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nicht zwingend) um innerhalb dieses Spektrums
weniger häufig belegte Typen handelt.
Nach S. Groh ist die Bauperiode II zeitlich ab
150/160 n. Chr. anzusetzen908. Da Artefakte mobil
sind und unabhängig von definierten Bauperioden
sein können, ist die Verwendung älterer Artefakte
während des Nutzungszeitraumes der Periode II
nicht auszuschließen. Bei den Nachweisen von
Terra Sigillata tardo Padana (vgl. Kap. 11.1.2.5.3)
mag es sich entweder um kontemporär mit Bauperi-
ode II verwendete ältere Artefakte oder um Intrusio-
nen älterer Schichten handeln.
Dass auf der relativchronologischen Stratifikation
und dem Verhältnis der Brandschuttschicht zur
Abfolge älterer und jüngerer Baumaßnahmen und
Nutzungszeiträume beruhende und unter Berück-
sichtigung stratifizierter feinchronologisch signifi-
kanter Funde, primär Münzen und Terra Sigillata,
mit der Absolutchronologie verknüpfte chronologi-
sche Gerüst konnte durch die Einbeziehung sämtli-
cher aus der Brandschuttschicht bzw. der Periode II/
II+ zur Verfügung stehender Funde nicht eindeutig
weiter sublimiert, jedoch zumindest bestätigt wer-
den. Den Zeitpunkt des Brandes auf dem Areal der
Insula XLI von Flavia Solva-Wagna nach dem mög-
lichen Erntezeitpunkt der festgestellten Überreste
von Kulturpflanzen näher auf den Zeitraum meh-
rerer Jahreszeiten eingrenzen zu wollen – freilich
ohne dieses ›beliebige‹ Jahr um 170 n. Chr. davon
näher ableiten zu können –, ist problematisch (vgl.
Kap. 11.2.3). Neben den zeitlich engen Parallelen,
die für die im Rahmen dieser Publikation vorgeleg-
ten Funde aus der Periode II/II+ ermittelt werden
konnten (vgl. Kap. 11), ist besonders auf die festzu-
stellende Homogenität von Überresten der materi-
ellen Kultur als chronologisch aussagekräftiges Kri-
terium hinzuweisen. Diesbezüglich sind sowohl die
einheitliche Architektur und Bautechnik (vgl. Kap. 9)
als auch spezielle Ähnlichkeiten hinsichtlich Form
und Herstellungstechnik von Kleinfunden anzufüh-
ren. In Zusammenhang mit den Gefäßkeramikpro-
dukten vorwiegend autochthoner Erzeugung und
Tradition ist nicht nur auf den hohen Grad formaler
und herstellungstechnischer Konformität innerhalb
generierter Typen (z. B. Topf Typ 1), sondern auch
auf gewisse Ähnlichkeiten unterschiedlicher For-
men, die vielleicht auf zusammengehörige Gefäß-
garnituren und -sätze (z. B. Schüssel Typ 1 – Topf
Typ 6 der groben Gefäßkeramik vorwiegend autoch-
thoner Provenienz) zu beziehen sind, zu verweisen
(vgl. Kap. 11.1.2.2).
Die geringe formale und herstellungstechnische
Diversität des vorliegenden Gefäßkeramikspekt-
rums korrespondiert mit der durch den Brandbe-
fund naheliegenden Prämisse einer gleichzeitigen
Deponierung. Die festzustellende formale und her-
908 Groh 1996, 159 f. stellungstechnische Homogenität des vorliegenden
Gefäßkeramikspektrums ist deshalb im konkreten
Fall m. E. plausibel auf eine gewisse Gleichzeitig-
keit eines Großteils der Artefakte bezüglich des Zeit-
raumes nicht nur ihrer Niederlegung, sondern auch
ihrer Erzeugung und Verwendung zu beziehen. Die
aus jüngeren Befunden (z. B. des ausgehenden
2. Jahr hunderts n. Chr. bzw. der frühseverischen
Zeit) vorliegenden Parallelen zu Fundstücken aus
der Periode II/II+ der Insula XLI von Flavia Solva-
Wagna legen nahe, dass für Artefakte, wie sie im
Brandbefund vertreten sind, mit einer Laufzeit, die
über den Zeitpunkt des Brandes um 170 n. Chr. hin-
ausreicht, zu rechnen ist (vgl. Tab. 20 – 21). Für das
in Periode II/II+ vorliegende Artefaktspektrum wird
deshalb, sofern es sich nicht um feinchronologisch
empfindliche Funde, z. B. Terra Sigillata oder chro-
nologisch generell wenig aussagekräftige Fund-
stücke (z. B. Eisennägel und -klammern) handelt,
eine Laufzeit, die mindestens die zweite Hälfte des
2. Jahr hunderts n. Chr. einschließt, vorgeschlagen.
Das heißt, die favorisierte Datierung des Brandbe-
fundes um 170 n. Chr. gibt ausschließlich einen ter-
minus ante quem für die Verwendungszeit der aus
dem Brandschutt der Periode II/II+ der Insula XLI
von Flavia Solva-Wagna geborgenen Artefakte an,
erlaubt allerdings keineswegs, das Ende der Pro-
duktionszeit der generierten Typen und nachgewie-
senen Formen mit diesem Zeitpunkt gleichzusetzen.
Eine exakte zeitliche Korrelierung des Brandhori-
zontes der Periode II/II+ der Insula XLI von Flavia
Solva-Wagna mit annähernd kontemporären Befun-
den im Donau- und Ostalpenraum (vgl. Kap. 15)
vorzunehmen, ist nach den vorliegenden archäolo-
gischen Quellen kaum möglich. Unter Berücksichti-
gung der Lauf- und Verwendungs- oder Zirkulations-
zeiten von Münzen und Terra Sigillata ist auch bei
enger zeitlicher Annäherung stets ein feinchronolo-
gischer Spielraum von fünf bis zehn Jahren einzu-
kalkulieren909.
909 Vgl. dazu die Überlegungen im Zusammenhang mit der Er-
mittlung der Datierung des germanischen Einfalls in Italien im
Kap. 2.
Ein Brandhorizont aus der Zeit der Markomannenkriege im südostnorischen Munizipium Flavia Solva
- Titel
- Ein Brandhorizont aus der Zeit der Markomannenkriege im südostnorischen Munizipium Flavia Solva
- Autor
- Christoph Hinker
- Verlag
- Österreichisches Archäologisches Institut
- Ort
- Wien
- Datum
- 2014
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-900305-70-3
- Abmessungen
- 21.0 x 29.7 cm
- Seiten
- 344
- Schlagwörter
- Flavia Solva, materielle Kultur, Artefakt (Archäologie), Brom, Glimmergruppe, Insula, Magerung, Thüringische Drehscheibenkeramik
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 7
- Einleitung 9
- 1 Lage 11
- 2 Historischer Kontext 15
- 3 Forschungsgeschichte 23
- 4 Forschungsmeinungen 27
- 5 Quellenkritik 31
- 6 Terminologie 35
- 7 Taphonomie 37
- 8 Exkurs: Korrespondierende Befunde im Munizipium Flavia Solva? 49
- 9 Die Architektur der Insula XLI (Haus I–VI) 51
- 10 Definition von Aktivitätszonen 57
- 10.1 Exkurs: Grube G21 66
- 10.2 Exkurs: Grube G32 72
- 11 Fundauswertung 77
- 12 Chronologie 153
- 13 Technologie und Werkstätten 157
- 14 Der Brandhorizont der Insula XLI im urbanen kultur-geschichtlichen Kontext von Flavia Solva 167
- 15 Brandzerstörungen aus der Zeit der Markomannenkriege in Noricum, Pannonien und Rätien 171
- 16 Diskussion: Ergebnisse und ihr Verhältnis zum historischen Kontext 179
- 16.1 Holzarchitektur 180
- 16.2 Schadensfeuer 180
- 16.3 Pompeji-Prämisse 180
- 16.4 Militaria 181
- 16.5 Menschliche Skelettreste 182
- 16.6 Übrige Funde, speziell Metallfunde 183
- 16.7 Bebauungsmuster der Insula XLI nach Periode II/II+ 184
- 16.8 Forschungsstand zu Flavia Solva 186
- 16.9 Die südostnorische Siedlungslandschaft und das Szenario eines Germaneneinfalls 186
- 16.10 Tradierung von Forschungsmeinungen versus kritischer Prüfung 187
- 16.11 Fragenkatalog und Synthese 187
- 17 Ausblick: Zur Frage der Historizität in der Provinzial- römischen Archäologie 189
- 18 Resümee 195
- 19 Katalog 199
- 20 Tafeln 263
- Tafeln 1 – 43 265
- Fototafeln 1–9 308
- Typentafel mit Tabellen 20 und 21 317
- 21 Anhang 321