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3. Die historische Entwicklung der anglophonen Hanslick-Rezeption
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berĂŒcksichtigt, was dazu fĂŒhrt, dass sich seine restliche Botschaft hĂ€ufig ver-
liert. Denn Hanslicks Textstelle schlieĂt damit, dass dies keinesfalls verhin-
dern dĂŒrfe, âdie Spaltung der Musik in Composition und Reproduction, eine
der folgenreichsten SpecialitĂ€ten unserer Kunst, ĂŒberall zu beachten, wo sie
zur ErklĂ€rung eines PhĂ€nomens beitrĂ€gtâ (VMS, S. 109).812 Die Partitur als
eigentlichen Gegenstand der âphilosophischenâ Untersuchung methodisch
festzusetzen, hindert folglich nicht, das erklingende MusikstĂŒck und dessen
immer spezifische AuffĂŒhrung in einem anderen Kontext als bedeutend anzu-
sehen.813 Dass Hanslicks VMS-Traktat, wie Seidel korrekt bemerkt,814 die wis-
senschaftliche AuffĂŒhrungstheorie mit allen ihren verzweigten Implikationen
aus heutiger Sicht verfehlt, ist sicherlich zutreffend. Dies kann aber mit Hans-
licks Definition der âobjektivenâ MusikĂ€sthetik erklĂ€rt werden, die einzelne
Parameter isolieren muss und die das spezielle âEreignisâ als sekundĂ€r betrach-
tet, was aber nicht heiĂt, dass Partitur und âWerkâ fĂŒr ihn ident wĂ€ren. Noten-
text und AuffĂŒhrung erhalten dagegen mit den gewĂ€hlten Kontexten einen
jeweilig anderen Charakter, der von Hanslick nicht absolut gesetzt wird, wie
auch eine spÀtere Passage deutlich machen kann, die das Form-Inhalt-Problem
neuerlich aufgreift:
Zum Beispiel: wechselt ein Motiv, das von einem andern Instrument oder [in]
einer höheren Octave wiederholt wird, seinen Inhalt oder seine Form? Behaup-
tet man, wie zumeist geschieht das Letztere, so bliebe als Inhalt des Motivs blos
die Intervallenreihe als solche, als Schema der Notenköpfe, wie sie in der Parti-
tur dem Auge sich darstellt. Dies ist aber keine musikalische Bestimmtheit, son-
dern ein Abstractum. Diese Àndert hierdurch weder ihren Inhalt, noch ihre
Form, sondern lediglich die FĂ€rbung. Solch zahlloser Farbenwechsel derselben
Formen vom grellsten Contrast bis zur feinsten Schattirung ist der Musik ganz
eigenthĂŒmlich und macht eine der reichsten und augebildetsten Seiten ihrer
Wirksamkeit aus (VMS, S. 166).
812 Siehe dazu auch: âSo liegt denn das GefĂŒhlsentĂ€uĂernde und erregende Moment der
Musik im Reproductionsact, welcher den electrischen Funken aus dunklem GeheimniĂ
lockt und in das Herz der Zuhörer ĂŒberspringen machtâ (VMS, S. 110). Vgl.: Geoffrey
Payzant, âEduard Hanslick on the RĂŽle of the Performerâ, in Opuscula aesthetica nostra: A
Volume of Essays on Aesthetics and the Arts, hrsg. von CĂ©cile Cloutier und Calvin Seerveld,
Edmonton 1984, S. 73â80.
813 Zum Thema von Partitur und Klingen bei Hanslick vgl.: Glatt, Eduard Hanslick (wie
Anm. 34), S. 79â85. Siehe dazu etwa auch: Abegg, Eduard Hanslick (wie Anm. 41), S. 41f.;
Blaukopf, Empiristische Musikforschung (wie Anm. 90), S. 114; Landerer, Hanslick und Bol-
zano (wie Anm. 27), S. 109; GÀrtner, Hanslick versus Liszt (wie Anm. 39), S. 190; Landerer/
Zangwill, âMusical Essenceâ (wie Anm. 228), S. 488â490.
814 Seidel, Werk und Werkbegriff (wie Anm. 448), S. 202. Zu âWerkâ, AuffĂŒhrung, Interpreta-
tion, Improvisation, Visualisierung etc. siehe vor allem Cook, Beyond the Score (wie
Anm. 256).
Re-Reading Hanslick's Aesheticts
Die Rezeption Eduard Hanslicks im englischen Sprachraum und ihre diskursiven Grundlagen
- Title
- Re-Reading Hanslick's Aesheticts
- Subtitle
- Die Rezeption Eduard Hanslicks im englischen Sprachraum und ihre diskursiven Grundlagen
- Author
- Alexander Wilfing
- Publisher
- Hollitzer Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-99012-526-7
- Size
- 16.0 x 24.0 cm
- Pages
- 434
- Keywords
- Eduard Hanslick, Formalismus, MusikĂ€sthetik, Musik und GefĂŒhl, Emotionstheorie, analytische Philosophie, New Musicology, Immanuel Kant, Peter Kivy, Stephen Davies, Edmund Gurney, Adam Smith
- Category
- Biographien
Table of contents
- Danksagung 7
- Vorwort und Inhalte 9
- 1. Tendenzen und historische Entwicklung der Hanslick-Forschung 17
- 1.1. Die historische Forschung zu Hanslicks VMS-Traktat 20
- 1.2. Hanslick und die âidealistischeâ Philosophie 25
- 1.3. Hanslick und die âösterreichischeâ Philosophie 35
- 1.4. Die soziokulturelle Kontextualisierung von Hanslicks VMS-Traktat 48
- 1.5. Die bisherige Forschung zur historischen Hanslick-Rezeption 62
- 1.6. Anhang â Hanslicks âtönend bewegte Form[en]â 75
- 2. These und Exkurs: Hanslick Methodik â Ăsthetik versus Kritik 83
- 3. Die historische Entwicklung der anglophonen Hanslick-Rezeption 117
- 3.1. Die erste englische Ăbersetzung von Hanslicks VMS-Traktat 120
- 3.2. Erste Konsequenz aus Poles Ăbersetzung: Differente Hanslick- Diskurse 125
- 3.3. Die anglophone MusikÀsthetik im 18. Jahrhundert: Beattie und Smith 136
- 3.4. Zweite Konsequenz aus Poles Ăbersetzung: Gurneys Power of Sound 146
- 3.5. The Beautiful in Music (1891) und On the Musically Beautiful (1986) 159
- 3.6. Anhang â Hanslickâsche Rezensionen in Dwightâs Journal of Music 176
- 4. Was ist Ă€sthetischer Formalismus? â Definition, Geschichte,Vertreter 179
- 5. Hanslick und die analytische Philosophie: eine produktive Rezeption 253
- Literaturverzeichnis
- AbkĂŒrzungsverzeichnis 329
- Quellentexte (Deutsch) 329
- Quellentexte (Englisch) 332
- Forschungsliteratur 333
- Namensindex 423