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Ein Brandhorizont aus der Zeit der Markomannenkriege im südostnorischen Munizipium Flavia Solva
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145 intarsien mit Kreisaugendekor, die von einem Käst- chen stammen, sind in Intercisa-Dunaújváros798 und Nida-Frankfurt/Heddernheim799 nachgewiesen800. Ähnliche Kästchenteile stammen aus Virunum-Zoll- feld801. Vielleicht dürfen auch verschiedene »chest fittings« oder »bone plaques« aus Pompeji als Ver- gleiche herangezogen werden802. An sämtlichen besser erhaltenen rechteckigen Plat- ten ist alternierend an den Schmalseiten eine einfa- che Eckblattung vorhanden. Charakteristische Zap- fen zur Konstruktion eines Scharniers fehlen jedoch, weshalb eine Funktion der Platten als Klappdeckel eher auszuschließen ist. Bohrungen zur Anbrin- gung, z. B. auf einem Holzelement, durch Vernie- tung mit Metall- oder Beinstiften sind an den Platten nicht nachgewiesen. Vielleicht ist deshalb von einer Anbringung oder Verbindung durch Verleimung auszugehen. Bemerkenswert ist die – sofern beide Schmalseiten erhalten sind – ersichtliche, stets alternierend angebrachte Eckblattung. Es dürfte sich deshalb nicht um eine ›Feder‹ oder Schiene, die vergleichbar rechteckigen Kästchen803 mit Schiebe- deckel in einer Nut Aufnahme findet, sondern um ein anderes Verbindungselement zwischen (Käst- chen-[?])Bestandteilen handeln. Die Eckblattungen ermöglichen sowohl Eckverbindungen in einem 90°-Winkel als auch gerade ›Verlängerungen‹ durch Verbindung einzelner Platten. Da sämtliche Platten durch die Hitzeeinwirkung des vorliegenden Brand- befundes kalziniert und verzogen sind, ist schwer zu entscheiden, ob ausschließlich eine der beschrie- benen Verbindungen genutzt wurde. Eine Zusam- menstellung von Platten als Eckverbindung oder gerader Verlängerung zeigt jedenfalls, dass beide Verbindungen grundsätzlich möglich sind. Eher bei Eckverbindungen sind geringfügige Differenzen der Stoßflächen zu beobachten, die jedoch einer- seits auf die thermische Verformung des Materials zurückzuführen sein dürften, andererseits auch vom antiken Handwerker leicht durch wenig Füllmaterial (Dichtungsmasse, Leim etc.) ausgeglichen werden konnten. Auffallend sind im Fundmaterial die aus Metapodien von Rindern angefertigten, quader- bis stabförmigen Halbfabrikate Kat. 542  –  547. Diese weisen an den breiten und schmalen Langseiten parallele Grate auf, die vom Einsatz einer Raspel oder vielleicht eines gezahnten Meißels, Zahneisen etc. stammen könnten. Die Schmalseiten sind dagegen abgesägt worden und korrespondieren dadurch mit der gene- 798 Alföldi 1957, 487 f. Nr. 34. 40 Taf. 34, 1  –  2. 799 Obmann 1997, 60 f. 226 Taf. 14. 800 Biró 2009, 65 Abb. 1, 1; Vass 2009, 84. 87. 801 Gostenčnik 2006, 51  –  53 Taf. 3, 30  –  31. 802 Allison 2006, 57 Taf. 7, 4; 100 Nr. 510 Taf. 36, 5; 176 Nr. 1205  –  1206 Taf. 80, 1  –  2. 803 Deschler-Erb 1998, 180. 398 Taf. 46. rell zu beobachtenden Tendenz, die Epiphysen von der zur Weiterverarbeitung heranzuziehenden Dia- physe durch Absägen zu trennen (vgl. Kap. 13.1.2). Aus den vorliegenden Halbfabrikaten konnten grundsätzlich verschiedene Produkte erzeugt wer- den. Dass mehrere Stücke aus Raum Q in Haus IV vorliegen, spricht vielleicht dafür, dass diese Halb- fabrikate quasi auf Vorrat zur späteren Weiterverar- beitung erzeugt worden waren (vgl. Kap. 10). Bei den Artefakten Kat. 548  –  563 handelt es sich um Abfallstücke oder Halbfabrikate der Leisten und der Verkleidungsplattenproduktion. Zur Herstellung wurden vor allem Langknochen und Schulterblätter von Rindern herangezogen. Einige Stücke könnten auch für die Herstellung von Beinnadeln oder -stili etc. vorgesehen gewesen sein. Während die lang- rechteckigen Stücke Kat. 550  –  551 vielleicht eher mit der Produktion von Leisten wie Kat. 516  –  527 in Verbindung gebracht werden dürfen, könnten die breiteren Stücke Kat. 549, 554  –  555 mit der Pro- duktion von Verkleidungsplatten wie Kat. 530  –  537 in Zusammenhang stehen. Ein dem Beinartefakt Kat. 563 vergleichbares »Werkstück« ist in Sarmi- zegetusa804 nachgewiesen. Für länglichere bearbeitete Beinstreifen wie Kat. 551, 553 und 558 ist schließlich eine Verbin- dung mit der Nadelproduktion zu erwägen (vgl. Kap. 13.1.2). Von den bereits behandelten Platten und Leisten sind verschiedene fragliche Verkleidungsplatten (Kat. 564  –  571), die durch eine wesentlich gerin- gere Wandstärke gekennzeichnet sind, zu unter- scheiden. Von diesen weisen Kat. 567, 570 und 571 grobe Bearbeitungsspuren, vermutlich von einer Raspel, auf (vgl. Kap. 13.1.2). Zur Herstellung wurden besonders Rinderknochen (Rippen, Schul- terblätter) herangezogen. Das Artefakt Kat. 569 besteht aus Horn. Die annähernd rautenförmigen Leisten Kat. 564  –  565 könnten als Dekorelemente zur Ver- kleidung eines Kästchens anzusprechen sein, wie die Rekonstruktion eines vermutlich spätan- tiken Kästchens mit Beinintarsien aus Intercisa- Dunaújváros nahelegt805. Mit Kat. 572  –  575 liegen im Fundmaterial Stücke vor, die als Stäbe (Kat. 572  –  573) oder (Stab-[?]) Fragmente (Kat. 574  –  575) angesprochen werden. Zur Produktion wurden offenbar primär Schulter- blätter von Rindern verwendet. Während es sich bei den Fragmenten auch plausibel um Abfall han- deln kann, wäre die Funktion der beiden Stäbe von jeweils über 6 cm Länge zu diskutieren. Dass es sich um Rohlinge von Nadeln handelt, möchte ich 804 Alicu – Nemeş 1982, 355. 363 Taf. 7, 1. 805 Gáspár 1997, 76 Nr. 2124 Taf. 35 (Erdgrab 322, Ende 4. Jh. n. Chr. [?]).
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Ein Brandhorizont aus der Zeit der Markomannenkriege im südostnorischen Munizipium Flavia Solva
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Titel
Ein Brandhorizont aus der Zeit der Markomannenkriege im südostnorischen Munizipium Flavia Solva
Autor
Christoph Hinker
Verlag
Österreichisches Archäologisches Institut
Ort
Wien
Datum
2014
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-ND 3.0
ISBN
978-3-900305-70-3
Abmessungen
21.0 x 29.7 cm
Seiten
344
Schlagwörter
Flavia Solva, materielle Kultur, Artefakt (Archäologie), Brom, Glimmergruppe, Insula, Magerung, Thüringische Drehscheibenkeramik
Kategorien
Geschichte Historische Aufzeichnungen

Inhaltsverzeichnis

  1. Vorwort 7
  2. Einleitung 9
  3. 1 Lage 11
  4. 2 Historischer Kontext 15
    1. 2.1 Die Markomannenkriege und der germanische Einfall in Italien 16
    2. 2.2 Die antoninische Pest 21
  5. 3 Forschungsgeschichte 23
  6. 4 Forschungsmeinungen 27
  7. 5 Quellenkritik 31
  8. 6 Terminologie 35
  9. 7 Taphonomie 37
    1. 7.1 Befunde 38
    2. 7.2 Funde 43
    3. 7.3 Resümee 45
    4. 7.4 Exkurs: ›Pompeji-Prämisse‹ in Flavia Solva? 45
  10. 8 Exkurs: Korrespondierende Befunde im Munizipium Flavia Solva? 49
  11. 9 Die Architektur der Insula XLI (Haus I–VI) 51
  12. 10 Definition von Aktivitätszonen 57
  13. 10.1 Exkurs: Grube G21 66
  14. 10.2 Exkurs: Grube G32 72
  15. 11 Fundauswertung 77
    1. 11.1 Anorganisches Fundmaterial 78
      1. 11.1.1 Glas 78
      2. 11.1.2 Keramik 79
      3. 11.1.3 Metall 120
      4. 11.1.4 Schlacke 130
      5. 11.1.5 Stein 130
    2. 11.2 Organisches Fundmaterial 130
      1. 11.2.1 Archäozoologische Beurteilung der Tierreste 130
      2. 11.2.2 Bein- und Hornartefakte 142
      3. 11.2.3 Archäobotanik 148
  16. 12 Chronologie 153
  17. 13 Technologie und Werkstätten 157
    1. 13.1 Bein- und Hornverarbeitung 159
      1. 13.1.1 Rohstoffe 159
      2. 13.1.2 Produktionskette 160
    2. 13.2 Buntmetallverarbeitung 165
    3. 13.3 Textilproduktion 166
  18. 14 Der Brandhorizont der Insula XLI im urbanen kultur-geschichtlichen Kontext von Flavia Solva 167
  19. 15 Brandzerstörungen aus der Zeit der Markomannenkriege in Noricum, Pannonien und Rätien 171
  20. 16 Diskussion: Ergebnisse und ihr Verhältnis zum historischen Kontext 179
    1. 16.1 Holzarchitektur 180
    2. 16.2 Schadensfeuer 180
    3. 16.3 Pompeji-Prämisse 180
    4. 16.4 Militaria 181
    5. 16.5 Menschliche Skelettreste 182
    6. 16.6 Übrige Funde, speziell Metallfunde 183
    7. 16.7 Bebauungsmuster der Insula XLI nach Periode II/II+ 184
    8. 16.8 Forschungsstand zu Flavia Solva 186
    9. 16.9 Die südostnorische Siedlungslandschaft und das Szenario eines Germaneneinfalls 186
    10. 16.10 Tradierung von Forschungsmeinungen versus kritischer Prüfung 187
    11. 16.11 Fragenkatalog und Synthese 187
  21. 17 Ausblick: Zur Frage der Historizität in der Provinzial- römischen Archäologie 189
  22. 18 Resümee 195
    1. 18.1 Resümee 196
    2. 18.2 Summary 196
  23. 19 Katalog 199
    1. 19.1 Anorganisches Fundmaterial (Kat. 1 – 506) 201
      1. 19.1.1 Glas (Kat. 1 – 3) 201
      2. 19.1.2 Keramik (Kat. 4 – 432) 201
      3. 19.1.3 Metall (Kat. 433 – 499) 238
      4. 19.1.4 Schlacke (Kat. 500 – 504) 243
      5. 19.1.5 Stein (Kat. 505 – 506) 243
    2. 19.2 Organisches Fundmaterial (Kat. 507 – 622) 243
      1. 19.2.1 Bein- und Hornartefakte (Kat. 507 – 623) 243
    3. 19.3 Signifikante Fundstücke ohne Abbildung 252
      1. 19.3.1 Anorganisches Fundmaterial (Kat. 624 – 664) 252
      2. 19.3.2 Organisches Fundmaterial (Kat. 665 – 679) 254
    4. 19.4 Fundstücke von geringerer Signifikanz (ohne Abbildung) 255
      1. 19.4.1 Anorganisches Fundmaterial (Kat. 680 – 822) 255
  24. 20 Tafeln 263
  25. Tafeln 1 – 43 265
  26. Fototafeln 1–9 308
  27. Typentafel mit Tabellen 20 und 21 317
  28. 21 Anhang 321
    1. 21.1 Abkürzungen 322
    2. 21.2 Abgekürzte Typenansprache und Zitierwerke 322
    3. 21.3 Verzeichnis der abgekürzt zitierten Literatur 323
    4. 21.4 Abbildungsnachweise 341
    5. 21.5 Anschriften der Verfasser 341
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