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nördlich der Donau am Oberleiser Berg885 nachge-
wiesen werden.
In Raum E konnte vor allem Rispenhirse (Abb. 14
Fototaf. 9) festgestellt werden. Nach der Feldzeich-
nung ist eine nähere Verortung der archäobota-
nischen Reste im östlichen Bereich von Raum E,
unmittelbar vor dem Ziegelplattenherd F13 im
östlich benachbarten Raum F vorzunehmen (vgl.
Kap. 10)886. Das vergesellschaftete Keramikgefäß
(Teller [?])887 ist im vorliegenden Fundmaterial lei-
der nicht mehr zu identifizieren.
In Raum I/1 finden sich Saatweizen (Abb. 17 Foto-
taf. 9) sowie geringe Nachweise von Rispenhirse
und Erbse. Die archäobotanischen Reste konnten
im Bereich nordwestlich vor dem Ziegelplattenherd
F 16 aufgedeckt werden und dürfen deshalb viel-
leicht mit einer Nahrungsmittelverarbeitung durch
Kochen oder zumindest Hitzeeinwirkung in Verbin-
dung gebracht werden (vgl. Kap. 10). Ob die vor-
handenen Reste von Saatweizen je nach Bedarf
ausschließlich oder auch zum Mahlen von Mehl für
das Backen von Brot vorgesehen waren, ist nicht
näher einzugrenzen. Wegen des fehlenden Nach-
weises einer Handmühle sowohl in Raum I/1 als
auch in den übrigen Bereichen von Haus II sowie
möglicher anderer Zubereitungsmöglichkeiten ist
jedoch von einer konkreteren Deutung der Feu-
erstelle F16 als (Back-)Ofen abzusehen. Ein ver-
gleichbarer Befund, der durch den Nachweis von
Saatweizen im Bereich einer Herdstelle gekenn-
zeichnet ist, liegt aus Augusta Raurica-Augst vor888.
Aus Raum R liegen vor allem Acker- und/oder Pfer-
debohnen (Fototaf. 9) und geringe Hinweise auf Ris-
penhirse vor (vgl. Kap. 10). Die archäobotanischen
Reste stammen aus einer schwarzen Brandschutt-
schicht (Schicht 16) über dem Mörtel estrich 11
(Schicht 17)889.
Neben den geborgenen und ausgewerteten Tierkno-
chen, die der Nahrungsmittelproduktion zuzurech-
nen sind, ergänzen die besprochenen Nachweise
von verschiedenen Nutzpflanzen unsere Infor-
mationen über die Ernährungsgewohnheiten der
Bevölkerung am westlichen Stadtrand von Flavia
Solva-Wagna in der Zeit um 170 n. Chr. In diesem
Zusammenhang gilt es zu bedenken, dass sowohl
die festgestellten Getreide als auch die nachge-
wiesenen Hülsenfrüchte nicht nur der Ernährung
885 Schneider – Raunjak 1994, Tab. 7 (Spätantike bzw. Völker-
wanderungszeit).
886 Vgl. Groh 1996, 59 Abb. 41; 149.
887 Groh 1996, 148 f. Anm. 388. Auf der Feldzeichnung ist das
Keramikgefäß als (gekappter) Topf vermerkt, was eher mit
dem Objekt auf Groh 1996, 59 Abb. 41 korrespondiert. Nähe-
re Angaben (FNr. etc.) fehlen.
888 Dick 1989, 348 f. Tab. 1.
889 Groh 1996, 149 Plan 7, Profil 8. von Menschen, sondern auch als Tierfutter gedient
haben könnten890. Die römischen Agrarschriftsteller
nennen sowohl Rispenhirse und Weizen als auch
Erbsen und Bohnen als Futterpflanzen891. Inwiefern
diese primär auf Italien zu beziehenden Angaben
für die Provinzen an der Donau Gültigkeit besitzen,
ist freilich schwer einzuschätzen. Der offensichtlich
gereinigte und entspelzte Zustand der Pflanzen-
reste spricht jedenfalls dafür, dass es sich um zur
Futter- oder Nahrungsmittelzubereitung vorgese-
hene Getreide und Hülsenfrüchte handelt. Ein als
Saatweizenvorrat gedeuteter Befund aus Augusta
Raurica-Augst zeigt einerseits, dass das Getreide
offensichtlich in gedroschenem und geworfeltem
Zustand eingelagert wurde, belegt aber andererseits
auch einen gewissen Grad an Verunreinigung892.
Ein als Vorratskeller gedeuteter Befund in Speyer
lieferte Nachweise von Getreide und Hülsenfrüch-
ten, für die nach der Evidenz lediglich großfrüchtiger
Unkrautarten ein Reinigungsprozess durch Sieben
oder Worfeln naheliegend ist893.
Abgesehen vom Saatweizen fehlen Weizenarten
wie Dinkel oder Emmer, aus denen vorzugsweise
Brot gebacken wurde. Rispenhirse dürfte vor allem
als Basis für Breispeisen oder Eintopfgerichte
gedient haben894. Der kontemporäre Nachweis von
Getreide und Hülsenfrüchten indiziert die Bevor-
zugung einer Kost von relativ hoher biologischer
Wertigkeit durch die Verbindung von pflanzlichen
Kohlenhydraten und Proteinen. Inwiefern diese
vegetabilen Nahrungsmittel am westlichen Stadt-
rand von Flavia Solva-Wagna während der mittleren
Kaiserzeit von anderen pflanzlichen Lebensmitteln
ergänzt wurden, ist mangels Erhaltung kaum näher
zu beurteilen. Eine kontemporäre Brunnenverfül-
lung der zweiten Hälfte des 2. Jahr hunderts n. Chr.
in Gönyű in der Pannonia superior weist beispiels-
weise ein sowohl abweichendes als auch wesent-
lich weiteres Spektrum an Nutzpflanzen auf895.
Falls der indirekte Nachweis von Olivenöl durch das
Amphorenfragment Kat. 326 (Groh 1996, AM6, vgl.
Kap. 11.1.2.5.1) primär auf eine Verwendung dieses
Pflanzenöls als Nahrungsmittel (vgl. Kap. 10) und
weniger auf einen Gebrauch für kosmetische Zwe-
cke oder zur Beleuchtung (vgl. Kap. 11.1.2.4) zu
beziehen ist, liegt damit zumindest ein Hinweis auf
die Abdeckung des Bedarfs an pflanzlichen Fetten
mit importiertem Olivenöl vor.
Die Voraussetzungen, das Verhältnis von pflanzli-
cher zu tierischer Nahrung während Periode II/II+
der Insula XLI von Flavia Solva-Wagna näher zu
890 Zur möglichen Tierhaltung auf dem Areal der Insula XLI vgl.
Kap. 10; 11.2.1.
891 Benecke 1994, 171. 173.
892 Furger 1985, 170.
893 König 1993, 128.
894 Wiethold 2012, 317.
895 Gyulai 2009, 79 – 91.
Ein Brandhorizont aus der Zeit der Markomannenkriege im südostnorischen Munizipium Flavia Solva
- Titel
- Ein Brandhorizont aus der Zeit der Markomannenkriege im südostnorischen Munizipium Flavia Solva
- Autor
- Christoph Hinker
- Verlag
- Österreichisches Archäologisches Institut
- Ort
- Wien
- Datum
- 2014
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-900305-70-3
- Abmessungen
- 21.0 x 29.7 cm
- Seiten
- 344
- Schlagwörter
- Flavia Solva, materielle Kultur, Artefakt (Archäologie), Brom, Glimmergruppe, Insula, Magerung, Thüringische Drehscheibenkeramik
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 7
- Einleitung 9
- 1 Lage 11
- 2 Historischer Kontext 15
- 3 Forschungsgeschichte 23
- 4 Forschungsmeinungen 27
- 5 Quellenkritik 31
- 6 Terminologie 35
- 7 Taphonomie 37
- 8 Exkurs: Korrespondierende Befunde im Munizipium Flavia Solva? 49
- 9 Die Architektur der Insula XLI (Haus I–VI) 51
- 10 Definition von Aktivitätszonen 57
- 10.1 Exkurs: Grube G21 66
- 10.2 Exkurs: Grube G32 72
- 11 Fundauswertung 77
- 12 Chronologie 153
- 13 Technologie und Werkstätten 157
- 14 Der Brandhorizont der Insula XLI im urbanen kultur-geschichtlichen Kontext von Flavia Solva 167
- 15 Brandzerstörungen aus der Zeit der Markomannenkriege in Noricum, Pannonien und Rätien 171
- 16 Diskussion: Ergebnisse und ihr Verhältnis zum historischen Kontext 179
- 16.1 Holzarchitektur 180
- 16.2 Schadensfeuer 180
- 16.3 Pompeji-Prämisse 180
- 16.4 Militaria 181
- 16.5 Menschliche Skelettreste 182
- 16.6 Übrige Funde, speziell Metallfunde 183
- 16.7 Bebauungsmuster der Insula XLI nach Periode II/II+ 184
- 16.8 Forschungsstand zu Flavia Solva 186
- 16.9 Die südostnorische Siedlungslandschaft und das Szenario eines Germaneneinfalls 186
- 16.10 Tradierung von Forschungsmeinungen versus kritischer Prüfung 187
- 16.11 Fragenkatalog und Synthese 187
- 17 Ausblick: Zur Frage der Historizität in der Provinzial- römischen Archäologie 189
- 18 Resümee 195
- 19 Katalog 199
- 20 Tafeln 263
- Tafeln 1 – 43 265
- Fototafeln 1–9 308
- Typentafel mit Tabellen 20 und 21 317
- 21 Anhang 321