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Das Überwiegen von Typvertretern des Typs 1
gegenüber Typvertretern der Variante 1.1 lässt sich
auch im Fundmaterial aus Verfüllungen in Iuvavum-
Salzburg beobachten. Für den ab 170/171 n. Chr.
münzdatierten Befund lässt sich ein Verhältnis von
3 : 1 feststellen456.
Teller Typ 2 (Kat. 273 –
274)
Der Typ 2 ist durch einen horizontal nach außen
orientierten abgerundeten Rand gekennzeichnet.
Formal ist Typ 2 eng an die Formen Consp. 39/43
und Drag. 35/36 angelehnt und deshalb als Rund-
wandteller oder halbkugelige Schale zu bezeichnen.
In der Fachliteratur wird auch die Bezeichnung ›Lip-
penrandschüssel‹ für diese Gefäße verwendet. Im
vorliegenden Fundmaterial konnten lediglich zwei
Typvertreter identifiziert werden (Kat. 273 – 274).
Vergleichsbeispiele sind in Flavia Solva-Wagna457
belegt. Die angeführten Parallelen legen eine Aus-
dehnung der definierten Mindestlaufzeit vom ausge-
henden 1. bis in das 2. Jahr hundert n. Chr. nahe.
Hinsichtlich dieser zeitlichen Einordnung ist jedoch
einzuräumen, dass der mengenmäßig geringe
Nachweis sowie die als mögliche Vorbilder ange-
führten Sigillaten vielleicht als Hinweise dafür, dass
es sich bei den vorliegenden Typvertretern um sog.
Altstücke handelt, zu werten sein könnten.
Die Teller dürfen wohl dem Tafelgeschirr zugerech-
net werden.
Beide aus Periode II/II+ der Insula XLI von Flavia
Solva-Wagna vorliegenden Typvertreter sind Fabri-
kat F7 zuzurechnen.
Topf Typ 1 (Kat. 275 – 279. 281 – 285), Variante 1.1
(Kat. 286 – 288), ohne Typbildung (289 – 293)
Töpfe vom Typ 1 sind durch den bikonischen bau-
chigen Gefäßkörper und die tropfenförmig ver-
dickte, aufwärts nach außen geneigte Mündung
gekennzeichnet. Der Gefäßkörper ist durch eine
oder mehrere horizontale Rillen gegliedert. Die
Töpfe Kat. 275 – 279 und 281 – 285 können dem
Typ 1 zugeordnet werden.
Typvertreter sind im Stadtterritorium von Flavia
Solva-Wagna und in den angrenzenden Gebieten
weit verbreitet458. Der zeitliche Verbreitungsschwer-
456 Seebacher 1999, 246 f. 316 – 318 Taf. 11, 64 – 65. 67 (vgl.
Typ 1). 66 (vgl. Variante 1.1).
457 Hinker 2007, 94. 100. 107 Taf. 3, 15 (Gräberfeld Marburger-
straße, Objekt 1, Anfang 2. Jh. n. Chr., mit weiteren Nach-
weisen aus Eichfeld, Flavia Solva-Wagna [Ende 1.–Anfang
2. Jh. n. Chr.], Formin, Frauenberg, Gleisdorf [2. Hälfte 1.–1.
Hälfte 2. Jh. n. Chr.], Hartensdorf [Ende 1.–Anfang 2. Jh. n.
Chr.], Kapfenstein [2. Hälfte 1.–Anfang 2. Jh. n. Chr.], Köf-
lach-Pichling, Novo mesto [mittlere Kaiserzeit], Retznei und
Šempeter).
458 Zuletzt: Hinker 2007, 95 – 97. 107 Taf. 3, 17 (Flavia Solva,
Grab 1/2006, Anfang 2. Jh. n. Chr., mit weiteren Nachweisen
aus Breitenhilm, Cerknica, Colatio-Stari trg, Emona-Ljublja-
na, Flavia Solva-Wagna, Formin, Gleisdorf, Gschmaier, Har-
COICIMA449. Ein weiterer Teller mit Stempel in
planta pedis liegt aus Grube G36 der Periode I+ (um
150/160 n. Chr.) der Insula XLI von Flavia Solva-
Wagna vor450. Auch ein Teller aus Hallstatt-Lahn
besitzt einen Stempelabdruck in planta pedis451. Für
den Stempelabdruck auf dem Teller Kat. 263 darf
vielleicht ein aliterater Stempel in Betracht gezogen
werden.
Die Tellervariante 1.1 ist durch den schräg nach
außen orientierten Rand und die leicht nach innen
orientierte Mündung gekennzeichnet. Der Teller
Kat. 270 ist der Variante 1.1 zuzurechnen.
Enge formale Ähnlichkeiten bestehen zu dem Typ
»Teller mit eingebogenem Rand 1.2« aus Saaz452
sowie der Form »PD2 (Fabrikat F7)« aus Poetovio-
Ptuj453. Die angeführten Parallelen aus datierten
Fundzusammenhängen legen eine Ausdehnung
der vorgeschlagenen Mindestlaufzeit für Teller
vom Typ 1 und der Variante 1.1 vom ausgehen-
den 1. Jahr hundert n. Chr. bis in severische Zeit
nahe. Sowohl Beispiele für den Typ 1 als auch die
Variante 1.1 sind in einem Geschirrfund der zwei-
ten Hälfte des 2. Jahr hunderts n. Chr. in Brigetio-
Komárno mit Fehlbränden belegt454.
Bei Tellern vom Typ 1 bzw. der Variante 1.1 handelt
es sich um Koch- und Tafelgeschirr. Die aus Peri-
ode II/II+ der Insula XLI von Flavia Solva-Wagna
vorliegenden Typvertreter des Tellers Typ 1 sind
sowohl Fabrikat F7 als auch Fabrikat F8 zuzurech-
nen. Der Teller Kat. 270 (Variante 1.1) ist dem Fabri-
kat F8 zuzuweisen.
Das nach den vorliegenden Funden während Peri-
ode II/II+ der Insula XLI von Flavia Solva-Wagna
festzustellende quantitative Verhältnis der Tel-
ler Typ 1 : Variante 1.1 von 7 : 1 darf vielleicht als
chronologisches Indiz für die Dominanz des Typs 1
gegenüber Variante 1.1 während der zweiten Hälfte
des 2. Jahr
hunderts n. Chr. gewertet werden. Eine
gewisse Bestätigung erfährt dieses Bild durch das
Verhältnis von mindestens 12 Typvertretern Typ 1
zu einem Beispiel der Variante 1.1 im während der
ersten Hälfte des 2. Jahr
hunderts n. Chr. errichteten
und in severischer Zeit aufgegebenen Kellerraum 6
der Villa von Baláca455.
449 Istenič 2000, 89, Taf. 50, 7 (Grab 247, ≈1.–4. Jh. n. Chr.).
450 Groh 1996, 189 Taf. 12, K4.
451 Zabehlicky – Zabehlicky-Scheffenegger 1990, 138. 146
Abb. 6 (Grab 3, ≈2. Hälfte 2. Jh. n. Chr.).
452 Sedlmayer 2006, 147 Abb. 98 (Hauptvorkommen: Periode 4,
170/180 – 230 n. Chr.; Nachweise in Colatio-Stari trg, Flavia
Solva-Wagna, Gleisdorf, Kalsdorf [Grube 6, 2. Hälfte 2. Jh. n.
Chr., Grube 12, 2. Hälfte 2. Jh. n. Chr.], Riegersburg [Kul-
turschicht, 2. Hälfte 2. Jh. n. Chr.], St. Martin an der Raab,
Stallhofen, Šempeter, Vransko).
453 Istenič 1999, 117 – 119 Abb. 102 (mindestens Ende 1.–1. Hälf-
te 2. Jh. n. Chr.).
454 Bónis 1976, 77 Abb. 4, 1 – 8; 88.
455 Biróné Sey u. a. 1997, 49 f. 170 f. Taf. 44
–
45 (Schuttschicht O,
Terrazzofußboden P, Variante 1.1: 49 Nr. 519; 170 Taf. 44, 5).
Ein Brandhorizont aus der Zeit der Markomannenkriege im südostnorischen Munizipium Flavia Solva
- Titel
- Ein Brandhorizont aus der Zeit der Markomannenkriege im südostnorischen Munizipium Flavia Solva
- Autor
- Christoph Hinker
- Verlag
- Österreichisches Archäologisches Institut
- Ort
- Wien
- Datum
- 2014
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-900305-70-3
- Abmessungen
- 21.0 x 29.7 cm
- Seiten
- 344
- Schlagwörter
- Flavia Solva, materielle Kultur, Artefakt (Archäologie), Brom, Glimmergruppe, Insula, Magerung, Thüringische Drehscheibenkeramik
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 7
- Einleitung 9
- 1 Lage 11
- 2 Historischer Kontext 15
- 3 Forschungsgeschichte 23
- 4 Forschungsmeinungen 27
- 5 Quellenkritik 31
- 6 Terminologie 35
- 7 Taphonomie 37
- 8 Exkurs: Korrespondierende Befunde im Munizipium Flavia Solva? 49
- 9 Die Architektur der Insula XLI (Haus I–VI) 51
- 10 Definition von Aktivitätszonen 57
- 10.1 Exkurs: Grube G21 66
- 10.2 Exkurs: Grube G32 72
- 11 Fundauswertung 77
- 12 Chronologie 153
- 13 Technologie und Werkstätten 157
- 14 Der Brandhorizont der Insula XLI im urbanen kultur-geschichtlichen Kontext von Flavia Solva 167
- 15 Brandzerstörungen aus der Zeit der Markomannenkriege in Noricum, Pannonien und Rätien 171
- 16 Diskussion: Ergebnisse und ihr Verhältnis zum historischen Kontext 179
- 16.1 Holzarchitektur 180
- 16.2 Schadensfeuer 180
- 16.3 Pompeji-Prämisse 180
- 16.4 Militaria 181
- 16.5 Menschliche Skelettreste 182
- 16.6 Übrige Funde, speziell Metallfunde 183
- 16.7 Bebauungsmuster der Insula XLI nach Periode II/II+ 184
- 16.8 Forschungsstand zu Flavia Solva 186
- 16.9 Die südostnorische Siedlungslandschaft und das Szenario eines Germaneneinfalls 186
- 16.10 Tradierung von Forschungsmeinungen versus kritischer Prüfung 187
- 16.11 Fragenkatalog und Synthese 187
- 17 Ausblick: Zur Frage der Historizität in der Provinzial- römischen Archäologie 189
- 18 Resümee 195
- 19 Katalog 199
- 20 Tafeln 263
- Tafeln 1 – 43 265
- Fototafeln 1–9 308
- Typentafel mit Tabellen 20 und 21 317
- 21 Anhang 321