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Regensburg und anderen rätischen Fundstellen ent-
sprechenden mengenmäßigen Verteilung auf Perio-
den einer Siedlungsstelle auszugehen, wie die Dis-
kussion dieser Problematik im Rahmen der soliden
Materialvorlage aus Böhming zeigt580. Gerade mit
zunehmender Entfernung von den rätischen Fund-
stellen, anhand derer eine Änderung der Frequenz
des Vorkommens dieser Formen erörtert wurde,
könnte mit einem abweichenden Bild der jeweiligen
Anteile von Formen glatter Sigillaten zu rechnen
sein. Für das Kastell Böhming ist schließlich auf ins-
gesamt lediglich fünf konkret auf die Brandschicht
der 70er Jahre des 2. Jahr
hunderts n. Chr. zu bezie-
hende Fragmente von Reliefware (Cinnamus sowie
Ianu I und Cobnertus I) mit sekundären Brandspu-
ren hinzuweisen (vgl. Kap. 15)581.
Für die sog. Munninger Brandschicht582 sowie Hei-
denheim und Urspring schlug T. Fischer zuletzt
nach einem Vergleich mit dem Terra Sigillata-Spek-
trum von Regensburg-Kumpfmühl eine Datierung
nach 180 n. Chr., d. h. nach den Markomannen-
kriegen, vor. In diesem Zusammenhang ist darauf
hinzuweisen, dass unterschiedliche Fundspektren
auch durch andere als chronologische Faktoren
bedingt sein können. Unterschiedliche Bedürfnisse
oder die divergierende Nachfrage der Bewohner
von Siedlungen eher militärisch und/oder eher zivi-
ler Prägung sowie ein darauf abgestimmtes Ange-
bot seitens des Handels wären diesbezüglich zu
berücksichtigen. Es mag zutreffen, dass diese Über-
legungen weniger für Fundorte innerhalb derselben
Region (Rätien) gelten, sondern eher im Rahmen
eines Vergleichs mit südostnorischen oder pannoni-
schen Fundstätten in Betracht zu ziehen sind.
Von 21 bestimmbaren Sigillaten der Form Drag.
37 vom Burgstall bei Mušov entfallen 19 auf Pro-
dukte aus Lezoux und lediglich zwei auf Produkte
aus Rheinzabern583. Unter den Waren aus Lezoux
sind jene des Cinnamus mit drei Nachweisen am
häufigsten vertreten584. Von den beiden Belegen für
Rheinzabern kann einer der Gruppe Ia zugewiesen
werden585. Das Spektrum sog. glatter Terra Sigil-
lata vom Burgstall bei Mušov wird von Typvertretern
Drag. 31 dominiert (sieben Nachweise). Die Formen
Drag. 33 und Drag. 54 sind mit zwei bzw. einem
Nachweis(en) vertreten586. Die Form Drag. 32 fehlt
am Burgstall bei Mušov587.
Abschließend ist im vorliegenden Zusammenhang
darauf hinzuweisen, dass mit den genannten Fund-
orten durchaus eine größere Anzahl nach ihrem
580 Gnade 2010, 230.
581 Gnade 2010, 240. 242.
582 Baatz 1976, 16 f. (170 n. Chr.); Nierhaus 1959, 56.
583 Domański 1990, 130; Droberjar 1993, 44 Tab. 1.
584 Droberjar 1993, 45.
585 Droberjar 1993, 46 (Reginus I).
586 Droberjar 1993, 44 Tab. 1; 47 – 48.
587 Droberjar 1993, 47. Fundspektrum gut zu vergleichender Fundstellen
für die Befunde der Periode II/II+ der Insula XLI
von Flavia Solva-Wagna vorliegt. Als relativieren-
der Faktor sind die speziell bezüglich Terra Sigillata
geringen Fundzahlen, die sich häufig lediglich im
ein- bis zweistelligen Bereich bewegen, anzuführen.
Insofern ist B. R. Hartley und B. M. Dickinson Recht
zu geben, die »the absolute quantities of Central
Gaulish ware« aus nicht näher genannten »Danu-
bian sites destroyed in the Marcomannic Wars« als
»rather small«588 beurteilen.
11.1.2.6 (Produktions-)Technische Keramik
Die aus Periode II/II+ der Insula XLI vorlie-
gende (produktions-)technische Keramik ist ent-
weder in Zusammenhang mit dem Buntmetall-
guss (Kat. 418 – 423) oder der Textilverarbeitung
(Kat. 424 – 427 sowie Kat. 641 – 644) mit dem
antiken wirtschaftlichen Kontext zu verknüpfen
(vgl. Kap. 13). Insgesamt liegen 14 Artefakte vor,
die als technische Keramik anzusprechen sind
(Kat. 418 – 427. 641 – 644).
Die Gussform Kat. 418 (Groh 1996, GF1) dürfte für
den Guss von Beschlägen mit trompetenförmigen
Ornamenten vorgesehen gewesen sein. Es handelt
sich um einen Beschlag, der aus zwei gebogenen
Bestandteilen besteht. Ein kleineres Zierelement,
das ein trompetenförmig verdicktes Ende aufweist,
wird von einem zweiten größeren Zierelement,
dessen beiden Enden entsprechend gestaltet sind,
eingefasst. Vergleichbare Gürtel- und Schnallen-
beschläge aus Bronze sind in Abusina-Eining589,
Bernhardsthal590, Burghöfe591, Ellingen592, Girm593,
Gries594, Hollern595, Klosterneuburg, Pfünz596,
Phoebiana-Faimingen597, Regensburg598, Saal-
burg599, Sorviodurum-Straubing600, Zugmantel601
und Zwentendorf602 nachgewiesen603. Die Funde
588 Hartley – Dickinson 2008, 5.
589 Gschwind 2004, 160. 330 Taf. 46 – 47 (»in keltischem Stil
durchbrochene Beschläge«).
590 Allerbauer – Jedlicka 2000, 642 f. Abb. 625.
591 Franke 2009, 42 Taf. 33, 709.
592 Zanier 1992, 180 Taf. 16, B 51.
593 Nowak 1990, 222 Abb. 700.
594 Rausch 1992, 491 f. Abb. 774.
595 Jandrasits 1997, 843. 845 Abb. 725 – 726.
596 Winkelmann 1914, 24 Nr. 53; Taf. 13, 82 (flavisch–233/234 n.
Chr.) = Oldenstein 1976, 271 Taf. 69, 899.
597 Oldenstein 1976, 272 Taf. 69, 900; Müller 1999, 132 Taf. 51,
1 – 5 (Grab 292, nach 150 n. Chr.).
598 Dietz u. a. 1979, 302 Abb. 84.
599 Oldenstein 1976, 271 Taf. 69, 897.
600 Walke 1965, 148 Taf. 97, 9 (Westvicus, ≈ flavisch–3. Jh. n.
Chr.).
601 Oldenstein 1976, 272 Taf. 69, 903.
602 Krause 2002, 666 Abb. 597.
603 Nachweis in einem pannonischen Wagengrab: Mócsy 1974,
147 f. Taf. 15 a (Import aus dem Rheinland oder den östlichen
Donauprovinzen [?]).
Ein Brandhorizont aus der Zeit der Markomannenkriege im südostnorischen Munizipium Flavia Solva
- Titel
- Ein Brandhorizont aus der Zeit der Markomannenkriege im südostnorischen Munizipium Flavia Solva
- Autor
- Christoph Hinker
- Verlag
- Österreichisches Archäologisches Institut
- Ort
- Wien
- Datum
- 2014
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-900305-70-3
- Abmessungen
- 21.0 x 29.7 cm
- Seiten
- 344
- Schlagwörter
- Flavia Solva, materielle Kultur, Artefakt (Archäologie), Brom, Glimmergruppe, Insula, Magerung, Thüringische Drehscheibenkeramik
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 7
- Einleitung 9
- 1 Lage 11
- 2 Historischer Kontext 15
- 3 Forschungsgeschichte 23
- 4 Forschungsmeinungen 27
- 5 Quellenkritik 31
- 6 Terminologie 35
- 7 Taphonomie 37
- 8 Exkurs: Korrespondierende Befunde im Munizipium Flavia Solva? 49
- 9 Die Architektur der Insula XLI (Haus I–VI) 51
- 10 Definition von Aktivitätszonen 57
- 10.1 Exkurs: Grube G21 66
- 10.2 Exkurs: Grube G32 72
- 11 Fundauswertung 77
- 12 Chronologie 153
- 13 Technologie und Werkstätten 157
- 14 Der Brandhorizont der Insula XLI im urbanen kultur-geschichtlichen Kontext von Flavia Solva 167
- 15 Brandzerstörungen aus der Zeit der Markomannenkriege in Noricum, Pannonien und Rätien 171
- 16 Diskussion: Ergebnisse und ihr Verhältnis zum historischen Kontext 179
- 16.1 Holzarchitektur 180
- 16.2 Schadensfeuer 180
- 16.3 Pompeji-Prämisse 180
- 16.4 Militaria 181
- 16.5 Menschliche Skelettreste 182
- 16.6 Übrige Funde, speziell Metallfunde 183
- 16.7 Bebauungsmuster der Insula XLI nach Periode II/II+ 184
- 16.8 Forschungsstand zu Flavia Solva 186
- 16.9 Die südostnorische Siedlungslandschaft und das Szenario eines Germaneneinfalls 186
- 16.10 Tradierung von Forschungsmeinungen versus kritischer Prüfung 187
- 16.11 Fragenkatalog und Synthese 187
- 17 Ausblick: Zur Frage der Historizität in der Provinzial- römischen Archäologie 189
- 18 Resümee 195
- 19 Katalog 199
- 20 Tafeln 263
- Tafeln 1 – 43 265
- Fototafeln 1–9 308
- Typentafel mit Tabellen 20 und 21 317
- 21 Anhang 321