Seite - 127 - in Ein Brandhorizont aus der Zeit der Markomannenkriege im südostnorischen Munizipium Flavia Solva
Bild der Seite - 127 -
Text der Seite - 127 -
127
bereits nach seiner Funktion als »Sparbüchse«681.
In dem Becher fand sich auch die jüngste zur Peri-
ode II/II+ gehörende Prägung, ein Dupondius des
Jahres 166 n. Chr. Dies besagt, dass der Becher
nach (166+t) verwahrt wurde und der Geldvorrat in
dieser Zeit gängiges Zirkulationsmaterial darstellte.
Vielleicht handelte es sich um eine Kleingeldbüchse,
die als Vorrat für alltägliche Käufe verwendet wurde,
denn die darin aufgefundene Geldsumme ist nicht
so hoch, als dass sie als Rücklage angesprochen
werden kann. Es könnte verfügbares Geld für den
täglichen Verkehr gewesen sein, dem man jeweils
benötigte Summen bei Bedarf entnommen und auch
wieder hinzugefügt hatte. Raum J wurde als Küche
oder Speiseraum interpretiert, bei welchem auch die
Möglichkeit einer gewerblichen Nutzung nicht ganz
ausgeschlossen werden kann (vgl. Kap. 10). Damit
könnte ein Zufluss von Münzen in den Becher erklärt
werden. Denn ob die Münzen in einem Schwung
hineinkamen oder längere Zeit darin verwahrt wur-
den, kann nicht gesagt werden. Die in dem Becher
in der Zeit (166+t) verfügbare Summe von umge-
rechnet fünf Assen reichte allerdings kaum für den
Tagesbedarf eines Erwachsenen682.
In Haus IV wurden insgesamt neun Münzen
gefunden, vier davon in Raum N, weitere vier in
Raum R und eine im Innenhof. Die Münzen aus dem
Raum N erstrecken sich von 134/138 bis 147/148 n.
Chr., jene aus dem Raum R von 14/37 bis 128/136 n.
Chr. Zwar erscheint der Bestand des Raumes N
ein wenig jünger zu sein, doch da der Befund der
Insula XLI ein geschlossener und die Fundlage
homogen ist, muss man von gleichzeitiger Nutzung
und Aufgabe der einzelnen Häuser und Räume
ausgehen. Daher kann man aus den Münzen keine
chronologischen Unterschiede in der Nutzung der
einzelnen Räume ablesen. Raum N wird als Wohn-
raum, für den mit einem Aufenthalt von Frauen zu
rechnen ist, interpretiert (vgl. Kap. 10). Die Mün-
zen wurden auf dem Lehmboden der Schicht 42683
ohne Zusammenhang miteinander aufgefunden (vgl.
Kap. 10). Neben drei Assen liegt aus diesem Raum
mit einem Denar auch eine höherwertige Münze
vor. Wir haben es also mit einem Gesamtwert von
19 Assen aus dem Raum N zu tun. Da die Münzen
jedoch weder einen Zusammenhang miteinander
aufweisen noch eine intentionale Deponierung für
die einzelnen Stücke festgestellt wurde, bleibt die
funktionale Deutung dieses Bestandes unklar.
681 Groh 1996, 64.
682 Nicht nur die saisonalen Schwankungen des Getreidepreises
machen die Errechnung der Kaufkraft dieser Summe für Fla-
via Solva-Wagna schwierig, sondern auch die Tatsache, dass
der Getreidepreis je nach Region unterschiedlich gehandelt
wurde. Dazu Kessler – Temin 2008; Lepelley 2001, 50 – 52;
Étienne 1974, 216 – 218.
683 Groh 1996, 220 Plan 6. Raum R wird als Vorratsraum angesprochen (vgl.
Kap. 10). Die Angaben in der Grabungsdokumenta-
tion erlauben keine Aussagen mehr über die Zusam-
mengehörigkeit des in Raum R oder im Bereich von
Raum R aufgefundenen Münzbestandes. Es han-
delt sich um drei Asse und einen Sesterz und damit
um eine Gesamtsumme von sieben Assen. Auch
diese Summe ist nicht so hoch, als dass man die
Münzen mit Bestimmtheit für einen zusammenge-
hörenden und verstreuten Hort halten könnte. Die
Auffindung in einem Vorratsraum könnte auf Waren-
verkehr hinweisen, ob für gewerbliche oder private
Zwecke bleibt offen.
Für die übrigen Einzelfunde aus den Häusern
der Insula XLI konnte aus den archäologischen
Fundumständen keine intentionale Deponierung
abgeleitet werden, sodass keinerlei Aussagen über
den funktionalen Kontext der Münzen getroffen wer-
den können. Aus den Häusern III, V und VI stam-
men jeweils einzelne Münzen. In Haus III wurde
ein wenig abgegriffener Denar des Prägejahres
159/160 n. Chr. aufgefunden, bei dem ebenso offen-
bleiben muss, ob er als Teil einer Rücklage diente
oder bewusst deponiert worden war.
Zusammenfassung
Häufig werden Münzen herangezogen, um archäo-
logische Phänomene zu datieren. Dabei können
allerdings schnell Zirkelschlüsse entstehen, näm-
lich wenn von archäologischer Seite ein Komplex
mithilfe von Münzen datiert wird und die numismati-
sche Auswertung ihrerseits wieder auf die archäolo-
gischen Datierungen rekurriert.
Es wurde gezeigt, das ein terminus post quem allein
für konkrete Datierungsfragen nicht ausreicht, da
dieser das Datum der Prägung angibt und nicht
der Verlustzeit. Diese kann mithilfe von zwei Krite-
rien annähernd umrissen werden. Wenn sich zum
einen die charakteristische Diagrammform zeigt,
können wir zumindest feststellen, für welche Peri-
ode der bearbeitete Münzbestand das Zirkulations-
volumen darstellt. Dazu empfiehlt sich immer ein
Blick auf gleichzeitige Schatzfunde, um die chro-
nologische Verteilung derselben zu erfassen. Von
großer Bedeutung für die Frage, wie lange die ein-
zelnen Münzen im Umlauf blieben, ist die Berück-
sichtigung des Abnutzungsgrades. Dieser gibt Auf-
schluss darüber, ob alle Münzen eines Bestandes in
derselben Zeit zirkulierten oder nicht. Zwar können
keine genauen Daten festgemacht werden, diese
Methode bietet aber eine differenzierte Betrachtung
des terminus post quem.
11.1.3.2 Bronze und Kupferlegierungen
Abgesehen von den Münzen (vgl. Kap. 11.1.3.1)
liegen im Fundmaterial der Periode II/II+ der
Insula XLI von Flavia Solva-Wagna 15 Artefakte aus
Bronze und Kupferlegierungen vor: Kat. 433 – 438,
Ein Brandhorizont aus der Zeit der Markomannenkriege im südostnorischen Munizipium Flavia Solva
- Titel
- Ein Brandhorizont aus der Zeit der Markomannenkriege im südostnorischen Munizipium Flavia Solva
- Autor
- Christoph Hinker
- Verlag
- Österreichisches Archäologisches Institut
- Ort
- Wien
- Datum
- 2014
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-900305-70-3
- Abmessungen
- 21.0 x 29.7 cm
- Seiten
- 344
- Schlagwörter
- Flavia Solva, materielle Kultur, Artefakt (Archäologie), Brom, Glimmergruppe, Insula, Magerung, Thüringische Drehscheibenkeramik
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 7
- Einleitung 9
- 1 Lage 11
- 2 Historischer Kontext 15
- 3 Forschungsgeschichte 23
- 4 Forschungsmeinungen 27
- 5 Quellenkritik 31
- 6 Terminologie 35
- 7 Taphonomie 37
- 8 Exkurs: Korrespondierende Befunde im Munizipium Flavia Solva? 49
- 9 Die Architektur der Insula XLI (Haus I–VI) 51
- 10 Definition von Aktivitätszonen 57
- 10.1 Exkurs: Grube G21 66
- 10.2 Exkurs: Grube G32 72
- 11 Fundauswertung 77
- 12 Chronologie 153
- 13 Technologie und Werkstätten 157
- 14 Der Brandhorizont der Insula XLI im urbanen kultur-geschichtlichen Kontext von Flavia Solva 167
- 15 Brandzerstörungen aus der Zeit der Markomannenkriege in Noricum, Pannonien und Rätien 171
- 16 Diskussion: Ergebnisse und ihr Verhältnis zum historischen Kontext 179
- 16.1 Holzarchitektur 180
- 16.2 Schadensfeuer 180
- 16.3 Pompeji-Prämisse 180
- 16.4 Militaria 181
- 16.5 Menschliche Skelettreste 182
- 16.6 Übrige Funde, speziell Metallfunde 183
- 16.7 Bebauungsmuster der Insula XLI nach Periode II/II+ 184
- 16.8 Forschungsstand zu Flavia Solva 186
- 16.9 Die südostnorische Siedlungslandschaft und das Szenario eines Germaneneinfalls 186
- 16.10 Tradierung von Forschungsmeinungen versus kritischer Prüfung 187
- 16.11 Fragenkatalog und Synthese 187
- 17 Ausblick: Zur Frage der Historizität in der Provinzial- römischen Archäologie 189
- 18 Resümee 195
- 19 Katalog 199
- 20 Tafeln 263
- Tafeln 1 – 43 265
- Fototafeln 1–9 308
- Typentafel mit Tabellen 20 und 21 317
- 21 Anhang 321