Web-Books
im Austria-Forum
Austria-Forum
Web-Books
Geschichte
Historische Aufzeichnungen
Ein Brandhorizont aus der Zeit der Markomannenkriege im südostnorischen Munizipium Flavia Solva
Seite - 143 -
  • Benutzer
  • Version
    • Vollversion
    • Textversion
  • Sprache
    • Deutsch
    • English - Englisch

Seite - 143 - in Ein Brandhorizont aus der Zeit der Markomannenkriege im südostnorischen Munizipium Flavia Solva

Bild der Seite - 143 -

Bild der Seite - 143 - in Ein Brandhorizont aus der Zeit der Markomannenkriege im südostnorischen Munizipium Flavia Solva

Text der Seite - 143 -

143 einen den ›Beinstöpseln‹ ähnlichen Griff auf769. Ein Grifffragment aus Valkenburg wurde entsprechend gedeutet770. Ob es sich bei diesen gegenüber dem Scharnierelement Kat. 582 vergleichbar längeren Beinzylindern mit dekorativem Abschluss letztend- lich um Scharnierelemente oder Nadelbüchsen handelt, ist nach fragmentierten Exemplaren nicht sicher zu entscheiden771. Das Grifffragment Kat. 511 dürfte als gebrochenes Halbfabrikat, vielleicht eines Messergriffes, anzu- sprechen sein. Es könnte aus einer scapula oder tibia gefertigt worden sein. Falls es sich tatsäch- lich um einen Messergriff handelt, wäre neben der Konstruktion als Griffangelmesser eher an eine als Klappmesser zu denken. Formal ist das Grifffrag- ment Kat. 511 Exemplaren aus Amsterdam, Augusta Treverorum-Trier und Poetovio-Ptuj772 ähnlich, die nach Eugen von Mercklin die Gestalt von Tierläufen (Rehläufe oder Schweinsfüße) besitzen773 und des- halb vielleicht mit der Jagd in Verbindung zu bringen sind. Die an einer Seite des Griffes angebrachte Nut könnte zur Aufnahme einer Griffangel oder eher der Schneide eines Klappmessers vorgesehen gewe- sen sein (Fototaf. 8)774. Die Anbringung einer Nut über die Langseite des Griffes zur Aufnahme der ein- geklappten Messerschneide wird als Kriterium zur Identifizierung von Klappmessergriffen angeführt775. Bezüglich der Nut ist darauf hinzuweisen, dass diese mit 0,6 cm zwar eine geringe Tiefe aufweist, diese allerdings ausreichend ist, das Einrasten der Schneide eines Klappmessers zu gewährleisten. Da eine größere Tiefe der Nut den Griff instabiler und bruchanfälliger gemacht hätte, dürfte im Pro- duktionsprozess keine tiefere Ausarbeitung vorge- sehen gewesen sein. Der Klingenrücken römischer Klappmesser kann bei eingeklappter Klinge deutlich über den Messergriff hinausragen, wie Klappmes- ser aus Augustodunum-Autun776, Kirchheim777 und Gelduba-Krefeld/Gellep778 zeigen. Der am verjüng- ten Ende des Artefakts angebrachte Absatz war 769 Verhagen 1993, 343  –  346 Abb. 2 (Mitte 1.–Mitte 2. Jh. n. Chr.). 770 Verhagen 1993, 352 f. Nr. 15 (nach Mitte 1. Jh. n. Chr.). 771 Vgl. Fremersdorf 1940, 330 Abb. 13 (Köln). Vgl. die Rekonst- ruktionszeichnung: Obmann 1997, 59 Abb. 7 mit der Anspra- che als Nadelbüchse im Zusammenhang mit den vorliegen- den Grabbefunden. 772 Mikl-Curk 1976, Taf. 27, 25. 773 von Mercklin 1940, 343 Taf. 36, 5. 774 Grundlegend: von Mercklin 1940, 339  –  352; Deschler-Erb 1998, 129  –  131. 358 f. Taf. 6  –  7, 75  –  84. Zur Handhabung römischer Klappmesser vgl. Gottschalk 2006, 105 Abb. 1. 775 Deringer 1966, 238; Ronke 2003, 691 Anm. 5. 776 Béal 1985, 132 f. 777 Heimberg 1979, 534  –  536 Abb. 12, 2 (Grab 3, Ende 3. Jh. n. Chr.). 778 Pirling 1989, 160 Taf. 123, 4 a–c; Taf. 135, 3 a–b (Grab 3725, 2. Hälfte 2.–Anfang 3. Jh. n. Chr.) = Pirling – Siepen 2006, 416 f. Taf. 72, 20. vielleicht für das Aufstecken einer Blechhülse als Zwinge und zur Abdeckung des Scharniers eines Klappmessers vorgesehen. Erhaltene Blechhülsen auf Messergriffenden aus Grinario-Köngen illust- rieren diese Konstruktionselemente und -weise779. Reste einer vergleichbaren Klappmesserkonstruk- tion mit Bronzezwinge und Eisendorn waren auf einem Messergriff aus Carnuntum zu beobach- ten780. Da am Griff Kat. 511 eine Bohrung für den Nietstift, um dessen Achse die Klinge bewegbar ist, fehlt, dürfte es sich um ein Halbfabrikat handeln. Die Anbringung des Nietstiftes setzt eine entspre- chende Bohrung voraus, da ein Einschlagen des Nietstiftes ohne Bohrung den Bereich des Griffes, der für das Aufstecken der Zwinge vorgesehen ist, beschädigt hätte. Aus einem spätantiken Körper- grab in Aquincum-Budapest konnte ein Klappmes- ser mit fragmentiertem Griff und erhaltener mondsi- chelförmiger Eisenklinge geborgen werden781. Die Dimensionierung der komplett erhaltenen Klinge des Messers aus Aquincum-Budapest (Klingen- länge etwa 5 cm) stimmt gut mit den Abmessun- gen des Grifffragments und dessen (nicht komplett erhaltener) Nut aus der Insula XLI überein. Ein Klappmesser aus Köln weist eine Länge von 7 cm auf782. Ob es sich bei Klappmessern mit kurzem Griff und entsprechend kurzer Klinge nach diesen Kriterien vorzugsweise um Rasiermesser handelt, wie nach Funden aus Augusta Raurica-Augst kons- tatiert wurde783, ist fraglich. In dem erwähnten Grab in Aquincum-Budapest war jedenfalls eine 20  –  29 Jahre alte Frau bestattet784. Auch das Klappmesser aus Kirchheim stammt aus einem Frauengrab785. Bei einem Messergriff aus Brigetio-Komárno könnte es sich um einen Klappmesserbestandteil han- deln786. An einem relativ gut erhaltenen Klappmes- ser aus der Colonia Ulpia Traiana-Xanten ist eine Konstruktion mit eiserner sichelförmiger Klinge und einem Beingriff, der entsprechende Ausnehmungen für eine aufgesteckte Bronzezwinge und einen mit zwei Nietstiften befestigten pilzförmigen Bronzebe- schlag aufweist, zu beobachten787. 779 Rüsch 1981, 541  –  543 Abb. 1  –  2. 780 Noll 1937, 20  –  22 Abb. 7. 781 Lassányi – Vámos 2011, 152 Abb. 5, 6; 156 (Grab 788, Ende 3.–Anfang 4. Jh. n. Chr.). 782 Fremersdorf 1926, 291 f. Abb. 1, 11 (Klappmesser aus Eisen mit Beingriff, Brandgrab VI/VII, um 200 n. Chr.). Ristow 1967, 231. 783 Riha 1986, 28. 784 Lassányi – Vámos 2011, 150. 785 Heimberg 1979, 534  –  536 Abb. 12, 2 (Grab 3, Ende 3. Jh. n. Chr.). 786 Biró 1987a, 171 Abb. 11, 52 (ohne Angaben zur Konstrukti- on). 787 Artner 1994, 27  –  29 Abb. 13; 65 Taf. 1, 4 (Grab 1, Ende 1.– Anfang 2. Jh. n. Chr.); 66 Taf. 3, 2 (Grab 6, Ende 1.–2. Jh. n. Chr.); 66 f. Taf. 4, 8 (Grab 7a, Ende 1.–Anfang 2. Jh. n. Chr.).
zurück zum  Buch Ein Brandhorizont aus der Zeit der Markomannenkriege im südostnorischen Munizipium Flavia Solva"
Ein Brandhorizont aus der Zeit der Markomannenkriege im südostnorischen Munizipium Flavia Solva
FWF-E-Book-Library
Titel
Ein Brandhorizont aus der Zeit der Markomannenkriege im südostnorischen Munizipium Flavia Solva
Autor
Christoph Hinker
Verlag
Österreichisches Archäologisches Institut
Ort
Wien
Datum
2014
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-ND 3.0
ISBN
978-3-900305-70-3
Abmessungen
21.0 x 29.7 cm
Seiten
344
Schlagwörter
Flavia Solva, materielle Kultur, Artefakt (Archäologie), Brom, Glimmergruppe, Insula, Magerung, Thüringische Drehscheibenkeramik
Kategorien
Geschichte Historische Aufzeichnungen

Inhaltsverzeichnis

  1. Vorwort 7
  2. Einleitung 9
  3. 1 Lage 11
  4. 2 Historischer Kontext 15
    1. 2.1 Die Markomannenkriege und der germanische Einfall in Italien 16
    2. 2.2 Die antoninische Pest 21
  5. 3 Forschungsgeschichte 23
  6. 4 Forschungsmeinungen 27
  7. 5 Quellenkritik 31
  8. 6 Terminologie 35
  9. 7 Taphonomie 37
    1. 7.1 Befunde 38
    2. 7.2 Funde 43
    3. 7.3 Resümee 45
    4. 7.4 Exkurs: ›Pompeji-Prämisse‹ in Flavia Solva? 45
  10. 8 Exkurs: Korrespondierende Befunde im Munizipium Flavia Solva? 49
  11. 9 Die Architektur der Insula XLI (Haus I–VI) 51
  12. 10 Definition von Aktivitätszonen 57
  13. 10.1 Exkurs: Grube G21 66
  14. 10.2 Exkurs: Grube G32 72
  15. 11 Fundauswertung 77
    1. 11.1 Anorganisches Fundmaterial 78
      1. 11.1.1 Glas 78
      2. 11.1.2 Keramik 79
      3. 11.1.3 Metall 120
      4. 11.1.4 Schlacke 130
      5. 11.1.5 Stein 130
    2. 11.2 Organisches Fundmaterial 130
      1. 11.2.1 Archäozoologische Beurteilung der Tierreste 130
      2. 11.2.2 Bein- und Hornartefakte 142
      3. 11.2.3 Archäobotanik 148
  16. 12 Chronologie 153
  17. 13 Technologie und Werkstätten 157
    1. 13.1 Bein- und Hornverarbeitung 159
      1. 13.1.1 Rohstoffe 159
      2. 13.1.2 Produktionskette 160
    2. 13.2 Buntmetallverarbeitung 165
    3. 13.3 Textilproduktion 166
  18. 14 Der Brandhorizont der Insula XLI im urbanen kultur-geschichtlichen Kontext von Flavia Solva 167
  19. 15 Brandzerstörungen aus der Zeit der Markomannenkriege in Noricum, Pannonien und Rätien 171
  20. 16 Diskussion: Ergebnisse und ihr Verhältnis zum historischen Kontext 179
    1. 16.1 Holzarchitektur 180
    2. 16.2 Schadensfeuer 180
    3. 16.3 Pompeji-Prämisse 180
    4. 16.4 Militaria 181
    5. 16.5 Menschliche Skelettreste 182
    6. 16.6 Übrige Funde, speziell Metallfunde 183
    7. 16.7 Bebauungsmuster der Insula XLI nach Periode II/II+ 184
    8. 16.8 Forschungsstand zu Flavia Solva 186
    9. 16.9 Die südostnorische Siedlungslandschaft und das Szenario eines Germaneneinfalls 186
    10. 16.10 Tradierung von Forschungsmeinungen versus kritischer Prüfung 187
    11. 16.11 Fragenkatalog und Synthese 187
  21. 17 Ausblick: Zur Frage der Historizität in der Provinzial- römischen Archäologie 189
  22. 18 Resümee 195
    1. 18.1 Resümee 196
    2. 18.2 Summary 196
  23. 19 Katalog 199
    1. 19.1 Anorganisches Fundmaterial (Kat. 1 – 506) 201
      1. 19.1.1 Glas (Kat. 1 – 3) 201
      2. 19.1.2 Keramik (Kat. 4 – 432) 201
      3. 19.1.3 Metall (Kat. 433 – 499) 238
      4. 19.1.4 Schlacke (Kat. 500 – 504) 243
      5. 19.1.5 Stein (Kat. 505 – 506) 243
    2. 19.2 Organisches Fundmaterial (Kat. 507 – 622) 243
      1. 19.2.1 Bein- und Hornartefakte (Kat. 507 – 623) 243
    3. 19.3 Signifikante Fundstücke ohne Abbildung 252
      1. 19.3.1 Anorganisches Fundmaterial (Kat. 624 – 664) 252
      2. 19.3.2 Organisches Fundmaterial (Kat. 665 – 679) 254
    4. 19.4 Fundstücke von geringerer Signifikanz (ohne Abbildung) 255
      1. 19.4.1 Anorganisches Fundmaterial (Kat. 680 – 822) 255
  24. 20 Tafeln 263
  25. Tafeln 1 – 43 265
  26. Fototafeln 1–9 308
  27. Typentafel mit Tabellen 20 und 21 317
  28. 21 Anhang 321
    1. 21.1 Abkürzungen 322
    2. 21.2 Abgekürzte Typenansprache und Zitierwerke 322
    3. 21.3 Verzeichnis der abgekürzt zitierten Literatur 323
    4. 21.4 Abbildungsnachweise 341
    5. 21.5 Anschriften der Verfasser 341
Web-Books
Bibliothek
Datenschutz
Impressum
Austria-Forum
Austria-Forum
Web-Books
Ein Brandhorizont aus der Zeit der Markomannenkriege im südostnorischen Munizipium Flavia Solva