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318 Handlungsfelder
Ungeachtet ihres durchaus selbstbewussten Auftretens in Bezug auf Amtsträger am
Wiener Hof wie in Ungarn war sie sich unzweifelhaft darüber im Klaren, dass sie in Hin-
blick auf das Reich lediglich in Stellvertretung ihres Sohnes handeln konnte312. Das verhin-
derte nicht, dass sie ihre Verantwortung gegenüber dem Reich thematisierte: Im Zusam-
menhang mit den österreichischen Beiträgen zur Finanzierung des Reichsheeres habe sie in
Regensburg Gelder zugesagt, so argumentierte sie gegenüber ihrem Bruder, die dieser nun
durch eine Steuerausschreibung in Bayern einbringen solle, „dißes gereichete so woll zu
des gemeinen besten als das ich meinen dem Reich gegebenen verschprechen ein genüegen
duen undt bey reputation erhalten werde, gleich auch dises zue dißes haus dienst“313. Die
von ihr als Regentin eingegangenen Verpflichtungen zu erfüllen war demnach für ihr An-
sehen als Fürstin bedeutsam.
Dabei war es nicht ihr Rang als Kaiserin, sondern ihre dynastische Stellung als Witwe,
als Mutter des Thronanwärters oder als Schwester eines der Königswähler, die ihr erkenn-
bare Spielräume eröffneten. Diese abgeleitete Basis ihrer Legitimität beschränkte und er-
schwerte das Regierungshandeln in verschiedener Hinsicht – besonders in Hinblick auf
die Ausarbeitung der Wahlkapitulation etwa formulierte Wratislaw explizit, dass man hier
manches hätte einfacher verhandeln können, wenn Karl als König von Böhmen selbst
anwesend gewesen wäre314. Auch wenn Eleonora Magdalena dies ebenso erkannte und Vor-
kehrungen zu treffen suchte, konnte sie nur über die böhmischen Gesandten Einfluss neh-
men und Rücksprache mit Spanien halten315. Grenzen der Regentschaft zeigten sich ebenso
durch das Agieren der beiden Reichsvikare und der Kurfürsten. Dass die Kaiserin-Witwe
hier ihre dynastischen Verbindungen zum Kurfürsten von der Pfalz offensiv zugunsten
ihres Sohnes nutzte, schützte sie nicht vor Verdächtigungen Wratislaws hinsichtlich ihrer
dynastischen Loyalität zwischen Sohn und Bruder, die sich aber aus der direkten Korres-
pondenz mit Johann Wilhelm nicht erhärten lassen.
Als Regentin in Wien nahm die Kaiserin-Witwe in begrenztem Umfang reichsfürst-
liche Kompetenzen wahr, insbesondere mit der Vorbereitung der böhmischen Wahlge-
sandtschaft und in der Debatte um deren Prätentionen während der Wahlverhandlun-
gen, aber auch durch Verhandlungen zur Frage des Prinzipalgesandten in Regensburg und
Ähnliches. Damit unterschieden sich ihre Handlungsfelder freilich nicht von denen einer
312 Dies wird direkt greifbar auch darin, dass sie in den Unterlagen zur Kaiserwahl 1711 in dem Mo-
ment nicht mehr in Erscheinung trat, in dem Karl gewählt worden war. Danach gibt es keine
überlieferte Korrespondenz mehr.
313 BayHStA, Kasten blau 44/10, fol. 206r/v, 18.07.1711.
314 Arneth, Eigenhändige Correspondenz, 190, 192. Zu den Wahlkapitulationen siehe Burgdorf,
Wahlkapitulationen, für 1711 313–363.
315 HHStA, Staatenabteilungen, Spanien, Hofkorrespondenz 13, Fasz. 3, fol. 23r–29r, 8.07.1711.
https://doi.org/10.7767/ 9783205213383 | CC BY 4.0
© BRILL Österreich GmbH Böhlau Verlag, Zeltgasse 1/6a, A-1080 Wien
Die Kaiserin
Reich, Ritual und Dynastie
- Titel
- Die Kaiserin
- Untertitel
- Reich, Ritual und Dynastie
- Autor
- Katrin Keller
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21338-3
- Abmessungen
- 17.4 x 24.5 cm
- Seiten
- 430
- Schlagwörter
- Heiliges Römisches Reich, Kaiserin, Kulturgeschichte, Geschlechtergeschichte, Krönung
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Kaiserin und Reich: Einleitung 9
- An mulier sit capax imperii? Die Reichspublizistik zur Rolle der Kaiserin 21
- Überblick 22
- Wie wird man Kaiserin? 29
- Inhaltliche Schwerpunkte der Reichspublizistik 36
- Die Majestas-Debatte 36
- Der Rang der Kaiserin: Die Diskussion um die Goldene Bulle 42
- Juribus singularis: Privilegien und Rechte der Kaiserin 47
- Welche Rechte hat die Kaiserin? 48
- Die Erzämter 53
- Das Ius Primariarum Precum 58
- Schluss 62
- Die Krönung der Kaiserin im Heiligen Römischen Reich der Frühen Neuzeit 65
- Der rituelle Ablauf 68
- Traditionen: Die Krönung im Mittelalter 68
- Der Ablauf der Krönung 71
- Ritual und Geschlecht 82
- Die Kaiserinnenkrönung als Inszenierung des Reiches: Konstellationen und Konflikte 86
- Kaiser und Kurfürsten 87
- 1612: Der Neuanfang 103
- 1630: Die Verlegenheitslösung 110
- 1637: Kaiserin und Königin 114
- 1653: Kompetenzen und Präzedenzen 122
- 1690: Zeremonialkonflikte 133
- 1742: Abgesang? 142
- Schluss 153
- Kaiserinnen in den Medien 157
- Kaiserinnen in gedruckten Medien: Ein Überblick 160
- Eigenständige Publikationen 161
- Chronikwerke 171
- Zeitungen 178
- Die Krönung als Medienereignis 181
- Medienformen 183
- Die Krönungsbeschreibungen 191
- Texte und Bilder 200
- Die mediale Präsenz der Krönungen im Vergleich 225
- Die Kaiserin in aller Munde? Die Geburt des Thronfolgers 1716 226
- Lucerna abscondita: Wie gedenkt man einer Kaiserin? 232
- Schluss 241
- Handlungsfelder 245
- Kaiserliche Repräsentation: Audienzen 248
- Audienzen beim Reichstag 1653 252
- Audienzen in Wien 254
- Dauer und Gegenstand von Audienzen 258
- Audienzen für reichsständische Diplomaten 261
- Netzwerke: Korrespondenzen 268
- Zur Überlieferung 268
- Das Korrespondenzregister Kaiserin Eleonora Magdalenas (I) 271
- Grußbriefe und Courtoisieschreiben 273
- Jenseits von Korrespondenzen: Patenschaften und Damenorden 277
- Fürbitten 279
- Das Korrespondenzregister Kaiserin Eleonora Magdalenas (II) 279
- Die Kaiserin als Fürsprecherin: Beispiele 284
- Die Regentin: Kaiserin-Witwe Eleonora Magdalena und die Kaiserwahl 1711 297
- Die Begründung der Regentschaft 300
- Zum Selbstverständnis der Regentin 304
- Die Kaiserwahl als Aufgabe 309
- Schluss 319
- Kaiserin und Reich: Schluss 323
- Anhang 331
- Die Königinnen und Kaiserinnen der Frühen Neuzeit 331
- Aufenthalte von Königinnen bzw. Kaiserinnen „im Reich“ (ca. 1550 bis 1745) 332
- Korrespondentinnen und Korrespondenten von Kaiserin Eleonora
- Magdalena im Heiligen Römischen Reich 1697–1705 334
- Verwendete Darstellungen der Reichspublizistik 337
- Ungedruckte und gedruckte Krönungsbeschreibungen 344
- Tabellenverzeichnis 354
- Abbildungsverzeichnis 355
- Abkürzungsverzeichnis 356
- Quellenverzeichnis 357
- Literaturverzeichnis 367
- Gedruckte Quellen und Editionen 367
- Mehrfach zitierte Onlineressoucen 377
- Literatur 378
- Personenregister 410
- Ortsregister 427