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Ein Brandhorizont aus der Zeit der Markomannenkriege im südostnorischen Munizipium Flavia Solva
Seite - 192 -
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192 leisten vermögen1157, schmälert nicht ihr Gewicht bezüglich anderer Fragestellungen. Andererseits ist in Zusammenhang mit dem vorlie- genden Fallbeispiel auch festzustellen, dass sich archäologische Quellen und Schriftquellen nicht widersprechen1158. Das heißt wiederum, dass es nicht möglich ist, einen Zusammenhang zwischen dem Brandbefund der Periode II/II+ der Insula XLI von Flavia Solva-Wagna und der Ereignisgeschichte der Markomannenkriege stringent auszuschließen. Die Auswertung der vorliegenden Befunde und des Fundmaterials widerspricht der Theorie, »Flavia Solva wurde um 170 n. Chr. am westlichen Stadt- rand von einer Gruppe Markomannen gebrand- schatzt« nicht, bestätigt diese allerdings auch nicht. Die Ursachen für dieses ambivalente Verhältnis der Ergebnisse zur zentralen historischen Fragestel- lung liegt in der zur Auswertung herangezogenen Datengrundlage, die hinsichtlich der konkreten The- orie lediglich einen geringen Überprüfbarkeitsgrad aufweist. Spezifische Befunde und Funde (Ske- lettreste mit Kampfspuren, germanische Militaria), die eine tiefergehende Diskussion der Theorie am vorliegenden Fallbeispiel erlauben würden, fehlen (vgl. Kap. 16). Andererseits ist es im vorliegenden Zusammenhang auch nicht möglich, die Tatsache, dass letztere Theorie nach der vorhandenen Daten- grundlage nicht zwingend falsifiziert werden konnte, als Bestätigung der Theorie aufzufassen1159. Eine weitere Annäherung der Diskussion an die auf- gestellte Theorie ist also von archäologischer Seite nur unter Einbeziehung weiterer, hinsichtlich der konkreten Fragestellung aussagekräftigerer Daten möglich. Damit endet auch diese archäologische Diskussion vorerst nolens volens trivialisiert in Beru- fung auf den im konkreten Fall als unzureichend empfundenen Forschungsstand. Ein möglicher Zusammenhang zwischen dem Ein- fall der Markomannen und Quaden in Oberitalien und dem südostnorischen Munizipium beruht also lediglich auf indirekten Schlussfolgerungen. Die Lage der Städte Aquileia und Opitergium-Oderzo, die nach Aussage der Schriftquellen vom Einfall der Markomannen und Quaden betroffen waren, legt nahe, dass die Germanen die Bernsteinstraße als Einfallsroute benutzt hatten. In diese Hypothese werden nun Siedlungen im Einzugsgebiet der Bern- steinstraße integriert, für die wegen ihrer Lage eine germanische Bedrohung als wahrscheinlich erach- tet wird. In Siedlungen an der Bernsteinstraße und in deren Hinterland aufgedeckte archäologische 1157 Vgl. Überlegungen zum Verhältnis von Ereignis und Struktur bei: Koselleck 1987, 184 f. Präzisiert bei Winch 1987, 293: »[…], daß nämlich weder die Ereignisse hinreichend durch Strukturen erklärt werden können noch vice versa, […].« 1158 Vgl. Eggers 2006, 272. 1159 Vgl. Popper 2005, 253. Befunde, die von der archäologischen Forschung als Auswirkungen von Brandereignissen interpre- tiert und mit archäologischen Methoden in den Zeitraum der Markomannenkriege datiert wurden, werden als komplementär zu den Schriftquellen und dem aus diesen rekonstruierten historischen Ver- lauf betrachtet. Der beschriebene Verlauf erscheint grundsätzlich plausibel, es ist jedoch festzuhalten, dass für die vorliegende Fallstudie im Rahmen die- ser Arbeit keine Indizien herausgearbeitet werden konnten, die diese Annahmen eindeutig widerlegen oder bestätigen würden. Ebenso ist es bei der derzeitigen Quellenlage schwierig zu entscheiden, ob oder inwiefern Fla- via Solva-Wagna in antoninischer Zeit von der sog. antoninischen Pest betroffen war. Der Versuch einer Einschätzung kann über einen Analogieschluss unter Heranziehung der diesbezüglich etwas bes- seren Quellenlage des benachbarten Munizipiums Virunum-Zollfeld erfolgen. Für Flavia Solva-Wagna könnte deshalb zumindest mit vergleichbaren Aus- wirkungen gerechnet werden (vgl. Kap. 2). M. K. H. Eggert führt in Anlehnung an J. Rüsen1160 die Möglichkeiten einer hermeneutischen und einer analytischen Vorgehensweise bei der historischen Deutung an, räumt jedoch auch ein, dass in Zusam- menhang mit deren Anwendung in der Archäolo- gie zu hinterfragen wäre, inwiefern diese auf die Archäologie umgelegt werden können1161. Eine Fachrichtung wie die Provinzialrömische Archäolo- gie, die über eine schriftliche Parallelüberlieferung verfügt, besitzt hinsichtlich der erfolgreichen Anwen- dung dieser Methoden wohl zumindest eine gewisse Grundvoraussetzung. In Folge wäre in Zusammen- hang mit dem gegenständlichen Fallbeispiel zu ver- suchen, beispielsweise mithilfe der Schriftquellen humanzeitliche Sinnzusammenhänge menschlicher Aktionen und Interaktionen herzustellen sowie die naturzeitlichen Rahmenbedingungen abzuleiten. Für die Markomannenkriege ließen sich nach dem hermeneutischen Forschungsansatz verschiedene mögliche Sinnzusammenhänge aus den Absichten der historischen Akteure rekonstruieren. Die Dis- kussion um den Zeitpunkt der Einrichtung der prae- tentura Italiae et Alpium vor oder nach dem Einfall der Markomannen und Quaden bis Oberitalien (vgl. Kap. 2) und die damit verbundenen prosopografi- schen Kriterien und sonstigen Überlegungen zur Rekonstruktion des zeitlichen Ablaufs dieser Ereig- nisse dürfen vielleicht als Beispiel angeführt wer- den. Nach der analytischen Vorgehensweise wären ver- schiedene Faktoren, die ein strukturelles Wirkungs- gefüge oder Wirkungszusammenhänge beeinflus- sen, herauszuarbeiten. Als Beispiel sei angeführt, 1160 Zu Rüsens Historik: Goertz 1995, 67  –  73. 1161 Eggert 2006, 209 f.; vgl. Rüsen 1986, 100 f. 119  –  135.
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Ein Brandhorizont aus der Zeit der Markomannenkriege im südostnorischen Munizipium Flavia Solva
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Titel
Ein Brandhorizont aus der Zeit der Markomannenkriege im südostnorischen Munizipium Flavia Solva
Autor
Christoph Hinker
Verlag
Österreichisches Archäologisches Institut
Ort
Wien
Datum
2014
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-ND 3.0
ISBN
978-3-900305-70-3
Abmessungen
21.0 x 29.7 cm
Seiten
344
Schlagwörter
Flavia Solva, materielle Kultur, Artefakt (Archäologie), Brom, Glimmergruppe, Insula, Magerung, Thüringische Drehscheibenkeramik
Kategorien
Geschichte Historische Aufzeichnungen

Inhaltsverzeichnis

  1. Vorwort 7
  2. Einleitung 9
  3. 1 Lage 11
  4. 2 Historischer Kontext 15
    1. 2.1 Die Markomannenkriege und der germanische Einfall in Italien 16
    2. 2.2 Die antoninische Pest 21
  5. 3 Forschungsgeschichte 23
  6. 4 Forschungsmeinungen 27
  7. 5 Quellenkritik 31
  8. 6 Terminologie 35
  9. 7 Taphonomie 37
    1. 7.1 Befunde 38
    2. 7.2 Funde 43
    3. 7.3 Resümee 45
    4. 7.4 Exkurs: ›Pompeji-Prämisse‹ in Flavia Solva? 45
  10. 8 Exkurs: Korrespondierende Befunde im Munizipium Flavia Solva? 49
  11. 9 Die Architektur der Insula XLI (Haus I–VI) 51
  12. 10 Definition von Aktivitätszonen 57
  13. 10.1 Exkurs: Grube G21 66
  14. 10.2 Exkurs: Grube G32 72
  15. 11 Fundauswertung 77
    1. 11.1 Anorganisches Fundmaterial 78
      1. 11.1.1 Glas 78
      2. 11.1.2 Keramik 79
      3. 11.1.3 Metall 120
      4. 11.1.4 Schlacke 130
      5. 11.1.5 Stein 130
    2. 11.2 Organisches Fundmaterial 130
      1. 11.2.1 Archäozoologische Beurteilung der Tierreste 130
      2. 11.2.2 Bein- und Hornartefakte 142
      3. 11.2.3 Archäobotanik 148
  16. 12 Chronologie 153
  17. 13 Technologie und Werkstätten 157
    1. 13.1 Bein- und Hornverarbeitung 159
      1. 13.1.1 Rohstoffe 159
      2. 13.1.2 Produktionskette 160
    2. 13.2 Buntmetallverarbeitung 165
    3. 13.3 Textilproduktion 166
  18. 14 Der Brandhorizont der Insula XLI im urbanen kultur-geschichtlichen Kontext von Flavia Solva 167
  19. 15 Brandzerstörungen aus der Zeit der Markomannenkriege in Noricum, Pannonien und Rätien 171
  20. 16 Diskussion: Ergebnisse und ihr Verhältnis zum historischen Kontext 179
    1. 16.1 Holzarchitektur 180
    2. 16.2 Schadensfeuer 180
    3. 16.3 Pompeji-Prämisse 180
    4. 16.4 Militaria 181
    5. 16.5 Menschliche Skelettreste 182
    6. 16.6 Übrige Funde, speziell Metallfunde 183
    7. 16.7 Bebauungsmuster der Insula XLI nach Periode II/II+ 184
    8. 16.8 Forschungsstand zu Flavia Solva 186
    9. 16.9 Die südostnorische Siedlungslandschaft und das Szenario eines Germaneneinfalls 186
    10. 16.10 Tradierung von Forschungsmeinungen versus kritischer Prüfung 187
    11. 16.11 Fragenkatalog und Synthese 187
  21. 17 Ausblick: Zur Frage der Historizität in der Provinzial- römischen Archäologie 189
  22. 18 Resümee 195
    1. 18.1 Resümee 196
    2. 18.2 Summary 196
  23. 19 Katalog 199
    1. 19.1 Anorganisches Fundmaterial (Kat. 1 – 506) 201
      1. 19.1.1 Glas (Kat. 1 – 3) 201
      2. 19.1.2 Keramik (Kat. 4 – 432) 201
      3. 19.1.3 Metall (Kat. 433 – 499) 238
      4. 19.1.4 Schlacke (Kat. 500 – 504) 243
      5. 19.1.5 Stein (Kat. 505 – 506) 243
    2. 19.2 Organisches Fundmaterial (Kat. 507 – 622) 243
      1. 19.2.1 Bein- und Hornartefakte (Kat. 507 – 623) 243
    3. 19.3 Signifikante Fundstücke ohne Abbildung 252
      1. 19.3.1 Anorganisches Fundmaterial (Kat. 624 – 664) 252
      2. 19.3.2 Organisches Fundmaterial (Kat. 665 – 679) 254
    4. 19.4 Fundstücke von geringerer Signifikanz (ohne Abbildung) 255
      1. 19.4.1 Anorganisches Fundmaterial (Kat. 680 – 822) 255
  24. 20 Tafeln 263
  25. Tafeln 1 – 43 265
  26. Fototafeln 1–9 308
  27. Typentafel mit Tabellen 20 und 21 317
  28. 21 Anhang 321
    1. 21.1 Abkürzungen 322
    2. 21.2 Abgekürzte Typenansprache und Zitierwerke 322
    3. 21.3 Verzeichnis der abgekürzt zitierten Literatur 323
    4. 21.4 Abbildungsnachweise 341
    5. 21.5 Anschriften der Verfasser 341
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