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sondern „nur“ zwei Töchter aus der Ehe mit Amalie Wilhelmine von Braunschweig-Lüne-
burg. Damit war sein jüngerer Bruder Karl der einzige Erbe – dieser beanspruchte aber seit
1703 als Karl III. den spanischen Thron und war auf der iberischen Halbinsel in langwierige
militärische Auseinandersetzungen verstrickt. Es war absehbar, dass Karl sein Erbe nicht
umgehend würde antreten können. Sowohl die außenpolitische Konstellation – militärische
Auseinandersetzungen am Rhein und in Norditalien im Kontext des Spanischen Erbfolge-
krieges; Bedrohungen durch die Osmanen und Schweden im Norden und Süden – wie der
noch nicht ganz beigelegte Aufstand im Königreich Ungarn224 erforderten jedoch im Früh-
jahr 1711 dringend Handlungsfähigkeit. Selbst die innere Verwaltung der Erblande würde
sich kaum aufrechterhalten lassen, wenn jede einzelne Entscheidung erst brieflich in Spanien
angefordert und dann auf wochenlangem Postweg nach Wien übermittelt werden müsste225.
Allerdings: Es stand eben kein männlicher Habsburger zur Verfügung, der eine Interims-
regierung hätte führen können. Angesichts der politischen Lage und der Notwendigkeit, in
dieser dynastischen Krisensituation Handlungsfähigkeit zu demonstrieren und sowohl nach
innen wie nach außen Sicherheit und Kontinuität zu signalisieren, entschieden sich die
Wiener Amtsträger noch am Todestag Josephs I. zu einem in Wien bislang nie dagewesenen
Schritt: Sie forderten Kaiserin-Witwe Eleonora Magdalena von Pfalz-Neuburg, die Mutter
Josephs und Karls, auf, die Regentschaft der Erblande inklusive der böhmischen Länder
und Ungarns zu übernehmen. Im Heiligen Römischen Reich dagegen trat entsprechend
der Goldenen Bulle ein Reichsvikariat in Kraft226, bei dem die Kurfürsten von der Pfalz und
von Sachsen quasi geschäftsführend tätig wurden.
Nun hatte es im 16. und 17. Jahrhundert schon einige Habsburgerinnen gegeben, die als
Regentinnen in Erscheinung getreten waren – allerdings vorrangig in den Niederlanden,
also in einem der habsburgischen „Nebenländer“227. In Tirol hatte zwischen 1632 und 1646
Claudia de‘ Medici die Regentschaft für ihren unmündigen Sohn geführt, während man
1590 in Innerösterreich Erzherzogin Maria die Regentschaft unter Hinweis auf die zahl-
reich zur Verfügung stehenden Erzherzöge verwehrt hatte228. Generell war das Instrument
224 Als Überblick: Schnettger, Erbfolgekrieg; Vocelka, Glanz und Untergang, 87–93, 144–154.
225 Zu Übermittlungsdauer und Verlusten von Korrespondenz mit Spanien siehe etwa HHStA, Staa-
tenabteilungen, Spanien, Hofkorrespondenz 13, Fasz. 1, fol. 129r/v, 167r/v; Fasz. 2, fol. 119r–120v;
Fasz. 3, fol. 101r, 23.09.1711, Wien; Arneth, Eigenhändige Correspondenz, 189.
226 Turba, Pragmatische Sanktion, Bd. 1, 129; Arneth, Eigenhändige Correspondenz, 144; Hermkes,
Reichsvikariat, zu 1711 dort 69–77.
227 Libert, Dames de pouvoir; van Wyhe, Isabella Clara; im 18. Jahrhundert dann Eleonoras Tochter
Maria Elisabeth, siehe Hertel, Maria Elisabeth.
228 Weiss, Claudia de‘ Medici, 137–188; Keller, Erzherzogin Maria, 113–120. Für Innerösterreich ver-
wies ein Gutachten ausdrücklich darauf, dass weibliche Regentschaften nicht üblich seien: „Ist bei
disem löblichen Hauß [Österreich] nicht gebreuchig unnd in etlichen Hundert Jaren nie erhört
https://doi.org/10.7767/ 9783205213383 | CC BY 4.0
© BRILL Österreich GmbH Böhlau Verlag, Zeltgasse 1/6a, A-1080 Wien
Die Kaiserin
Reich, Ritual und Dynastie
- Titel
- Die Kaiserin
- Untertitel
- Reich, Ritual und Dynastie
- Autor
- Katrin Keller
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21338-3
- Abmessungen
- 17.4 x 24.5 cm
- Seiten
- 430
- Schlagwörter
- Heiliges Römisches Reich, Kaiserin, Kulturgeschichte, Geschlechtergeschichte, Krönung
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Kaiserin und Reich: Einleitung 9
- An mulier sit capax imperii? Die Reichspublizistik zur Rolle der Kaiserin 21
- Überblick 22
- Wie wird man Kaiserin? 29
- Inhaltliche Schwerpunkte der Reichspublizistik 36
- Die Majestas-Debatte 36
- Der Rang der Kaiserin: Die Diskussion um die Goldene Bulle 42
- Juribus singularis: Privilegien und Rechte der Kaiserin 47
- Welche Rechte hat die Kaiserin? 48
- Die Erzämter 53
- Das Ius Primariarum Precum 58
- Schluss 62
- Die Krönung der Kaiserin im Heiligen Römischen Reich der Frühen Neuzeit 65
- Der rituelle Ablauf 68
- Traditionen: Die Krönung im Mittelalter 68
- Der Ablauf der Krönung 71
- Ritual und Geschlecht 82
- Die Kaiserinnenkrönung als Inszenierung des Reiches: Konstellationen und Konflikte 86
- Kaiser und Kurfürsten 87
- 1612: Der Neuanfang 103
- 1630: Die Verlegenheitslösung 110
- 1637: Kaiserin und Königin 114
- 1653: Kompetenzen und Präzedenzen 122
- 1690: Zeremonialkonflikte 133
- 1742: Abgesang? 142
- Schluss 153
- Kaiserinnen in den Medien 157
- Kaiserinnen in gedruckten Medien: Ein Überblick 160
- Eigenständige Publikationen 161
- Chronikwerke 171
- Zeitungen 178
- Die Krönung als Medienereignis 181
- Medienformen 183
- Die Krönungsbeschreibungen 191
- Texte und Bilder 200
- Die mediale Präsenz der Krönungen im Vergleich 225
- Die Kaiserin in aller Munde? Die Geburt des Thronfolgers 1716 226
- Lucerna abscondita: Wie gedenkt man einer Kaiserin? 232
- Schluss 241
- Handlungsfelder 245
- Kaiserliche Repräsentation: Audienzen 248
- Audienzen beim Reichstag 1653 252
- Audienzen in Wien 254
- Dauer und Gegenstand von Audienzen 258
- Audienzen für reichsständische Diplomaten 261
- Netzwerke: Korrespondenzen 268
- Zur Überlieferung 268
- Das Korrespondenzregister Kaiserin Eleonora Magdalenas (I) 271
- Grußbriefe und Courtoisieschreiben 273
- Jenseits von Korrespondenzen: Patenschaften und Damenorden 277
- Fürbitten 279
- Das Korrespondenzregister Kaiserin Eleonora Magdalenas (II) 279
- Die Kaiserin als Fürsprecherin: Beispiele 284
- Die Regentin: Kaiserin-Witwe Eleonora Magdalena und die Kaiserwahl 1711 297
- Die Begründung der Regentschaft 300
- Zum Selbstverständnis der Regentin 304
- Die Kaiserwahl als Aufgabe 309
- Schluss 319
- Kaiserin und Reich: Schluss 323
- Anhang 331
- Die Königinnen und Kaiserinnen der Frühen Neuzeit 331
- Aufenthalte von Königinnen bzw. Kaiserinnen „im Reich“ (ca. 1550 bis 1745) 332
- Korrespondentinnen und Korrespondenten von Kaiserin Eleonora
- Magdalena im Heiligen Römischen Reich 1697–1705 334
- Verwendete Darstellungen der Reichspublizistik 337
- Ungedruckte und gedruckte Krönungsbeschreibungen 344
- Tabellenverzeichnis 354
- Abbildungsverzeichnis 355
- Abkürzungsverzeichnis 356
- Quellenverzeichnis 357
- Literaturverzeichnis 367
- Gedruckte Quellen und Editionen 367
- Mehrfach zitierte Onlineressoucen 377
- Literatur 378
- Personenregister 410
- Ortsregister 427