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bona-Wien630, Waltersdorf an der March631 und
Zugmantel632 nachgewiesen. Besondere Erwäh-
nung verdienen weitgehend identische Parallelen
für die Scheibenfibel Kat. 439 (Groh 1996, FI Inv.
23.913) und die Form der Gussform Kat. 419 (Groh
1996, GF 2) aus Maros Portus bei Apulum-Alba
Iulia633, Alberti bei Szentes-Nagyhegy634, Jelica635
sowie Viminacium636. Der Typvertreter aus Vimina-
cium stammt aus einem Grabzusammenhang, für
den ein münzdatierter terminus post quem für die
Regierungszeit des Antoninus Pius vorliegt. Bemer-
kenswert ist ferner ein sehr ähnliches, allerdings
nur fragmentiert erhaltenes Exemplar aus Dura
Europos, das als Riemenverteiler angesprochen
wird637. Weitere rundliche Durchbruchsarbeiten aus
Kupferlegierungen mit Trompetenornamentik aus
Dura Europos wurden als Bestandteile des Wehr-
gehänges vorgelegt638. Von Pferdebestattungen in
Brigetio-Komárno stammende Durchbruchsarbeiten
mit Trompetenornamentik legen nach der Fundlage
und der Beschaffenheit der Rückseite der Artefakte
eine Verwendung als Beschläge zur Riemenvertei-
lung nahe639. In diesen funktionalen Zusammen-
hang dürfen vielleicht auch rundliche Beschläge mit
Trompetenelementen aus Böhming640, Pancsova
und Téteny641 sowie Pernik642 eingeordnet werden.
Die erwähnten Fundorte, aus denen nahezu idente
Typvertreter stammen, deuten vielleicht zumin-
dest eine formale Orientierung der Werkstatt der
Insula XLI primär an den Produkten von (hypothe-
tischen) Fibelwerkstätten der östlich und südöstlich
von Flavia Solva-Wagna gelegenen Donaupro-
vinzen an. Ob es sich dabei lediglich um eine Auf-
nahme von Ideen und Techniken durch die lokale
Handwerkstradition handelt oder ob von einem Aus-
tausch mit oder vielleicht sogar mit einer Zuwan-
derung von spezialisierten Handwerkern aus den
630 Schmid 2010, 123 Taf. 39, 306 (ca. 2. Hälfte 2.–2. Hälfte 3.
Jh. n. Chr.).
631 Adler – Nowak 1989, 246 Abb. 1386.
632 Böhme 1972, 43 f. 110 Taf. 29 – 30, 1148 – 1150.
633 Sellye 1969, 522. 535 f. Taf. 188, 2.
634 Párducz 1956, 147 Taf. 26, 2 (Streufund, Alberti: Proli Acker).
635 Petković 2010, 176 – 180. 182 Nr. 969; 356. 477 Taf. 31, 11
(Typ 22, Variante B, Bronze, Dm. 3,3 cm).
636 Zotović – Jordović 1990, 99 Taf. 159, 4 (Grab 189).
637 Frisch – Toll 1949, 8 f. Abb. 6 Taf. 1, 3. Vgl. dazu auch: Boube-
Piccot 1964, Taf. 4, 1 (Volubilis); James 2010, 97 f. Abb. 44,
339.
638 James 2010, 74 Abb. 36, 24 – 25.
639 Barkóczi 1946 – 1948, 170 – 175 Abb. 2 – 5 Taf. 26 – 27; 29, 1.
3; 31, 7. 9.
640 Gnade 2010, 243. 265 Abb. 18, 4 (Pferdegeschirranhänger,
Altfund aus dem Bereich außerhalb des Kastells, der leider
nicht näher der Holz- oder Steinkastellphase zugeordnet wer-
den kann).
641 von Jenny 1935, Taf. 9, 4 – 5; 11, 14 sowie unter der allgemei-
nen Angabe »Frankreich«: von Jenny 1935, Taf. 9, 1.
642 Gencheva 2009, 17 Abb. 4, 1; 27 (»around the mid-second
century AD«). donauabwärts gelegenen Regionen zu rechnen ist,
kann bei der derzeitigen Forschungslage lediglich
zur Diskussion gestellt werden.
Mehrere vergleichbare Fibeln aus datierten Befun-
den nähern sich der vom Nachweis der Gussformen
Kat. 419 – 420 (Groh 1996, GF 2 – 3) in Periode II/ II+
ableitbaren Zeitstellung eng an. Eine Silberfibel mit
trompetenförmigem Durchbruchsmuster stammt aus
dem wohl 179 n. Chr. abgebrannten Holz-Erde-Kas-
tell von Celemantia-Iža643. Zwei weitere Scheiben-
fibeln mit Trompetenornament liegen aus dem zeit-
lich eng auf die 70er Jahre des 2. Jahr hunderts n.
Chr. eingrenzbaren Militärlager von Eining-Unterfeld
vor644.
Abgesehen von diesen zeitlich engen Parallelen
indiziert eine weitere durchbrochene Scheibenfi-
bel aus Augusta Vindelicum-Augsburg eine Lauf-
und Tragezeit bis in die erste Hälfte des 3. Jahr-
hunderts n. Chr.645. Bei einer Scheibenfibel mit
Trompetenornament Böhme 46c, die aus Periode 5
(270/280 – 360/370 n. Chr.) des Vicus Ost von Favi-
anis-Mautern646 stammt, dürfte es sich um ein sog.
Altstück handeln.
Die vorliegenden Beschläge und Fibeln mit trom-
petenförmigem Durchbruchsmuster aus datierten
Befunden sprechen für eine Datierung dieser Arte-
fakte etwa von der Mitte des 2. bis zur Mitte des
3. Jahr hunderts n. Chr. Vom vorliegenden Nachweis
einer zeitlich eng eingrenzbaren Produktion in Fla-
via Solva-Wagna ausgehend, darf in Kombination
mit den erwähnten, qualitativ entsprechend datier-
ten Belegen vielleicht eine gewisse Ergänzung der
Feinchronologie von Beschlägen und Fibeln mit
Trompetenornamentik insofern vorgeschlagen wer-
den, als dass sich ein zeitlicher Schwerpunkt wäh-
rend der zweiten Hälfte des 2. Jahr hunderts n. Chr.
abzeichnet.
Bezüglich der regionalen Distribution von Beschlä-
gen und Fibeln mit Trompetenornamentik in opus
interrasile ist auffallend, dass sowohl entspre-
chende Beschläge als auch Fibeln im Stadtterrito-
rium von Flavia Solva-Wagna lediglich selten belegt
sind. I. Sellye konstatierte etwa nach der Häufigkeit
stilistisch vergleichbarer Durchbruchsarbeiten im
benachbarten Pannonien eine »keltische Renais-
sance« während des 2. Jahr hunderts n. Chr.647.
Bereits W. A. von Jenny brachte das Phänomen
mit der Stationierung von Brittones an den limites
in Zusammenhang648. Zuletzt wies M. Reuter dar-
643 Rajtár 1992, 157. 163 Abb. 15, 9; Tejral 1994a, 44 – 47
Abb. 10, 25.
644 Garbsch 1994, 241 Abb. (Fibeln); Jütting 1995, 157 f. 191 f.
Abb. 5, 13 – 14. Zur Datierung des Lagers: Fischer 1994, 348.
645 Ortisi 2001, 45 f. Abb. 28, 4; 175 Taf. 39, 3 (Grab 4b, bis Mitte
3. Jh. n. Chr.).
646 Sedlmayer 2006c, 424 Taf. 273, 2399/1.
647 Sellye 1970, 81 f.
648 von Jenny 1935, 48.
Ein Brandhorizont aus der Zeit der Markomannenkriege im südostnorischen Munizipium Flavia Solva
- Titel
- Ein Brandhorizont aus der Zeit der Markomannenkriege im südostnorischen Munizipium Flavia Solva
- Autor
- Christoph Hinker
- Verlag
- Österreichisches Archäologisches Institut
- Ort
- Wien
- Datum
- 2014
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-900305-70-3
- Abmessungen
- 21.0 x 29.7 cm
- Seiten
- 344
- Schlagwörter
- Flavia Solva, materielle Kultur, Artefakt (Archäologie), Brom, Glimmergruppe, Insula, Magerung, Thüringische Drehscheibenkeramik
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 7
- Einleitung 9
- 1 Lage 11
- 2 Historischer Kontext 15
- 3 Forschungsgeschichte 23
- 4 Forschungsmeinungen 27
- 5 Quellenkritik 31
- 6 Terminologie 35
- 7 Taphonomie 37
- 8 Exkurs: Korrespondierende Befunde im Munizipium Flavia Solva? 49
- 9 Die Architektur der Insula XLI (Haus I–VI) 51
- 10 Definition von Aktivitätszonen 57
- 10.1 Exkurs: Grube G21 66
- 10.2 Exkurs: Grube G32 72
- 11 Fundauswertung 77
- 12 Chronologie 153
- 13 Technologie und Werkstätten 157
- 14 Der Brandhorizont der Insula XLI im urbanen kultur-geschichtlichen Kontext von Flavia Solva 167
- 15 Brandzerstörungen aus der Zeit der Markomannenkriege in Noricum, Pannonien und Rätien 171
- 16 Diskussion: Ergebnisse und ihr Verhältnis zum historischen Kontext 179
- 16.1 Holzarchitektur 180
- 16.2 Schadensfeuer 180
- 16.3 Pompeji-Prämisse 180
- 16.4 Militaria 181
- 16.5 Menschliche Skelettreste 182
- 16.6 Übrige Funde, speziell Metallfunde 183
- 16.7 Bebauungsmuster der Insula XLI nach Periode II/II+ 184
- 16.8 Forschungsstand zu Flavia Solva 186
- 16.9 Die südostnorische Siedlungslandschaft und das Szenario eines Germaneneinfalls 186
- 16.10 Tradierung von Forschungsmeinungen versus kritischer Prüfung 187
- 16.11 Fragenkatalog und Synthese 187
- 17 Ausblick: Zur Frage der Historizität in der Provinzial- römischen Archäologie 189
- 18 Resümee 195
- 19 Katalog 199
- 20 Tafeln 263
- Tafeln 1 – 43 265
- Fototafeln 1–9 308
- Typentafel mit Tabellen 20 und 21 317
- 21 Anhang 321