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im Zusammenhang standen. Einerseits gab es schon seit der Wahl 1688 Spannungen zwi-
schen der Äbtissin und der nächsthöchsten Amtsträgerin im Stift, der Dekanissin Sophie
Ernestine zur Lippe186. Letztere hatte selbst Ă„btissin werden wollen, aber die Prinzessin
von Kurland konnte die gewichtige UnterstĂĽtzung ihres Onkels, des KurfĂĽrsten Friedrich
Wilhelm von Brandenburg, in die Waagschale werfen und damit die Wahl fĂĽr sich ent-
scheiden. Dieser schwelende Konflikt war 1696 im Streit um die Errichtung eines neuen
Dekanissinnenhauses eskaliert und zog sich dann ĂĽber Jahre hin. In diesem Zusammen-
hang warf die Dekanissin der Ă„btissin in einem Schreiben an Kaiser Leopold I. vor187, sie
verwehre ihr und der KĂĽsterin die ihnen zustehende Beteiligung an der Stiftsregierung.
Die beiden Amtsträgerinnen riefen deshalb den Kurfürsten von Brandenburg als Schutz-
herrn des Stiftes zu Hilfe.
Dieser – mittlerweile nicht mehr Charlotte Sophies Onkel, sondern ihr Vetter Friedrich,
der spätere König in Preußen – stand seinerseits mit der Herforder Fürstin auf gespanntem
Fuße188. Er sah die relativ eigenständige Amtsführung der Äbtissin mit Misstrauen und war
insgesamt bestrebt, seinen Einfluss auf Stifter in der Nachbarschaft seiner Territorien aus-
zudehnen. Dies betraf neben Herford etwa die reichsunmittelbaren Stifter in Quedlinburg
und Essen189, in denen der KurfĂĽrst Schutzrechte zur Einflussnahme auf die Stiftsregierung
nutzen wollte. Im Falle Herfords kulminierten die Spannungen im Sommer 1698 in einer
Besetzung durch brandenburgische Truppen, durch die die Ă„btissin zur Flucht gezwun-
gen wurde. Charlotte Sophie reiste deshalb zum Reichstag nach Regensburg und von dort
nach Wien, um UnterstĂĽtzung gegen Brandenburg zu suchen und ihre Rechte durch die
Reichsgerichte verteidigen zu lassen190. Allerdings gelang es weder dadurch noch durch an-
schlieĂźende jahrelange Vermittlungsversuche des Landgrafen Karl von Hessen-Kassel, den
Konflikt beizulegen. Er dauerte bis ans Ende der Regentschaft Charlotte Sophies an191.
Es liegt damit nahe, die FĂĽrbitte der Kaiserin als konkreten Versuch zu interpretie-
ren, auf einen Konflikt zwischen Reichsständen – dem Stift Herford und dem Kurfürsten
von Brandenburg – Einfluss zu nehmen. Wahrscheinlich gerade deshalb betonte Eleonora
Magdalena auch, dass die Intervention nicht erbeten worden sei, sondern „auß aigener
besorgnus“192 erfolge, dass sie also nicht zugunsten einer der beiden Konfliktparteien ge-
186 Schröder-Stapper, Fürstäbtissinnen, 167f, 239, 366–368.
187 LANRWM, Herford, Nr. 242, unpag., 17.04.1698.
188 Bei der Wieden, Dekanessen, 111f.; Schröder-Stapper, Fürstäbtissinnen, 119f., 146–149.
189 Schröder-Stapper, Fürstäbtissinnen, 225–233.
190 Schröder-Stapper, Fürstäbtissinnen, 124f., 148f., 225. In Wien nahm die Äbtissin 1700 auch Kon-
takt auf zu Königin Amalie Wilhelmine: HHStA, Familienkorrespondenz A 33/4, Familienkorres-
pondenz A 33/30/1, fol. 107, 8.06.1700.
191 Schröder-Stapper, Fürstäbtissinnen, 270, 277, 424f. 437f., 446f.
192 HHStA, Familienkorrespondenz A 32/3, Register, fol. 36v.
https://doi.org/10.7767/ 9783205213383 | CC BY 4.0
© BRILL Österreich GmbH Böhlau Verlag, Zeltgasse 1/6a, A-1080 Wien
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Buch Die Kaiserin - Reich, Ritual und Dynastie"
Die Kaiserin
Reich, Ritual und Dynastie
- Titel
- Die Kaiserin
- Untertitel
- Reich, Ritual und Dynastie
- Autor
- Katrin Keller
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21338-3
- Abmessungen
- 17.4 x 24.5 cm
- Seiten
- 430
- Schlagwörter
- Heiliges Römisches Reich, Kaiserin, Kulturgeschichte, Geschlechtergeschichte, Krönung
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Kaiserin und Reich: Einleitung 9
- An mulier sit capax imperii? Die Reichspublizistik zur Rolle der Kaiserin 21
- Ăśberblick 22
- Wie wird man Kaiserin? 29
- Inhaltliche Schwerpunkte der Reichspublizistik 36
- Die Majestas-Debatte 36
- Der Rang der Kaiserin: Die Diskussion um die Goldene Bulle 42
- Juribus singularis: Privilegien und Rechte der Kaiserin 47
- Welche Rechte hat die Kaiserin? 48
- Die Erzämter 53
- Das Ius Primariarum Precum 58
- Schluss 62
- Die Krönung der Kaiserin im Heiligen Römischen Reich der Frühen Neuzeit 65
- Der rituelle Ablauf 68
- Traditionen: Die Krönung im Mittelalter 68
- Der Ablauf der Krönung 71
- Ritual und Geschlecht 82
- Die Kaiserinnenkrönung als Inszenierung des Reiches: Konstellationen und Konflikte 86
- Kaiser und KurfĂĽrsten 87
- 1612: Der Neuanfang 103
- 1630: Die Verlegenheitslösung 110
- 1637: Kaiserin und Königin 114
- 1653: Kompetenzen und Präzedenzen 122
- 1690: Zeremonialkonflikte 133
- 1742: Abgesang? 142
- Schluss 153
- Kaiserinnen in den Medien 157
- Kaiserinnen in gedruckten Medien: Ein Ăśberblick 160
- Eigenständige Publikationen 161
- Chronikwerke 171
- Zeitungen 178
- Die Krönung als Medienereignis 181
- Medienformen 183
- Die Krönungsbeschreibungen 191
- Texte und Bilder 200
- Die mediale Präsenz der Krönungen im Vergleich 225
- Die Kaiserin in aller Munde? Die Geburt des Thronfolgers 1716 226
- Lucerna abscondita: Wie gedenkt man einer Kaiserin? 232
- Schluss 241
- Handlungsfelder 245
- Kaiserliche Repräsentation: Audienzen 248
- Audienzen beim Reichstag 1653 252
- Audienzen in Wien 254
- Dauer und Gegenstand von Audienzen 258
- Audienzen für reichsständische Diplomaten 261
- Netzwerke: Korrespondenzen 268
- Zur Ăśberlieferung 268
- Das Korrespondenzregister Kaiserin Eleonora Magdalenas (I) 271
- GruĂźbriefe und Courtoisieschreiben 273
- Jenseits von Korrespondenzen: Patenschaften und Damenorden 277
- FĂĽrbitten 279
- Das Korrespondenzregister Kaiserin Eleonora Magdalenas (II) 279
- Die Kaiserin als FĂĽrsprecherin: Beispiele 284
- Die Regentin: Kaiserin-Witwe Eleonora Magdalena und die Kaiserwahl 1711 297
- Die BegrĂĽndung der Regentschaft 300
- Zum Selbstverständnis der Regentin 304
- Die Kaiserwahl als Aufgabe 309
- Schluss 319
- Kaiserin und Reich: Schluss 323
- Anhang 331
- Die Königinnen und Kaiserinnen der Frühen Neuzeit 331
- Aufenthalte von Königinnen bzw. Kaiserinnen „im Reich“ (ca. 1550 bis 1745) 332
- Korrespondentinnen und Korrespondenten von Kaiserin Eleonora
- Magdalena im Heiligen Römischen Reich 1697–1705 334
- Verwendete Darstellungen der Reichspublizistik 337
- Ungedruckte und gedruckte Krönungsbeschreibungen 344
- Tabellenverzeichnis 354
- Abbildungsverzeichnis 355
- AbkĂĽrzungsverzeichnis 356
- Quellenverzeichnis 357
- Literaturverzeichnis 367
- Gedruckte Quellen und Editionen 367
- Mehrfach zitierte Onlineressoucen 377
- Literatur 378
- Personenregister 410
- Ortsregister 427