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3. Die historische Entwicklung der anglophonen Hanslick-Rezeption
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und Hamilton823 den sinnlichen Teilaspekt hervorheben, den Kertz-Welzel,824
Higgins,825 Small826 und Kingsbury regelrecht übersehen: „Hanslick has attri-
buted to music the properties of sound (‚sound in motion‘) while excising all
traits of the sound-making (‚irrespective of performance‘).“827 Es scheint jedoch
genauso plausibel, dass Payzants Deutung eine schon zuvor wirksame Ausle-
gung von Hanslicks Hypothese wesentlich beförderte und ein einseitiges Ver-
ständnis zementierte.828
Zuletzt muss noch eine weitere Wirkung von Cohen und Payzant erörtert
werden, die die prinzipielle Ausrichtung der anglophonen Hanslick-Rezeption
entscheidend beeinflusste und die formalistische Interpretation von Hanslicks
Argument bekräftigte. Denn wenn sich die deutschsprachige Musikwissen-
schaft fast nur auf die erste Auflage (1854) von Hanslicks VMS-Traktat fokus-
sierte, übersetzten diese beiden Autoren eine jeweils spätere Fassung – Cohen
Auflage Nr. 7 (1885), Payzant Auflage Nr. 8 (1891) –, was nachhaltige Diver-
genzen im generellen Verständnis von Hanslicks Hypothese nach sich zog:
„When we compare secondary literature in English […] with that in German
we get the impression that commentators in German are writing about one
book and commentators in English about quite another.“829 In den nun folgen-
den Abschnitten (Kap. 4 und Kap. 5) wird genauer erläutert, dass idiosynkrati-
sche Interpretationen von Hanslicks VMS-Traktat oft aus besonderen diskur-
siven Formationen im englischen Sprachraum resultieren, die durchgehende
Abweichungen der Hanslick-Rezeption im deutschen und englischen Sprach-
raum erklären können. Hier sei nur noch kurz auf die früheste Variante seiner
ästhetischen Konzeption eingegangen, welche einige idealistische Textstellen
beinhaltete, die von Hanslick wegen einer generell positiven, aber trotzdem
teilweise kritischen Buchrezension Zimmermanns geändert wurden, der die
inhaltliche Diskrepanz der formalen Ästhetik bei Hanslick deutlich machen
wollte.830 Diesem Prozess fiel etwa auch Hanslicks Eintreten für die symboli-
823 Hamilton, Aesthetics (wie Anm. 267), S. 82.
824 Kathleen Marie Higgins, „Musical Idiosyncrasy and Perspectival Listening“, in Robin-
son, Music and Meaning (wie Anm. 374), S. 83–102, hier S. 85f.
825 Small, Musicking (wie Anm. 526), S. 135.
826 Kertz-Welzel, Transzendenz (wie Anm. 51), S. 297.
827 Henry Kingsbury, „Sociological Factors in Musicological Poetics“, in Ethnomusicology
35/2 (1991), S. 195–219, hier S. 207.
828 Für einige weitere rezente Beispiele siehe etwa auch: Chua, Absolute Music (wie Anm.
351),
S. 228; Naomi Cumming, The Sonic Self: Musical Subjectivity and Signification, Blooming-
ton/Indianapolis 2000, S. 247; Bonds, Music as Thought (wie Anm. 77), S. 108.
829 Payzant, Sixteen Lectures (wie Anm. 12), S. 44.
830 Zimmermann, „Zur Aesthetik der Tonkunst“ (wie Anm. 361); ders., Studien und Kritiken
(wie Anm. 362), Bd. 2, S. 239–253.
Re-Reading Hanslick's Aesheticts
Die Rezeption Eduard Hanslicks im englischen Sprachraum und ihre diskursiven Grundlagen
- Title
- Re-Reading Hanslick's Aesheticts
- Subtitle
- Die Rezeption Eduard Hanslicks im englischen Sprachraum und ihre diskursiven Grundlagen
- Author
- Alexander Wilfing
- Publisher
- Hollitzer Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-99012-526-7
- Size
- 16.0 x 24.0 cm
- Pages
- 434
- Keywords
- Eduard Hanslick, Formalismus, Musikästhetik, Musik und Gefühl, Emotionstheorie, analytische Philosophie, New Musicology, Immanuel Kant, Peter Kivy, Stephen Davies, Edmund Gurney, Adam Smith
- Category
- Biographien
Table of contents
- Danksagung 7
- Vorwort und Inhalte 9
- 1. Tendenzen und historische Entwicklung der Hanslick-Forschung 17
- 1.1. Die historische Forschung zu Hanslicks VMS-Traktat 20
- 1.2. Hanslick und die ‚idealistische‘ Philosophie 25
- 1.3. Hanslick und die ‚österreichische‘ Philosophie 35
- 1.4. Die soziokulturelle Kontextualisierung von Hanslicks VMS-Traktat 48
- 1.5. Die bisherige Forschung zur historischen Hanslick-Rezeption 62
- 1.6. Anhang – Hanslicks „tönend bewegte Form[en]“ 75
- 2. These und Exkurs: Hanslick Methodik – Ästhetik versus Kritik 83
- 3. Die historische Entwicklung der anglophonen Hanslick-Rezeption 117
- 3.1. Die erste englische Übersetzung von Hanslicks VMS-Traktat 120
- 3.2. Erste Konsequenz aus Poles Übersetzung: Differente Hanslick- Diskurse 125
- 3.3. Die anglophone Musikästhetik im 18. Jahrhundert: Beattie und Smith 136
- 3.4. Zweite Konsequenz aus Poles Übersetzung: Gurneys Power of Sound 146
- 3.5. The Beautiful in Music (1891) und On the Musically Beautiful (1986) 159
- 3.6. Anhang – Hanslick’sche Rezensionen in Dwight’s Journal of Music 176
- 4. Was ist ästhetischer Formalismus? – Definition, Geschichte,Vertreter 179
- 5. Hanslick und die analytische Philosophie: eine produktive Rezeption 253
- Literaturverzeichnis
- Abkürzungsverzeichnis 329
- Quellentexte (Deutsch) 329
- Quellentexte (Englisch) 332
- Forschungsliteratur 333
- Namensindex 423