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1. Tendenzen und historische Entwicklung der Hanslick-Forschung
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hiermit Hanslicks Konzept als „dritte Richtung der spezifisch musikalischen
Schönheit“.116 Hanslicks Separation vom Herbart’schen Formalismus, die stu-
fenweise eintretende Verschiebung der diesbezüglichen Quellenforschung hin
zur idealistischen Systemästhetik und die abklingende Popularität von Her-
barts Schriften im 20. Jahrhundert führten sodann dazu, dass der vormalige
Gegenpol zu Hegels System von der Hanslick-Forschung nur mehr sehr spo-
radisch behandelt wurde.117 Khittl konnte somit im Jahr 1992 zutreffend fest-
stellen, dass Herbarts Ästhetik „konsequent aus der Sekundärliteratur ausge-
grenzt“ werde, „obwohl Hanslick selbst auf den Einfluß Herbarts hinweist und
die zeitgenössische Kritik des 19. Jahrhunderts Hanslick den ‚Herbartianern‘
zurechnet“.118
Die rezent wieder steigende Relevanz von Herbarts Schriften für die his-
torische Einordnung von Hanslicks Hypothese ging dann um das Jahr 1990
auf die graduell verstärkte Reflexion der direkten Kontexte von Hanslicks
VMS-Traktat zurück, welche neben Herbart ebenso dessen Prager Freund
Zimmermann und das lokale Milieu von Hanslicks Erziehung sukzessive mit-
einbegriff. Während Lothar Schmidt das Argument Hanslicks im Jahr 1989 aus
der deutschen Ästhetik-Tradition abzuleiten versuchte und Hanslicks Theo-
reme aus den Ansätzen von Goethe, Hegel, Kant, Nägeli, Schelling, Schiller,
Solger, Triest und vor allem Christan Friedrich Michaelis folgern möchte,119
untersuchte gleichzeitig Payzant Hanslicks Prager Jugend und gewann hier-
mit wichtige Einsichten,120 die wenig später in Eduard Hanslick and Ritter Berlioz
116 Schäfke, Eduard Hanslick (wie Anm. 21), S. 6. Als Beispiele für die prekäre Ansicht einer
exklusiven Konkurrenz von Formal-/Autonomieästhetik und Inhalts-/Heteronomieäs-
thetik vgl.: Felix Gatz, Die Musik-Ästhetik grosser Komponisten. Ein Quellenbuch, Stuttgart
1929, S. 9–25; Glen Haydon, Introduction to Musicology: A Survey of the Fields, New York
1941, S. 140–146. Für deren historische Einbettung siehe vor allem: Matthias Tischer,
„Gefühlsästhetik und Konzepte der Vergeistigung“, in Geyer/Radecke, Aufbrüche –
Fluchtwege (wie Anm. 37), S. 39–50.
117 Für mehrere markante Ausnahmen vor den 1990er Jahren siehe aber auch: Kurt Huber,
Musikästhetik, hrsg. von Otto Ursprung, Ettal 1954, S. 70; Rudolf Heinz, Geschichtsbegriff
und Wissenschaftscharakter der Musikwissenschaft in der zweiten Hälfte des 19.Â
Jahrhunderts. Phi-
losophische Aspekte einer Wissenschaftsentwicklung, Regensburg 1968, S. 127; Breitkreutz,
Eduard Hanslick (wie Anm. 39), S. 225–235; Glatt, Eduard Hanslick (wie Anm. 34), S. 96;
Hans-Dieter Klein, „Ästhetische Strömungen in der zweiten Hälfte des 19.Â
Jahr hunderts“,
in Bruckner-Symposion. Johannes Brahms und Anton Bruckner, hrsg. von Othmar Wessely,
Linz 1985, S. 197–200, hier S. 199.
118 Christoph Khittl, „Eduard Hanslicks Verhältnis zur Ästhetik“, in Biographische Beiträge
zum Musikleben Wiens im 19. und frühen 20.Â
Jahrhundert. Leopoldine Blahetka, Eduard Hanslick,
Robert Hirschfeld, hrsg. von Friedrich C. Heller, Wien 1992, S. 81–109, hier S. 85f.
119 Schmidt, „Hanslicks Formbegriff“ (wie Anm. 53).
120 Geoffrey Payzant, „Eduard Hanslick and Bernhard Gutt“, in MR 50 (1989), S. 124–133.
Re-Reading Hanslick's Aesheticts
Die Rezeption Eduard Hanslicks im englischen Sprachraum und ihre diskursiven Grundlagen
- Title
- Re-Reading Hanslick's Aesheticts
- Subtitle
- Die Rezeption Eduard Hanslicks im englischen Sprachraum und ihre diskursiven Grundlagen
- Author
- Alexander Wilfing
- Publisher
- Hollitzer Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-99012-526-7
- Size
- 16.0 x 24.0 cm
- Pages
- 434
- Keywords
- Eduard Hanslick, Formalismus, Musikästhetik, Musik und Gefühl, Emotionstheorie, analytische Philosophie, New Musicology, Immanuel Kant, Peter Kivy, Stephen Davies, Edmund Gurney, Adam Smith
- Category
- Biographien
Table of contents
- Danksagung 7
- Vorwort und Inhalte 9
- 1. Tendenzen und historische Entwicklung der Hanslick-Forschung 17
- 1.1. Die historische Forschung zu Hanslicks VMS-Traktat 20
- 1.2. Hanslick und die ‚idealistische‘ Philosophie 25
- 1.3. Hanslick und die ‚österreichische‘ Philosophie 35
- 1.4. Die soziokulturelle Kontextualisierung von Hanslicks VMS-Traktat 48
- 1.5. Die bisherige Forschung zur historischen Hanslick-Rezeption 62
- 1.6. Anhang – Hanslicks „tönend bewegte Form[en]“ 75
- 2. These und Exkurs: Hanslick Methodik – Ästhetik versus Kritik 83
- 3. Die historische Entwicklung der anglophonen Hanslick-Rezeption 117
- 3.1. Die erste englische Ãœbersetzung von Hanslicks VMS-Traktat 120
- 3.2. Erste Konsequenz aus Poles Ãœbersetzung: Differente Hanslick- Diskurse 125
- 3.3. Die anglophone Musikästhetik im 18. Jahrhundert: Beattie und Smith 136
- 3.4. Zweite Konsequenz aus Poles Ãœbersetzung: Gurneys Power of Sound 146
- 3.5. The Beautiful in Music (1891) und On the Musically Beautiful (1986) 159
- 3.6. Anhang – Hanslick’sche Rezensionen in Dwight’s Journal of Music 176
- 4. Was ist ästhetischer Formalismus? – Definition, Geschichte,Vertreter 179
- 5. Hanslick und die analytische Philosophie: eine produktive Rezeption 253
- Literaturverzeichnis
- Abkürzungsverzeichnis 329
- Quellentexte (Deutsch) 329
- Quellentexte (Englisch) 332
- Forschungsliteratur 333
- Namensindex 423