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Ein Brandhorizont aus der Zeit der Markomannenkriege im südostnorischen Munizipium Flavia Solva
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191 gattungen machen sich insofern bemerkbar, als in der Praxis die Tendenz zu beobachten ist, dass trotz allem Selbstverständnis als letztlich historische Wis- senschaft vorgelegte Ergebnisse archäologischer Forschung weitestgehend auf ein unter Anwendung von Analogie und Induktion gründendes empiri- sches Wissenschaftsverständnis abzielen1151. Ein spezielles Problem hinsichtlich der Verknüpfung des archäologischen Befundes mit der historischen Überlieferung des vorliegenden Fallbeispiels liegt darin, dass die Schriftquellen Ereignisse der Marko- mannenkriege gleichsam aus der ›Perspektive einer römischen Reichsgeschichte‹ schildern, während die archäologischen Befunde der Periode II/II+ der Insula XLI konkret die kontemporäre kulturelle und soziale Lebensrealität an der Peripherie eines süd- ostnorischen Munizipiums illustrieren. Ein Gegen- satz der Blickwinkel, der ohne weitere Quellen, die eine Verknüpfung ermöglichen würden, kaum aufzu- lösen ist. Dieser Gegensatz wurde zuletzt auch am Beispiel Kalkriese1152 oder für die Frühgeschichte am Beispiel des sog. Childerichgrabes1153 erör- tert. Im Rahmen der Studie zu Kalkriese hat sich gezeigt, dass die Archäologie primär Beiträge zur Strukturgeschichte zu leisten vermag, während die Ereignisgeschichte in erster Linie auf den Schrift- quellen beruht. Entsprechend wären nichtschriftli- che Quellen wenig geeignet, substanzielle Beiträge zur Ereignisgeschichte zu leisten, sondern könn- ten diese bestenfalls ergänzen. Wie das zweite, im Rahmen der Studie zu Kalkriese herangezogene Fallbeispiel Waldgirmes zeigt, sind jedoch auch substanzielle Ergänzungen durch die Archäologie möglich1154. Der Grad der möglichen Ergänzung hängt von der jeweils individuellen Konstellation von Daten der Ereignisgeschichte zu archäologischen Quellen ab und ist deshalb für jeden Fall separat zu ermitteln. Auf diesen Sachverhalt hat bereits M. I. Finley hingewiesen1155. Für das vorliegende Fall- beispiel eines markomannenkriegzeitlichen Brand- horizontes der Insula XLI ist festzustellen, dass die für den gegenständlichen Zeitraum vorliegenden Schriftquellen hinsichtlich der Ereignisgeschichte durch die archäologischen Daten kaum zu ergänzen sind. Grundsätzlich ist nichts dagegen einzuwenden, dass sich die beiden Quellengruppen, aus denen Informationen zur vorliegenden Fallstudie gewon- nen werden, ergänzen. Dies funktioniert allerdings nur auf einer sehr allgemeinen Ebene, insofern als 1151 Vgl. Frommer 2007, 100. 348. 1152 Müller-Scheeßel 2011, 132  –  146. 1153 Eggert 2011, 26  –  34. 39 f. 1154 Müller-Scheeßel 2011, 140  –  146. 1155 »It is self-evident that the potential contribution of archaeol- ogy to history is, in a rough way, inversely proportional to the quantity and quality of the available written sources.« Finley 2000, 93. Vgl. Finley 2000, 95. dass die Schriftquellen auf Geschehnisse eingehen, die es erlauben, einen gewissen allgemeinen his- torischen Kontext der Römerzeit im Ostalpenraum während des 2. Jahr hunderts n. Chr. zu erkennen. Dass die Schriftquellen in diesem Zusammenhang sich nicht konkret auf das Munizipium Flavia Solva- Wagna beziehen, bildet ein deutliches Hemmnis und wirkt sich um so gravierender aus, als wie bereits festgestellt wurde, von den vorliegenden archäo- logischen Quellen kaum Beiträge zur Ereignisge- schichte zu erwarten sind. Vonseiten der Schrift- quellen ist eine konkrete Verknüpfung mit Flavia Solva-Wagna und damit vielleicht mit dem Brand- befund der Periode II/II+ der Insula XLI des Munizi- piums nicht möglich1156. Das heißt, der vorliegende archäologische Befund ist zwar von sich aus dem Zeitraum, dem auch die schriftlich überlieferten Mar- komannenkriege angehören, zuzurechnen, erlaubt aber darüber hinaus sensu stricto keine Einbettung in den historischen Rahmen der Ereignisse der Mar- komannenkriege. In der vorliegenden Arbeit behan- delte archäologische Quellen und die sich darauf beziehenden Schriftquellen sind zwar demselben zeitlichen Kontext zuzurechnen, müssen aber nicht zwingend demselben Ereigniskontext angehören. Werden lediglich die vorliegenden Fakten berück- sichtigt, so beginnt und endet die vom Brandbefund der Periode II/II+ der Insula XLI von Flavia Solva- Wagna ableitbare Ereignisgeschichte damit, dass es – aus welchen Gründen auch immer – auf dem Areal der Insula um 170 n. Chr. gebrannt hat. Ein Ergebnis, das sich im Verhältnis zu den Daten der Schriftquellen bescheiden ausnehmen mag, nicht zuletzt, da es vorschnell gezogenen historischen Schlüssen, die einen ›spektakulären‹ Germanenein- fall favorisieren, nicht gerecht wird. Eine Änderung des Fokus, weg von einer asym- metrischen Geschichtsauffassung, deren Schwer- punkt auf der Erfassung von Ereignissen reichsge- schichtlicher Tragweite liegt, hin zu einem breiteren, auch archäologische Quellen zur Alltagsgeschichte berücksichtigenden Geschichtsverständnis eröff- net dagegen die Möglichkeit, das Ungleichgewicht etwas auszugleichen und durch kulturgeschichtlich verwertbare Daten zu ergänzen. Beispielsweise wüssten wir ohne die im vorliegenden Zusammen- hang durchgeführten Auswertungen kaum Nähe- res über spezifische Handwerkstätigkeiten am westlichen Stadtrand des Munizipiums oder darü- ber, dass sich in dieser generell unruhigen Zeit ein Brand – aus welchen Gründen auch immer – ereig- nete. Dass diese kulturgeschichtlichen Daten zur vorliegenden Kernfrage, »ob Flavia Solva von den Markomannen zerstört wurde«, keinen Beitrag zu 1156 Kritisch zur Verbindung archäologischer Zeugnisse mit histo- rischen Nachrichten ohne direkten Bezug: Krause 2000, 65.
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Ein Brandhorizont aus der Zeit der Markomannenkriege im südostnorischen Munizipium Flavia Solva
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Titel
Ein Brandhorizont aus der Zeit der Markomannenkriege im südostnorischen Munizipium Flavia Solva
Autor
Christoph Hinker
Verlag
Österreichisches Archäologisches Institut
Ort
Wien
Datum
2014
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-ND 3.0
ISBN
978-3-900305-70-3
Abmessungen
21.0 x 29.7 cm
Seiten
344
Schlagwörter
Flavia Solva, materielle Kultur, Artefakt (Archäologie), Brom, Glimmergruppe, Insula, Magerung, Thüringische Drehscheibenkeramik
Kategorien
Geschichte Historische Aufzeichnungen

Inhaltsverzeichnis

  1. Vorwort 7
  2. Einleitung 9
  3. 1 Lage 11
  4. 2 Historischer Kontext 15
    1. 2.1 Die Markomannenkriege und der germanische Einfall in Italien 16
    2. 2.2 Die antoninische Pest 21
  5. 3 Forschungsgeschichte 23
  6. 4 Forschungsmeinungen 27
  7. 5 Quellenkritik 31
  8. 6 Terminologie 35
  9. 7 Taphonomie 37
    1. 7.1 Befunde 38
    2. 7.2 Funde 43
    3. 7.3 Resümee 45
    4. 7.4 Exkurs: ›Pompeji-Prämisse‹ in Flavia Solva? 45
  10. 8 Exkurs: Korrespondierende Befunde im Munizipium Flavia Solva? 49
  11. 9 Die Architektur der Insula XLI (Haus I–VI) 51
  12. 10 Definition von Aktivitätszonen 57
  13. 10.1 Exkurs: Grube G21 66
  14. 10.2 Exkurs: Grube G32 72
  15. 11 Fundauswertung 77
    1. 11.1 Anorganisches Fundmaterial 78
      1. 11.1.1 Glas 78
      2. 11.1.2 Keramik 79
      3. 11.1.3 Metall 120
      4. 11.1.4 Schlacke 130
      5. 11.1.5 Stein 130
    2. 11.2 Organisches Fundmaterial 130
      1. 11.2.1 Archäozoologische Beurteilung der Tierreste 130
      2. 11.2.2 Bein- und Hornartefakte 142
      3. 11.2.3 Archäobotanik 148
  16. 12 Chronologie 153
  17. 13 Technologie und Werkstätten 157
    1. 13.1 Bein- und Hornverarbeitung 159
      1. 13.1.1 Rohstoffe 159
      2. 13.1.2 Produktionskette 160
    2. 13.2 Buntmetallverarbeitung 165
    3. 13.3 Textilproduktion 166
  18. 14 Der Brandhorizont der Insula XLI im urbanen kultur-geschichtlichen Kontext von Flavia Solva 167
  19. 15 Brandzerstörungen aus der Zeit der Markomannenkriege in Noricum, Pannonien und Rätien 171
  20. 16 Diskussion: Ergebnisse und ihr Verhältnis zum historischen Kontext 179
    1. 16.1 Holzarchitektur 180
    2. 16.2 Schadensfeuer 180
    3. 16.3 Pompeji-Prämisse 180
    4. 16.4 Militaria 181
    5. 16.5 Menschliche Skelettreste 182
    6. 16.6 Übrige Funde, speziell Metallfunde 183
    7. 16.7 Bebauungsmuster der Insula XLI nach Periode II/II+ 184
    8. 16.8 Forschungsstand zu Flavia Solva 186
    9. 16.9 Die südostnorische Siedlungslandschaft und das Szenario eines Germaneneinfalls 186
    10. 16.10 Tradierung von Forschungsmeinungen versus kritischer Prüfung 187
    11. 16.11 Fragenkatalog und Synthese 187
  21. 17 Ausblick: Zur Frage der Historizität in der Provinzial- römischen Archäologie 189
  22. 18 Resümee 195
    1. 18.1 Resümee 196
    2. 18.2 Summary 196
  23. 19 Katalog 199
    1. 19.1 Anorganisches Fundmaterial (Kat. 1 – 506) 201
      1. 19.1.1 Glas (Kat. 1 – 3) 201
      2. 19.1.2 Keramik (Kat. 4 – 432) 201
      3. 19.1.3 Metall (Kat. 433 – 499) 238
      4. 19.1.4 Schlacke (Kat. 500 – 504) 243
      5. 19.1.5 Stein (Kat. 505 – 506) 243
    2. 19.2 Organisches Fundmaterial (Kat. 507 – 622) 243
      1. 19.2.1 Bein- und Hornartefakte (Kat. 507 – 623) 243
    3. 19.3 Signifikante Fundstücke ohne Abbildung 252
      1. 19.3.1 Anorganisches Fundmaterial (Kat. 624 – 664) 252
      2. 19.3.2 Organisches Fundmaterial (Kat. 665 – 679) 254
    4. 19.4 Fundstücke von geringerer Signifikanz (ohne Abbildung) 255
      1. 19.4.1 Anorganisches Fundmaterial (Kat. 680 – 822) 255
  24. 20 Tafeln 263
  25. Tafeln 1 – 43 265
  26. Fototafeln 1–9 308
  27. Typentafel mit Tabellen 20 und 21 317
  28. 21 Anhang 321
    1. 21.1 Abkürzungen 322
    2. 21.2 Abgekürzte Typenansprache und Zitierwerke 322
    3. 21.3 Verzeichnis der abgekürzt zitierten Literatur 323
    4. 21.4 Abbildungsnachweise 341
    5. 21.5 Anschriften der Verfasser 341
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