: Grube G32 72
- 11 Fundauswertung 77
- 12 Chronologie 153
- 13 Technologie und Werkstätten 157
- 14 Der Brandhorizont der Insula XLI im urbanen kultur-geschichtlichen Kontext von Flavia Solva 167
- 15 Brandzerstörungen aus der Zeit der Markomannenkriege in Noricum, Pannonien und Rätien 171
- 16 Diskussion: Ergebnisse und ihr Verhältnis zum historischen Kontext 179
- 16.1 Holzarchitektur 180
- 16.2 Schadensfeuer 180
- 16.3 Pompeji-Prämisse 180
- 16.4 Militaria 181
- 16.5 Menschliche Skelettreste 182
- 16.6 Übrige Funde, speziell Metallfunde 183
- 16.7 Bebauungsmuster der Insula XLI nach Periode II/II+ 184
- 16.8 Forschungsstand zu Flavia Solva 186
- 16.9 Die südostnorische Siedlungslandschaft und das Szenario eines Germaneneinfalls 186
- 16.10 Tradierung von Forschungsmeinungen versus kritischer Prüfung 187
- 16.11 Fragenkatalog und Synthese 187
- 17 Ausblick: Zur Frage der Historizität in der Provinzial- römischen Archäologie 189
- 18 Resümee 195
- 19 Katalog 199
- 20 Tafeln 263
- Tafeln 1 – 43 265
- Fototafeln 1–9 308
- Typentafel mit Tabellen 20 und 21 317
- 21 Anhang 321