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cum ist, für die in einem Teilbereich ein konkreter
Brandhorizont aus der Zeit der Markomannenkriege
vorliegt. Für die von der Bernsteinstraße über das
Raabtal zu erreichenden oststeirischen Vici von
Gleisdorf und Saaz sowie die von der Bernstein-
straße entlang der Mur und des Saßbachtales zu
erreichende Villa von Rannersdorf fehlen vergleich-
bare Befunde. Ob die vorliegenden Brandschichten
in Flavia Solva-Wagna und die fraglichen in Kalsdorf
die Annahme eines ›germanischen Vorstoßes‹ aus
östlicher Richtung in das Mur- und Drautal belegen
können, ist zweifelhaft. Die in Zusammenhang mit
einem solchen entweder über das Murtal oder über
Alpenpässe erfolgten Vorstoß immer wieder ange-
führte Zerstörung der Villa von Katsch1025 im oberen
Murtal während der Markomannenkriege ist fraglich
und wurde bereits von G. Alföldy bezweifelt1026. Die
Beobachtung W. Schmids, dass »in den Wohnräu-
men starke Brandspuren sichtbar waren«1027, mag
durchaus zutreffen, dabei ist allerdings zu berück-
sichtigen, dass die Ableitung der Datierung für diese
Brandspuren auf den Funden, besonders den Mün-
zen, aus dem provinzialrömischen Gräberfeld von
Katsch beruht1028.
In der Villa von Grünau konnte in Raum C im Ost-
trakt eine Brand(schutt)schicht festgestellt werden,
für die durch einen Dupondius des Antoninus Pius
von 140/144 n. Chr. ein münzdatierter terminus
post quem vorliegt1029. Der Brand ist der Phase 2
der Villa zuzurechnen. Der Beginn der folgenden
Phase 3 wird bereits um 150/160 n. Chr. angenom-
men1030, könnte nach Ausweis der Funde jedoch
auch einem jüngeren Zeitpunkt (während der zwei-
ten Hälfte des 2. Jahr hunderts n. Chr. [?]) zuzurech-
nen sein, weshalb ein markomannenkriegzeitliches
Datum für das Brandereignis nach der Periodisie-
rung der Villa nicht zwingend auszuschließen ist.
Nach ausgedehnten Brandschichten und antoni-
nischen Münzfunden wurde eine Zerstörung der
Villenanlage von Allersdorf im Lavanttal im Zuge
der Markomannenkriege für wahrscheinlich gehal-
ten1031.
Es ist bei dem derzeitigen Forschungsstand nicht
möglich, die erwähnten archäologisch belegten
Brandereignisse in Flavia Solva-Wagna, Grünau,
Kalsdorf und vielleicht Allersdorf zwingend auf eine
ursächlich zusammenhängende Kette von Ereignis-
sen in der Region (Süd-)Weststeiermark–Lavanttal
zurückzuführen. Die aufgezählten antoninischen
Brandbefunde mögen auf unterschiedliche Ursa-
1025 Böhme 1977, 176; Haider 1993, 253. 258 Anm. 38 (Diskussi-
on).
1026 Alföldy 1974, 153.
1027 Schmid 1929, 107.
1028 Schmid 1929, 137; Ehrenreich 1993, 19.
1029 Lamm 2011, 53 – 55. 340 Abb. 8 d; 427 f. Taf. 75 – 76.
1030 Lamm 2011, 63.
1031 Strelli 1930 – 1934, 220; Piccottini 1989, 21. chen zurückgehen und könnten durchaus zeitliche
Abstände von bis etwa 25 Jahren zueinander auf-
weisen.
Auch für das nördliche Alpenvorland liegen provin-
zialrömische Befunde vor, die mit den Markoman-
nenkriegen in Zusammenhang gebracht werden
können. W. K. Kovacsovics bemerkt zur Geschichte
Iuvavum-Salzburgs: »Aufgrund von Grabungs-
befunden steht offenbar fest, daß die Markoman-
nen und Quaden um 170 n. Chr. bei einem ihrer
Vorstöße nach Süden, auch in Iuvavum einfie-
len und die Stadt zur Gänze in Schutt und Asche
legten.«1032 Er führt dazu weiter aus: »Die Zerstö-
rung wurde anhand einer großflächigen und fast
überall erfassten Brandschicht erkannt, die Brand-
schicht ihrerseits durch das aus ihr stammende
Fundgut [Anm.: um 170 n. Chr.] datiert. […] Die
Ursache der Zerstörung ist nicht sicher ermittelt,
aufgrund ihrer zeitlichen Übereinstimmung mit den
von Kaiser Marc Aurel geführten Markomannenkrie-
gen denkt man jedoch, daß die Zerstörung auch in
Verbindung mit der großen und mittlerweile präzise
in das Jahr 170 n. Chr. datierten Invasion der Mar-
komannen stehen kann.«1033 Die erwähnte Brand-
schicht konnte an über zehn Stellen auf dem Gebiet
des Munizipiums beobachtet werden1034. Als weite-
res Indiz eines ursächlichen Zusammenhangs die-
ser Brandschicht(en)1035 mit den Markomannenkrie-
gen wurde zuletzt von W. K. Kovacsovics und E. M.
Feldinger ein Münzschatz hadrianisch-antoninischer
Nominale aus Iuvavum-Salzburg angeführt1036. Für
den Schatzfund liegt durch einen Sesterz des Marc
Aurel von 167/168 n. Chr. (RIC 952) eine Schluss-
münze vor, die eine Verknüpfung der Deponierung
des Hortes mit den Ereignissen der Markomannen-
kriege nahelegt1037. Die stratigrafische Position des
Fundes über Schichten des 3. Jahr hunderts n. Chr.
wird mit postdepositionalen Prozessen erklärt1038.
Der Münzschatz wäre demnach zur Zeit der Mar-
komannenkriege noch vor dem Einfall der Germa-
nen deponiert und danach nicht geborgen worden,
sondern im Laufe des 3. Jahr hunderts n. Chr. in das
jüngere Stratum gelangt.
Zuletzt diskutierte A. Krammer die Möglichkeit eines
kausalen Zusammenhangs zwischen den Brandbe-
funden in Iuvavum-Salzburg und den kriegerischen
Ereignissen der Markomannenkriege. Sie weist
1032 Kovacsovics 2002, 171.
1033 Kovacsovics 2002, 186.
1034 Kovacsovics 2005, 149. Kritisch zur Verknüpfung punktueller
Brandbefunde innerhalb einer Siedlung zu einem Brandhori-
zont: Fischer 2005, 163.
1035 Vgl. dazu die zitierten methodischen Anmerkungen von C.
Schucany im Kapitel »Exkurs Korrespondierende Befunde im
Munizipium Flavia Solva?«.
1036 Kovacsovics 2005, 149; vgl. Feldinger 2001, 97 f.
1037 Feldinger 2001, 97 – 99. 104.
1038 Feldinger 2001, 97. 100 Anm. 8.
Ein Brandhorizont aus der Zeit der Markomannenkriege im südostnorischen Munizipium Flavia Solva
- Titel
- Ein Brandhorizont aus der Zeit der Markomannenkriege im südostnorischen Munizipium Flavia Solva
- Autor
- Christoph Hinker
- Verlag
- Österreichisches Archäologisches Institut
- Ort
- Wien
- Datum
- 2014
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-900305-70-3
- Abmessungen
- 21.0 x 29.7 cm
- Seiten
- 344
- Schlagwörter
- Flavia Solva, materielle Kultur, Artefakt (Archäologie), Brom, Glimmergruppe, Insula, Magerung, Thüringische Drehscheibenkeramik
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 7
- Einleitung 9
- 1 Lage 11
- 2 Historischer Kontext 15
- 3 Forschungsgeschichte 23
- 4 Forschungsmeinungen 27
- 5 Quellenkritik 31
- 6 Terminologie 35
- 7 Taphonomie 37
- 8 Exkurs: Korrespondierende Befunde im Munizipium Flavia Solva? 49
- 9 Die Architektur der Insula XLI (Haus I–VI) 51
- 10 Definition von Aktivitätszonen 57
- 10.1 Exkurs: Grube G21 66
- 10.2 Exkurs: Grube G32 72
- 11 Fundauswertung 77
- 12 Chronologie 153
- 13 Technologie und Werkstätten 157
- 14 Der Brandhorizont der Insula XLI im urbanen kultur-geschichtlichen Kontext von Flavia Solva 167
- 15 Brandzerstörungen aus der Zeit der Markomannenkriege in Noricum, Pannonien und Rätien 171
- 16 Diskussion: Ergebnisse und ihr Verhältnis zum historischen Kontext 179
- 16.1 Holzarchitektur 180
- 16.2 Schadensfeuer 180
- 16.3 Pompeji-Prämisse 180
- 16.4 Militaria 181
- 16.5 Menschliche Skelettreste 182
- 16.6 Übrige Funde, speziell Metallfunde 183
- 16.7 Bebauungsmuster der Insula XLI nach Periode II/II+ 184
- 16.8 Forschungsstand zu Flavia Solva 186
- 16.9 Die südostnorische Siedlungslandschaft und das Szenario eines Germaneneinfalls 186
- 16.10 Tradierung von Forschungsmeinungen versus kritischer Prüfung 187
- 16.11 Fragenkatalog und Synthese 187
- 17 Ausblick: Zur Frage der Historizität in der Provinzial- römischen Archäologie 189
- 18 Resümee 195
- 19 Katalog 199
- 20 Tafeln 263
- Tafeln 1 – 43 265
- Fototafeln 1–9 308
- Typentafel mit Tabellen 20 und 21 317
- 21 Anhang 321