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3. Die historische Entwicklung der anglophonen Hanslick-Rezeption
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in sound“ ansah555 und der zweite Autor dieses gar nur als „arabesque of
sound“ fasste.556 Obzwar Hospers Hanslicks Konzept auch noch im Jahr 1982
als „moving arabesque“ beurteilte,557 hat Rieser früher einzig eine „prevailing
opinion“ kritisiert, die instrumentale Kompositionen und plastische Arabesken
miteinander gleichsetze, ohne hier Hanslick persönlich anzuführen,558 was auf
Weitz ebenso zutrifft.559 Wenn dann aber neuere Autoren auf Hanslicks ‚Ara-
beske‘ verspätet eingehen,560 verdankt sich dies nicht einer jüngst importier-
ten Wagner-Debatte, sondern vielmehr dem rezenten Interesse an Hanslicks
Beziehung zur Kant’schen Philosophie (Kap. 4.1). Kants Kritik der Urteilskraft
(1790) und das dort entwickelte Paradigma der ‚freien Schönheit‘ wird hier als
die historische Begründung der formalen Ästhetik gesehen, die von Hanslick
musikalisch aktualisiert wurde, was auch eine direkte Parallele von Hanslicks
‚Arabeske‘ mit den Kant’schen „Zeichnungen a la grecque“ bedinge.561 Die ang-
lophone Fokussierung auf Hanslicks ‚Arabeske‘, bei der ‚reine‘ Musik als „sonic
wallpaper“ ausgelegt wird,562 entspringt demnach einem primär philosophi-
schen Problembereich, in dem Hanslicks VMS-Traktat schon durch Poles Buch
situiert worden war, und kann daher dessen diskursive Wirkung illustrieren.
Diese Lösung von der, oder besser gesagt: diese niemals erfolgte Bindung
an die emotionale Diskussion um die Wagner’sche ‚Zukunftsmusik‘ mündete
sodann darin, dass sich Hanslicks Bedeutung für die ästhetische Forschung im
englischen Sprachraum auf ein anderes Merkmal stützen konnte: auf Hanslicks
unspekulative Grundhaltung. Wenn Daniel Lettgen im Jahr 2010 etwa noch
meint, dass Hanslicks VMS-Traktat gegen „moderne“ Methoden der musi-
kalischen Hermeneutik und für „altmodische“ analysierende Theoriemodelle
argumentieren würde,563 ist die bedächtige Perspektive von Hanslicks Hypo-
these in den frühen Phasen der ‚englischen‘ Rezeption besonders geschätzt
555 R. D. Welch, „The Assault on Modernism in Music“, in MQ 7/3 (1921), S. 408–417, hier
S. 415.
556 Colin McAlpin, „Is Music the Language of the Emotions?“, in MQ 11/3 (1925), S. 427–
443, hier S. 433.
557 John Hospers, Understanding the Arts, Englewood Cliffs 1982, S. 126.
558 Max Rieser, „On Musical Semantics“, in JoP 39 (1942), S. 421–432, hier S. 424.
559 Morris Weitz, Philosophy of the Arts, Cambridge, Mass. 1950, S. 112.
560 Als markante Beispiele siehe hier etwa: Kivy, Introduction to Philosophy (wie Anm. 356),
S. 60; Richard Taruskin, The Oxford History of Western Music, Oxford/New York 2005,
Bd. 3, S. 441; Grey, „Hanslick“ (wie Anm. 155), S. 364.
561 Kant, Kritik der Urteilskraft (wie Anm. 40), S. 84 (§16, A229). Vgl. Kap. 4.1. Siehe hierzu
vorerst: Carpenter, „Form and Idea“ (wie Anm. 247); Appelqvist, „Kantian Ethos“ (wie
Anm. 381); Wilfing, „Hanslick and the Origins“ (wie Anm. 50).
562 Zur Musik als ‚sonic wallpaper‘ vergleiche ausführlich: Peter Kivy, The Fine Art of Repe-
tition: Essays in the Philosophy of Music, Cambridge 1993, S. 327–359.
563 Lettgen, Melancholie (wie Anm. 255), S. 375.
Re-Reading Hanslick's Aesheticts
Die Rezeption Eduard Hanslicks im englischen Sprachraum und ihre diskursiven Grundlagen
- Title
- Re-Reading Hanslick's Aesheticts
- Subtitle
- Die Rezeption Eduard Hanslicks im englischen Sprachraum und ihre diskursiven Grundlagen
- Author
- Alexander Wilfing
- Publisher
- Hollitzer Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-99012-526-7
- Size
- 16.0 x 24.0 cm
- Pages
- 434
- Keywords
- Eduard Hanslick, Formalismus, Musikästhetik, Musik und Gefühl, Emotionstheorie, analytische Philosophie, New Musicology, Immanuel Kant, Peter Kivy, Stephen Davies, Edmund Gurney, Adam Smith
- Category
- Biographien
Table of contents
- Danksagung 7
- Vorwort und Inhalte 9
- 1. Tendenzen und historische Entwicklung der Hanslick-Forschung 17
- 1.1. Die historische Forschung zu Hanslicks VMS-Traktat 20
- 1.2. Hanslick und die ‚idealistische‘ Philosophie 25
- 1.3. Hanslick und die ‚österreichische‘ Philosophie 35
- 1.4. Die soziokulturelle Kontextualisierung von Hanslicks VMS-Traktat 48
- 1.5. Die bisherige Forschung zur historischen Hanslick-Rezeption 62
- 1.6. Anhang – Hanslicks „tönend bewegte Form[en]“ 75
- 2. These und Exkurs: Hanslick Methodik – Ästhetik versus Kritik 83
- 3. Die historische Entwicklung der anglophonen Hanslick-Rezeption 117
- 3.1. Die erste englische Ãœbersetzung von Hanslicks VMS-Traktat 120
- 3.2. Erste Konsequenz aus Poles Ãœbersetzung: Differente Hanslick- Diskurse 125
- 3.3. Die anglophone Musikästhetik im 18. Jahrhundert: Beattie und Smith 136
- 3.4. Zweite Konsequenz aus Poles Ãœbersetzung: Gurneys Power of Sound 146
- 3.5. The Beautiful in Music (1891) und On the Musically Beautiful (1986) 159
- 3.6. Anhang – Hanslick’sche Rezensionen in Dwight’s Journal of Music 176
- 4. Was ist ästhetischer Formalismus? – Definition, Geschichte,Vertreter 179
- 5. Hanslick und die analytische Philosophie: eine produktive Rezeption 253
- Literaturverzeichnis
- Abkürzungsverzeichnis 329
- Quellentexte (Deutsch) 329
- Quellentexte (Englisch) 332
- Forschungsliteratur 333
- Namensindex 423