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2.3. Legendenbildung: die absolute Ästhetik Hanslicks
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len Stücken nach Hanslicks Hypothese nicht exakt von den „Worte[n], der
Handlung, der Dekoration getrennt werden“ könne (VMS, S. 53), da er falsche
Schlüsse auf die spezifische musikalische Komponente unterbinden möchte,
folgert Geck, dass vokale Musik „geringer zu schätzen“ und programmati-
sche Instrumental musik „geradezu abzulehnen“ sei: „Kunstwert hat allein die
‚reine absolute Tonkunst‘.“440 Dass Geck hier aber kontextlos operierte, kann
schon daraus ersehen werden, dass eine fundamentale Qualifikation von Hans-
licks Textstelle komplett ignoriert wird, wie die folgende Passage bezeugt:
„Sogar Tonstücke mit bestimmten Ueberschriften oder Programmen müssen
wir ablehnen, wo es sich um den ‚Inhalt‘ [!] der Musik handelt“ (VMS, S. 53).
Diese werden somit nirgends ‚geradezu abgelehnt‘, sondern lediglich metho-
disch ausgesondert, da Hanslick sich schlicht weigert, aus einer poetisierten
Musikgattung die intrinsischen Möglichkeiten der ‚reinen, absoluten Ton-
kunst‘ abzuleiten.
Trotz allem hatte Hübner ebenfalls vermutet, dass vokale Stücke von
Hanslick als logische „Mißgestalt“ gesehen wurden,441 was man auch noch bei
Blumröder und Steinbeck findet, für die Hanslicks Auffassung bedeutete, dass
„jede Form der Vermengung der Künste“ von ihm durchweg abgelehnt wer-
de,442 womit Hanslicks Argument aber eindeutig verfehlt wird.443 Diese Les-
art hat sich dann auch im englischen Sprachraum zunehmend durchgesetzt:
Aus der neueren Literatur sollen einzig zentrale Autoren wie Philip Alperson,
Theodore Gracyk, Aaron Ridley, Robert Sharpe und Nick Zangwill genannt
werden,444 die ebenfalls behaupten, dass Hanslick die ‚reine‘ Musik gegenüber
gemischten Gattungen bevorzugt, Letztere gar als ‚subordinate‘ eingeschätzt
und eine regelrechte Hierarchie der musikalischen Großformen implementiert
440 Martin Geck, Von Beethoven bis Mahler. Die Musik des deutschen Idealismus, Stuttgart/Wei-
mar 1993, S. 128.
441 Kurt Hübner, Die zweite Schöpfung. Das Wirkliche in Kunst und Musik, München 1994, S.Â
32.
442 Christoph von Blumröder und Wolfram Steinbeck, Die Symphonie im 19. und 20. Jahrhun-
dert, Laaber 2002, Bd. 1, S. 140. Letzterer hat nochmals postuliert, dass Hanslick der
„absoluten Musik die alleinige Existenzberechtigung zuerkannte“. Steinbeck, „Roman-
tik als Klassik“, in Wiener Klassik. Ein musikgeschichtlicher Begriff in Diskussion, hrsg. von
Gernot Gruber, Wien/Köln/Weimar 2002, S. 65–74, hier S. 72.
443 Aus rezenter ‚deutscher‘ Literatur siehe hier auch noch: Betzler/Nida-Rümelin/Cojocaru,
Kunstphilosophie (wie Anm. 259), S. 406; Christoph Asmuth, „Was bedeutet Musik? Eine
kritische Untersuchung musikalischer Referenz“, in MK 11 (2007), S. 70–86, hier S. 85;
Peter Rinderle, Musik, Emotionen und Ethik, Freiburg/München 2011, S. 29.
444 Alperson, „Formalism and Beyond“ (wie Anm.Â
351), S.Â
260; Aaron Ridley, The Philosophy
of Music: Theme and Variations, Edinburgh 2004, S. 77f.; R. A. Sharpe, Philosophy of Music:
An Introduction, Chesam 2004, S. 17; Nick Zangwill, Music and Aesthetic Reality: Formalism
and the Limits of Description, London/New York 2015, S. 8; Theodore Gracyk, „Aesthetics
of Popular Music“, in IEP, Kap. 1.
Re-Reading Hanslick's Aesheticts
Die Rezeption Eduard Hanslicks im englischen Sprachraum und ihre diskursiven Grundlagen
- Title
- Re-Reading Hanslick's Aesheticts
- Subtitle
- Die Rezeption Eduard Hanslicks im englischen Sprachraum und ihre diskursiven Grundlagen
- Author
- Alexander Wilfing
- Publisher
- Hollitzer Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-99012-526-7
- Size
- 16.0 x 24.0 cm
- Pages
- 434
- Keywords
- Eduard Hanslick, Formalismus, Musikästhetik, Musik und Gefühl, Emotionstheorie, analytische Philosophie, New Musicology, Immanuel Kant, Peter Kivy, Stephen Davies, Edmund Gurney, Adam Smith
- Category
- Biographien
Table of contents
- Danksagung 7
- Vorwort und Inhalte 9
- 1. Tendenzen und historische Entwicklung der Hanslick-Forschung 17
- 1.1. Die historische Forschung zu Hanslicks VMS-Traktat 20
- 1.2. Hanslick und die ‚idealistische‘ Philosophie 25
- 1.3. Hanslick und die ‚österreichische‘ Philosophie 35
- 1.4. Die soziokulturelle Kontextualisierung von Hanslicks VMS-Traktat 48
- 1.5. Die bisherige Forschung zur historischen Hanslick-Rezeption 62
- 1.6. Anhang – Hanslicks „tönend bewegte Form[en]“ 75
- 2. These und Exkurs: Hanslick Methodik – Ästhetik versus Kritik 83
- 3. Die historische Entwicklung der anglophonen Hanslick-Rezeption 117
- 3.1. Die erste englische Ãœbersetzung von Hanslicks VMS-Traktat 120
- 3.2. Erste Konsequenz aus Poles Ãœbersetzung: Differente Hanslick- Diskurse 125
- 3.3. Die anglophone Musikästhetik im 18. Jahrhundert: Beattie und Smith 136
- 3.4. Zweite Konsequenz aus Poles Ãœbersetzung: Gurneys Power of Sound 146
- 3.5. The Beautiful in Music (1891) und On the Musically Beautiful (1986) 159
- 3.6. Anhang – Hanslick’sche Rezensionen in Dwight’s Journal of Music 176
- 4. Was ist ästhetischer Formalismus? – Definition, Geschichte,Vertreter 179
- 5. Hanslick und die analytische Philosophie: eine produktive Rezeption 253
- Literaturverzeichnis
- Abkürzungsverzeichnis 329
- Quellentexte (Deutsch) 329
- Quellentexte (Englisch) 332
- Forschungsliteratur 333
- Namensindex 423